Praktischer Aufbau meiner Endstufe mit PL82

Im Herbst letzten Jahres überraschte mich mein Freund Segschneider mit der Nachricht, er arbeite an einem PL82-Endstufenentwurf, mit dem er das bekannte Konzept aus dem Buch „Höchst empfindlich“ aufgreifen und weiterentwickeln wolle. Außerdem machte er mir das Angebot, das Projekt im Audionisten-Blog zu veröffentlichen – ausführlich kommentiert, damit auch andere etwas damit anfangen können. Natürlich hat er mich mit seiner Begeisterung mitgerissen!

Schnell wurde klar, dass das ohne ausführliche Erläuterungen zum zugehörigen Netzteil keinen Sinn machen würde. Ich übernahm daher die Aufgabe, die Konstruktion eines solchen Netzteils und dessen theoretische Herleitung zu beschreiben – hier nachzulesen.

Platinen für Netzteil PL82
Platinen für Netzteil PL82

Ich erhielt einen Schaltplan der Endstufe, und während Segschneider an seinem vierteiligen Blogbeitrag schrieb (Konstruktion eines Röhrenverstärkers mit PL82 – erster Teil, – zweiter Teil, – dritter Teil, – vierter Teil), begann ich, Netzteil und Endstufe praktisch aufzubauen. Davon soll nun dieser Beitrag handeln.

Endstufen-Module

Nachdem die Netzteilplatinen bestückt waren, machte ich mich an den Aufbau der beiden Endstufenmodule. Ohne schon zu wissen, wie das endgültige Gehäuse aussehen würde, entschied ich mich für einen Aufbau mit liegenden Röhren. Dazu baute ich zwei kleine Subchassis aus Aluminium.

PC86/PL82-Modul, Bild 1
PC86/PL82-Modul mit zwei 31-poligen Platinen-Steckern als Lötleisten
PC86/PL82-Modul, Bild 2
PC86/PL82-Modul

Jetzt wird es Zeit, auf die Verschaltung der Röhrenheizungen und deren Massebezug einzugehen. Zum Verständnis diese Grafik:

Verdrahtung Röhrenheizung
Serienschaltung der Röhrenheizungen und deren Massebezug

P-Röhren wurden für Serienheizung konzipiert, auch hier werden die Heizungen in Serie geschaltet. PC86 und PL82 benötigen wie alle P-Röhren einen Heizstrom von 300mA. Dabei fallen an der PC86-Heizung 3,8V und an der Heizung der PL82 16,5V ab. Die Heizungs-Serienschaltungen beider Verstärker-Module werden schließlich parallel geschaltet mit dem Heiztrafo verbunden, der somit 20,3V bei einem Strom von 600mA zu liefern hat.

Bei beiden Verstärkermodulen ist der Verbindungspunkt der Heizungen von PC86 und PL82 mit der Gerätemasse (zentraler Massepunkt) zu verbinden. Dies stellt den Massebezug der Heizung her, was wichtig ist, um Brummprobleme zu vermeiden.

Es ist unter allen Umständen darauf zu achten, dass die Heizungsverschaltung beider Verstärkermodule absolut identisch erfolgt! Dazu ist es zwingend notwendig, alle Leitungen – wie in der Grafik gezeigt – farbig auszulegen, um Verwechslungen zu vermeiden. Am Heiztrafo sind jeweils die gleichfarbigen Leitungen (im Beispiel grau und rot) zusammenzufassen.

Weiter ist es wichtig, dass die Röhren eines Kanals in der gezeigten Weise hintereinander geschaltet werden: die Verbindung zwischen beiden Röhren muss vom Pin 5 der einen zum Pin 4 der anderen Röhre erfolgen. Bei Nichtbeachtung fängt man sich eventuell ein Brumm-Problem ein, das später schwer zu lokalisieren ist!

Bei korrekter Beschaltung liegen wegen der gemeinsamen Masseverbindung jeweils die beiden PC86-Heizungen parallel, ebenso die beiden PL82-Heizungen. Werden die zwei Serienschaltungen aber gegensinnig gespeist, liegen die PL82-Heizungen in Reihe, jede davon mit einer zu ihr parallelen PC86-Heizung. Die Trafospannung teilt sich dann wie bei jedem Spannungsteiler 1:1 zwischen den PL82-Heizungen (mit deren parallel liegenden PC86-Heizungen) auf – es liegen somit mehr als 10V an den Heizfäden der nur für 3,8V ausgelegten PC86 an. Das wird nicht lange gut gehen.

Hier also besonders sorgfältig bauen!

Im folgenden Bild sieht man, dass die Heizungsversorgung in der Nähe der Röhrenfassungen möglichst kurz unter das Chassis geführt wird, um Brummeinstreuungen in die Verstärkerschaltung zu vermeiden. Das Chassisblech wirkt hier als Abschirmung:

Heizungsversorgung
Die Heizspannungszuleitungen werden unter dem metallischen Chassis weggeführt

Nun zur Bestückung der Verstärker-Module. Die erfolgt auf den 31-poligen Platinen-Steckerleisten. Auf dem nächsten Foto erkennt man, dass die Gitteranlaufwiderstände und der Triodisierungswiderstand direkt mit den Röhrenfassungen verlötet werden. Es ist keine schlechte Idee, die Zuleitungen der Katoden in blau und die der Anoden in rot auszuführen – bei späteren Messungen weiß man dann sogleich, wo die Messspitze anzusetzen ist. Überhaupt ist es gut, verschiedenfarbige Verbindungsdrähte zu benutzen und deren Verwendungszwecke zu standardisieren, dazu aber später mehr.

ein fertiges Verstärker-Modul
ein fertig bestücktes Verstärker-Modul

Es sei nicht verschwiegen, dass die Lötösen an den Steckerleisten recht winzig sind. Daher erinnere ich an dieser Stelle an den längst fälligen Gang zum Dentisten des Vertrauens (2x täglich Zähne putzen, 1x jährlich zum Zahnarzt!). Nicht vergessen, dem guten Mann eins seiner Werkzeuge abzuschwatzen, nämlich dies:

unverzichtbares Werkzeug!
dieses Zahnarzt-Instrument ist für Lötarbeiten an Platinen-Steckleisten unverzichtbar!

Das macht die Arbeit mit den Steckerleisten erst möglich, zumindest erleichtert es diese ganz ungemein!

Chassis, Gehäuse

An diesem Punkt – Netzteil fertig, Verstärker-Module fertig – war zu entscheiden, wie das Gehäuse aussehen soll. Dabei ging es zunächst um einen Probeaufbau auf einem Brett. Das ist eine recht empfehlenswerte Vorgehensweise, die auch von solchen Klassikern wie Otto Diciol („Röhren-NF Verstärker Praktikum“, Reprint bei FRANZIS) propagiert wird. Besagtes einfaches Brett hat aber den Nachteil, dass man die einzelnen Baugruppen nicht wirklich sinnvoll räumlich zueinander anordnen kann. Ich hatte daher die Idee, statt der Einfachversion eine hölzerne „Werft“ (so habe ich das Ding genannt) zu bauen, die eine Anordnung der Verstärkerkomponenten als zusammengehörige Baugruppen schon in dieser Versuchsphase ermöglichen sollte. Bei zweidimensionalen Brettaufbauten ist das nicht immer möglich. Das hier verwendete Holzchassis versucht diesen Nachteil zu vermeiden, indem beispielsweise dafür gesorgt wird, dass paarige Komponenten – die beiden Verstärker-Module und die beiden Siebketten-Platinen – im gleichen Abstand von den Netztrafos angeordnet werden.

Meine ursprüngliche Absicht war, das Holzkonstrukt später durch eine entsprechende Blechkonstruktion zu ersetzen. Diesen Plan habe ich inzwischen aufgegeben. Was soll ich sagen – bei dieser Werft wird es nun bleiben! So sieht sie aus:

Die "Werft", Bild 1
die „Werft“ meiner PL82-Endstufe

Ein Abteil meines Holzchassis habe ich mit 0,5mm starkem Kupferblech ausgelegt. Das Kupfer dient der Abschirmung des Netztrafos für die Anodenspannung und des Heiztrafos, die hier ihren Platz finden sollen:

Abschirmung aus Kupferblech
Abschirmung aus Kupferblech im Netztrafo-Abteil

Zwei wichtige Details: die beiden Massepunkte:

Gerätemasse und Gehäusemasse
Gerätemasse- und Gehäusemassepunkt. An letzteren ist später zwingend der Schutzleiter der Netzzuleitung anzuschließen

Der vom Kupferblech isolierte zentrale Massepunkt bündelt später sternförmig sämtliche Masseverbindungen zu den einzelnen Komponenten der Verstärker-Schaltung (Gerätemasse), der Gehäusemassepunkt wird nach VDE mit dem gelbgrünen Schutzleiter und allen metallischen Gehäuseteilen sowie über einen 100Ω-Widerstand mit dem zentralen Massepunkt verbunden. Dazu später mehr.

Zuerst werden alle Baugruppen auf das Chassis montiert:

Montage der Baugruppen auf dem Chassis, Bild 1
Baugruppen auf dem Chassis, v.l. die beiden Ausgangsübertrager, eins der Verstärkermodule, eine der Siebkettenplatinen
Montage der Baugruppen auf dem Chassis, Bild 2
von der anderen Seite gesehen links unten der Netztrafo für die Anodenspannung, rechts daneben die Gleichrichter/Ladeelko-Platine
Montage der Baugruppen auf dem Chassis, Bild 3
hier schließlich eine Unteransicht mit dem Verstärkermodul und der Siebketten-Platine des zweiten Kanals

So, nun geht’s ans Verdrahten. Es empfiehlt sich, verschiedenfarbig isolierte Litzen zu verwenden und bestimmten Funktionen eindeutige Farben zuzuweisen. Ich mache das etwa so:

  • blau: Kabelverbindungen zum zentralen Massepunkt
  • schwarz: minus Versorgungsspannung (0)
  • rot: plus Versorgungsspannung Endröhre
  • orange: plus Versorgungsspannung Vorröhre
  • weiß/rot (Volldraht, verdrillt): Versorgungsspannung Röhrenheizungen
  • gelbgrün: Schutzleiter

Masseverschaltung

Masseverschaltung
die Masseverschaltung

Als potentialmäßig tiefster Punkt der Schaltung wird der Minuspol des Ladeelkos auf der Gleichrichterplatine angenommen. Der Ausgang 0 (minus) der Gleichrichter/Ladeelko-Platine ist auf kurzem Weg mit der Verteilerklemme „zentraler Massepunkt“ zu verbinden (1). Dieser Punkt ist n i c h t mit dem Kupferblech des Gehäuses verbunden! An den zentralen Massepunkt gehören die beiden Massepunkte der Heizspannungsversorgungen (2) und die beiden Blechchassis der Verstärkermodule (3). Schließlich wird die Zentralmasse über einen 100Ω-Widerstand mit der Gehäusemasse verbunden. Letztere wiederum ist nach VDE-Vorschrift zwingend mit dem Schutzleiter zu verbinden!

Die Schaltungen der beiden Verstärkermodule erhalten ihre Masse über die 0V-Zuleitungen (minus) von den Siebketten-Platinen, letztere wiederum sind über die von der Gleichrichter/Ladeelko-Platine kommenden Versorgungsleitungen mit Masse verbunden. Innerhalb der Verstärkermodule gibt es k e i n e leitende Verbindung zwischen der Schaltung und dem kleinen Blechchassis!

Die Leitungen zu den Eingangsbuchsen sind abzuschirmen. Die Abschirmung ist schaltungsseitig mit 0V verbunden, die Massekörper der Eingangsbuchsen erhalten Massepotential über zwei blaue Kabel, die ebenfalls zum zentralen Massepunkt führen (hier nicht abgebildet!). Die Eingangsbuchsen sind jede für sich isoliert einzubauen und auch untereinander n i c h t zu verbinden!

Alle hier beschriebenen Maßnahmen dienen der Brummvermeidung. Die fertige Endstufe darf bei kurzgeschlossenen Eingängen n i c h t brummen!

Beinahe fertig

Nach der Verkabelung sieht die Enstufe so aus:

verdrahtet
nach den Verdrahtungsarbeiten, Aufsicht

Da es noch keine Frontplatte gibt, existiert auch noch kein Ein/Aus-Schalter. Netzstecker rein/raus – das muss für die erste Zeit reichen. Statt einer durchgehenden Rückwand gibt es ein provisorisches Panel für die Ein- und Ausgangsbuchsen. Hier noch zwei Fotos vom Netztrafo-Abteil:

Netztrafo-Abteil, Bild 1
links: Heiztrafo, darunter einige parallel geschaltete Vorwiderstände in der Heizleitung, mit denen der genaue Heizstrom eingestellt wird. Mitte: Gleichrichter/Ladeelko-Platine, rechts: Netztrafo für die Anodenspannungen
Netztrafo-Abteil, Bild 2
unter dem Heiztrafo der Gehäuse-Massepunkt. Dort ist der Schutzleiter (gelbgrün) anzubringen. Später hinzukommende metallische Gehäuseteile (Rückwand, Frontplatte, oberes und unteres Gehäuseblech) sind ebenfalls hier mit dem Schutzleiter zu verbinden

Wegen der liegenden Röhren unbedingt genügend Platz für den Röhrenwechsel vorsehen! Es gibt nichts Blöderes, als dazu das halbe Gehäuse auseinander nehmen zu müssen:

Röhrenwechsel
genügend Platz für den Röhrenwechsel einkalkulieren!

Experimente mit den Koppelkondensatoren

Denjenigen, die mit verschiedenen Koppelkondensatoren experimentieren wollen, sei hier noch ein kleiner Praxistipp verraten: an Stelle des Koppel-Cs zwei kleine Miniatur-Krokodilklemmen in die Schaltung einlöten! So kann man die Testkandidaten (bei abgeschaltetem Gerät!) sehr schnell auswechseln. Doch Vorsicht: die Dinger laden sich an dieser Stelle auf knapp 150V (= Uanode der PC86) auf. So was kann empfindlich weh tun, deshalb schließe ich die Cs vor dem Wechsel mit einer kleinen Kroko-Laborstrippe kurz …

Experimente mit dem Koppelkondensator
in die Schaltung eingelötete Mini-Krokodilklemmen erleichtern das Experimentieren mit unterschiedlichen Koppelkondensatoren

Fazit nach drei Monaten

Der hier gezeigte Aufbau existiert erst seit ein paar Tagen, denn für die Veröffentlichung habe ich den Erstaufbau dieser Endstufe wieder auseinander genommen und ein neues, in den Abmessungen modifiziertes Holzchassis aufgebaut. Alles ist nun wieder an seinem Platz und funktioniert wie gewohnt. Die Endstufe ist brummfrei und verhält sich auch sonst so, wie ich es seit drei Monaten gewohnt bin.

Ich betreibe diesen Verstärker an Lautsprecherboxen vom Typ SABA-Cello. Die sind von Haus aus keine Tiefenwunder. Dennoch weist die Kombination der PL82-Endstufe mit den Celli ein sehr ausgeglichenes Wiedergabespektrum auf. Die Räumlichkeit der Wiedergabe, die Ortbarkeit von Klangereignissen auch in der Tiefe und die Auflösung sind frappierend. Ich will nicht verschweigen, dass diese Art des Hörens auch Übungssache ist. Diese Endstufe erleichtert aber diesen immerwährenden Lernprozess.

Das Hören über diese Endstufe ist absolut unanstrengend. Ich habe (Transistor)-Endstufen erlebt, die die Musik regelrecht sezieren, in ihre Bestandteile zerlegen. Es ist, als müsse man als Hörer die Musik im Kopf selbst wieder zusammensetzen. Das kann schon mal dazu führen, dass man beim Hören regelrecht nervös wird und das Durchhören einer ganzen CD kaum möglich ist. Die PL82-Endstufe hingegen macht aus der Musik ein Amalgam – lässt zusammen, was zusammen gehört. Das macht das Hören damit sehr angenehm und lässt den der Musik innewohnenden Emotionen den nötigen Raum, sich zu entfalten.

Noch etwas erscheint mir wichtig: dieses Gerät macht die Unterschiede hörbar, die sich aus der Verwendung verschiedener Röhrenfabrikate und/oder verschiedener Koppelkondensatoren ergeben. Weniger gute Endstufen ebnen solche Nuancen ein.

Konstruktion eines Röhrenverstärkers mit PL82 – vierter Teil: die Gesamtschaltung

Die Verbindungspfade zwischen erster und zweiter Röhre enthalten jeweils DC-blockende Kondensatoren. Auch der Kondensator im GK-Pfad ist zwingend notwendig, um eine Verschiebung des Arbeitspunktes bei der ersten Röhre zu vermeiden. Bei der Dimensionierung dieses Kondensators wurde berücksichtigt, dass der GK-Pfad keine Phasendrehungen bewirken soll. Das ist in erster Näherung dann vermieden, wenn die Grenzfrequenz kleiner/gleich 5Hz ist. Nach meinen Erfahrungen bringt es mehr, den Stromfluss in der ersten Röhre hochzutreiben und im Gegenzug einen Kondensator im GK-Pfad zu akzeptieren, als auf diesen Kondensator zu verzichten, denn letzteres gelingt im Allgemeinen nur, wenn die Vorröhre mit sehr geringem Strom – typisch 1mA oder weniger – betrieben wird.

Nun kommt zusammen, was zusammen gehört - das komplette Schaltbild
zum Vergrößern anklicken!

Auch in diesem Falle gilt, dass die Summe der (bisherigen) Teile noch nicht vollständig das Ganze ergibt. Hinzutreten müssen als erstes die Gitterbremswiderstände, im vorliegenden Falle 680 Ohm, und um ihre Aufgabe zu erfüllen, sollten sie tatsächlich am Gitterpin der Röhren angelötet werden. Das ist am einfachsten zu bewerkstelligen, wenn man sie zugleich als Zuleitungen vom Schaltungsaufbau zum Röhrensockel verwendet.

Gesamtschaltung mit Dimensionierung aller Teile
Gesamtschaltung mit Dimensionierung aller Teile – zum Vergrößern anklicken!

Das zweite Detail wird eventuell Stirnrunzeln verursachen, vielleicht gar auf Ablehnung stoßen: der parallel zur Anode der PL82 gelegte Kondensator Ctr = 2,2 nF lässt dem Messtechnikfreak die Haare zu Berge stehen, denn er verschlechtert die Rechteckwiedergabe. Die Flankensteilheit könnte beeinflusst werden, und nicht im positiven Sinne. Dazu ist anzumerken, dass erstens ein Rechteck in keinem Musiksignal vorkommt, und dass zweitens die Vorstellungen der HiFi-Branche, was denn in der Wiedergabe ein gutes Rechteck sei, doch arg uneinheitlich sind. Die digital codierte Welt befasst sich ausschliesslich mit Rechtecken, da gibt’s nichts anderes, und im Digitalen gilt ein Rechteck als gut, wenn die ansteigende Flanke ein Fünftel, das waagrechte Dach drei Fünftel und die abfallende Flanke wiederum ein Fünftel ausmachen. Ja, herzlichen Glückwunsch, wie soll’s denn nun sein? Immerhin kann man den Jungs vom digitalen Sektor bescheinigen, dass sie ein gesundes Gespür für die Realität besitzen. Ob man bei analogen Schaltungen wirklich eine Anstiegsflanke in echt vertikal, also eine unendlich schnelle Impulsverarbeitung benötigt, wird leider nicht diskutiert.

Um auf den Kondensator Ctr zurückzukommen. Er begrenzt den Frequenzgang nach oben, und das ist nicht ganz unsinnig, da wir ja fernsehtaugliche Röhren verwenden (die ja, wie gesagt, zu sehr viel höheren Frequenzen fähig sind). Mit dieser Begrenzung folgt die Endstufe abermals den Maximen der Röhrenära, wir erinnern uns: die Profi-Geräte (siehe die genannten V73 und V69) wurden konstruktiv für einen Frequenzbereich von 40Hz bis 15kHz ausgelegt. Für mehr nicht. Eine kleine Anmerkung: bei natürlicher, also nicht elektrischer Tonerzeugung gibt es genau dreimal die 16kHz als höchsten Oberton. Sie werden erreicht bei Schlüsselklirren, Piccoloflöte und vergleichbar kleiner Orgelpfeife. Falls der geneigte Musikliebhaber eine grössere Sammlung mit diesen Dreien zufällig sein eigen nennen sollte, darf er sich trotzdem entspannt zurücklehnen. An der PL82-Endstufe wird die Wiedergabe dieser (im Allgemeinen doch recht seltenen) Tonerzeuger nicht scheitern. Die verwendete Gegenkopplung sorgt dafür, dass der der Messtechniker die 16 kHz noch „auf dem Strich“ wiederfindet. Das war bei den erwähnten Rundfunkendstufen übrigens genauso. Wenn jemand unbedingt deutlich höhere Frequenzen noch „auf dem Strich“ haben möchte, dann möge er bitte ungeniert weiter in seine Kirche gehen, denn dann ist diese Endstufe nicht für ihn bestimmt.

PL82 vor Kennlinie
PL82 vor Kennlinie

Ein Wort zu den geeigneten Bauteilen soll diese Betrachtung abschliessen. Die eingesetzten Widerstände sind, sofern nicht anders bezeichnet, halbwatt Kohlefilme. Die Angaben zu den Kondensatoren beziehen sich auf das Fabrikat Wima, durchgängig mit 630V Spannungsfestigkeit. Die angegebenen Typen sind so gut, dass man sie ungeniert einsetzen kann. Freilich werden, angestachelt von einer umsatzgeilen Branche, Kondensatoren immer wieder zur Diskussion gestellt. Deswegen möchte ich dem Kondensatorfreak ein wenig entgegenkommen und einige Alternativen aufzeigen. Was dem einzelnen Hörer zusagt, bleibt sicherlich eine sehr individuelle Wahl. Wer auf der Suche nach „seinem“ Klang andere Wege gehen will, möge das auf eigenes Risiko tun. Der Kondensator Ctr kann anstelle des FKP2 auch ein Silbermica sein, dann in der Grösse 1,0 bis 1,5nF und mit einer Spannungsfestigkeit von mindestens 500V. Wer für Ölpapier- oder Wachspapiertypen schwärmt, sollte sie (nur!) an der Stelle von Cg und Cgk2 einsetzen, in derselben Grösse und ebenfalls mit mindestens 500V Spannungsfestigkeit. Beim Katodenkondensator Ck der PL82 bietet sich heutzutage die Möglichkeit, einen für Digitalschaltungen geeigneten Elko einzusetzen, alternativ könnte es ein Rubycon sein. Soviel zu den Bauteilen.

Und noch etwas: dass eine solche Endstufe mit höchstempfindlichen Lautsprechern zusammengespannt werden sollte, ist bereits gesagt worden. Aber wie sieht es eingangsseitig aus? Es wäre möglich, sie direkt vom regelbaren Ausgang eines CD-Players anzusteuern. Dagegen spricht die verbreitete Erfahrung, dass regelbare CD-Ausgänge meist nicht das Gelbe vom Ei sind. Besser wäre es, einen guten Vorverstärker zu verwenden, mit einer Quellimpedanz von 1kΩ oder geringer. Die Endstufe wird auch höhere Quellimpedanzen wegstecken, es fragt sich nur, ob das dann klanglich höherwertige Geräte sind. Es macht schließlich keinen Sinn, schlechte Äpfel mit guten zu verkochen, denn der dann entstehende Apfelbrei wird dem Genießer nicht zusagen. Vermieden werden sollten die derzeit gerade wieder in Mode gekommenen passiven Linestufen, ihre Ausgangsimpedanzen sind generell zu fragwürdig, oftmals schwankend und/oder zu hoch. Nach meiner unmaßgeblichen Meinung verdient eine gute Linestufe den Vorzug vor allen anderen Lösungen.

– Segschneider –


Nachsatz des Audionisten

So weit die Ausführungen meines Freundes und Mentors Segschneider zu seiner Version einer Endstufe mit PC86 und PL82. Dafür herzlichen Dank!

Exakt die hier beschriebene, höchst musikalische Endstufe ist vor einigen Monaten von mir aufgebaut worden und lässt seither alle vorher von mir gebauten Endstufen in jeglicher Hinsicht weit hinter sich. In Kürze werde ich hier auf audionist.de einen mit vielen nützlichen Hinweisen versehenen, reich bebilderten Bericht über meinen Aufbau veröffentlichen (inzwischen geschehen, siehe Praktischer Aufbau meiner Endstufe mit PL82).

In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf die grundlegenden Ausführungen zum Thema Netzteil-Konstruktion verweisen. Die hervorragenden Eigenschaften dieser Endstufe stehen und fallen mit der Qualität ihrer Spannungsversorgung.

Stay tuned!
MiMü


Empfehlung: Kat Edmonson

Gestern Morgen um kurz vor acht lief dieser Titel – Hopelessly Blue – im Radio. Seitdem hab ich mir immer mal wieder – und jedesmal mit Gänsehaut – dieses Video angesehen:

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, wieder gesungen von Kat Edmonson, von der ich bis gestern nichts wusste … Jetzt werde ich mich kümmern müssen!

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