Breitband-Diskussion – die Zweite

Heute erreichte den Audionisten ein Kommentar zum Beitrag „Breitband-Diskussion“. Ein Leser dieses Blogs hatte Götz Wilimzig direkt angeschrieben und äußerte in seiner Email seine Zweifel in Bezug auf die Brauchbarkeit der in der Schrift „Höchst empfindlich“ empfohlenen Radio-Breitband-Lautsprecherchassis vom Typ Saba Greencone und deren neuzeitlichem Ersatz Beyma 8AG/N.

Nun streue ich mal ein wenig Asche über unsere Häupter: wir entschieden uns, diese Mail hier zu veröffentlichen. Zwar anonymisiert, aber doch ungefragt und sehr pointiert beantwortet. Umso mehr freut uns die neuerliche Reaktion unseres Lesers, der zwischenzeitlich Versuche angestellt hat und in seinem Kommentar nun zu diesem Urteil kommt:

Hallo liebe Audionisten,

nach meiner anfänglichen Kritik an der Musikwiedergabe über Breitbandlautsprecher muss ich mein Urteil durch eine neue Erfahrung zumindest teilweise revidieren!

Mein Urteil über die Alternative Beyma möchte ich aber derzeit noch aufrecht erhalten. Auf Dauer fehlte mir einfach der Tiefgang, das Volumen! Dieses aber jetzt nur aus der Erinnerung heraus, weil die Boxen schon eine Zeitlang nicht mehr existieren.

Was aber die alten Radiolautsprecher anbelangt, habe ich solche Exemplare mal in zwei einfache 70 X 100cm Schallwände konzentrisch eingebaut! Und siehe da, es stellte sich ein frappierendes, farbenreiches Spiel ein, bespickt mit feinsten Informationen und einer Stimmennatürlichkeit, die mich absolut verblüffte! Dazu kam jenes mir fehlende Volumen dazu, heißt ein Akustik Bass wurde glaubhaft abgebildet. Es war wirklich nicht mehr entscheidend, wie weit der Frequenzgang zu messen ist, sondern viel wichtiger wurde die Kohärenz des gesamten Abbildes!

Von daher war es mir ein Anliegen, dieses hier zu revidieren und letztlich zu relativieren.

MfG

Wir freuen uns, dass hier jemand sein ursprünglich gefälltes Urteil zurücknimmt und das auch öffentlich tut – chapeau! Außerdem verweisen wir auf dies:

Es gibt nichts Gutes – außer, man tut es!

Erich Kästner

Breitband-Diskussion

Nach wie vor reibt sich ein Teil der Leserschaft an den im Buch „Höchst empfindlich“ veröffentlichten Verstärker- und Lautsprecherkonzepten. Mitautor Götz Wilimzig bekommt nicht selten Zuschriften mit Fragen und Anregungen hierzu. Eine aktuelle Email hat er nun an mich weitergeleitet. Ich solle doch mal überlegen, ob wir die nicht im Team beantworten wollen – hier im Audionisten-Blog.


Leserbrief

Sehr geehrter Herr Wilimzig und wertes Autorenteam,

mit Genuss und auch Erstaunen habe ich Ihr Buch „Höchst empfindlich“ gelesen und auch einige Prinzipien an meinem EL84 SE Verstärker umgesetzt.
Was mich allerdings immer wieder irritiert, ist die Umsetzung des Lautsprecher-Konzeptes! Ein Beyma, aber auch ein alter ovaler Radiolautsprecher bringen einfach nicht das nötige Volumen. Der Bassbereich wird doch sehr arg eingeschränkt wiedergegeben! 🙁
Nein, ich bin kein Liebhaber der Disco- oder gar Technomusik mit ihren extremen Tiefen. Aber so ein Beyma fällt bei ca. 100Hz an zu sinken und was bei 60, 70 Hz noch an Schalldruck abgegeben wird, dürfte wirklich marginal sein!
Was nützt mir dann ein so kleiner Ausschnitt des Spektrums, wenn das Volumen irgendwie zu kurz kommt?
Aber mein Hauptproblem bleiben einfach die Tiefen! Das muss nicht gleich bis 20Hz runter gehen, aber 40, 50 wären schon gut gewesen. Von daher habe ich halt meine Zweifel an dem gesamten Lautsprecher Konzept! Muss ich der Nostalgie geschuldet so viele Abstriche machen? 🙂
Sehe das natürlich auch unter dem Aspekt des Lobliedes, das in dem Buch gesungen wird!
Dass Breitbänder grundsätzlich auch Stärken haben, will ich ebenfalls nicht bestreiten. Aber Ihr Fazit von der großen Güte der Wiedergabe von Radiolautsprechern kann ich derzeit einfach noch nicht bestätigen!

Mit freundlichen Grüßen
(Name ist der Redaktion bekannt)


Unsere Antwort

SABA Cello
SABA Cello
Lieber Audiofreund,

Sie sind kein Anhänger der alten – oder auch neuen? – Breitbänder. Müssen Sie nicht sein, niemand zwingt Sie. Sie haben vielmehr die volle Freiheit, zu hören mit welchem Lautsprecher auch immer Sie wollen. Sie finden die Tugenden, die manche anderen Menschen an (einigen!) Breitbändern finden, einfach nicht wieder – wenn wir das recht verstehen. Kein Problem! Wir finden dutzendweise bei neuen Lautsprechern die Tugenden nicht wieder, die Vertrieb und Reviewer ihnen andichten!

Leider haben Sie weder technische Forderungen genannt noch Messschriebe beigefügt, die Ihr Unbehagen verdeutlichen könnten. Vielleicht beziehen Sie sich auf die Dinge, die im Internet verbreitet worden sind. Da gibt es zum Beispiel Troels Gravesen, einen dänischen Lautsprecherentwickler, der stellvertretend für viele alte Breitbänder mal den Saba Greencone untersucht hat. Und, siehe da, im sogenannten Reso-Gehäuse läuft der Saba bis 50 Hz runter – nach Troels Gravesens eigenen Messungen. Ja, was kann der Mann dann gegen so einen Lautsprecher haben? Dieses Rätsel ist keines, denn was moderne Lautsprecherentwickler gegen solche Konzepte haben, ist mehrfach publiziert worden, auch bei Herrn Gravesen selbst.

Der Forderungskatalog der Moderne schließt den Breitbänder schlichtweg aus. Wenn wir einen Schallpegel von 95dB bei kleinem Klirr, meist wird 1% genannt, haben wollen, dann gibt es keinen Breitbänder, der das erfüllen kann. Und darüber hinaus kann man noch das beaming ins Feld führen und: Problem erledigt, jedenfalls für moderne Entwickler! Deren Produkte sind – ganz wie bei Angela Merkel – immer alternativlos. Das entspricht ganz und gar dem heutigen Geschäftsleben, zu dem der Verkauf von Lautsprechern ja gehört.

A propos Geschäftsleben. In der Zeitspanne, in der Greencones produziert worden sind, muss ein heutiger Lautsprecherhersteller ein halbes Dutzend Neuheiten vorstellen – mindestens. Oder er geht Pleite. Das Tempo, in welchem sogar die Selbstbauerpostillen neue und aberneueste Schallwandler veröffentlichen, kann man nur noch rasend nennen. Auch diesbezüglich hat sich die Welt geändert. Das gilt sogar für Ihren Röhrenverstärker! Technisch gesehen ist er – leider – nicht mehr „up to date“! Die Forderungen, die ein neuzeitlicher Transistor erfüllt, die kann ein Röhrenverstärker nur noch in seltensten Ausnahmefällen anbieten – so ist es nun eben.

Kleiner Tipp von uns: Sie finden sowohl bei Troels Gravesen als auch bei dipolplus und vermittels Internetrecherche auch anderswo Rezepte, wie man einen Breitbänder mit einem grossen Chassis „unterfüttern“ kann, um am Ende (meistens) ein Dreiwege-Konzept zu haben, das modernen Forderungskatalogen entspricht. Und wenn das Ihren Gefallen finden sollte, wer wollte Sie aufhalten?

Es hat mal ein und dieselbe Jacke gegeben, die jedem Chinesen gepasst hat. Nur die Jacke vom grossen Vorsitzenden Mao soll innen mit Seide gefüttert gewesen sein – falls das nicht ein böswillig von der CIA verbreitetes Gerücht gewesen ist. Aber einen Lautsprecher, der jedem gepasst hätte, den hat es noch nie gegeben. Und wir denken, dass es den auch nie geben wird.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein glückliches Händchen bei der Wahl „Ihres“ Lautsprechers!

Werkbuch für Jungen – eine Fundgrube des Analogen

Erstmals veröffentlicht im Vorgänger-Blog „der Radionist“ am 15.02.2012

aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965
aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965

Ich bin ein Kind der 50er-/60er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Altersgenossen werden es bestätigen können: damals wurde noch viel selbst gemacht. Eine frühe Erinnerung: ich sitze mit meinem Vater am Küchentisch und er hantiert mit der Laubsäge. Was wurde damals nicht alles ausgesägt, danach glattgeschmirgelt, bunt angemalt und lackiert: ich erinnere mich an bunte Schlüsselbretter mit Zwergenmotiven und so ein Zeugs. Dabei war mein Vater handwerklich bestenfalls so mittelbegabt, was ihn aber auch nicht davon abhielt, gemeinsam mit einem Arbeitskollegen (Beamter so wie er) unter Zuhilfenahme von lediglich Hammer, Nägeln, Schraubenzieher, Laubsäge und Kartoffel-Schälmesser eine Weihnachtskrippe zu zaubern, die meine inzwischen verwitwete Mutter nach mehr als 40 Jahren noch immer hütet wie ihren Augapfel.

Wir Jungs bauten damals unsere Drachen selbst. Jeder von uns wusste, wie das ging. Welcher Laden führt aber heute noch Drachenpapier – und wer weiß schon noch, dass man Drachen am besten mit Kartoffelkleister klebt?

mein Exemplar von 1966 - schon arg ramponiert, um nicht zu sagen: verbastelt...
mein Exemplar von 1966 – schon arg ramponiert, um nicht zu sagen: verbastelt…

Entscheidend für viele Dinge, die ich im Leben angefangen habe, war ein Buchgeschenk aus dem Jahr 1966. Da bekam ich mein ersehntes Exemplar des “Werkbuch für Jungen” von Rudolf Wollmann. Dieses Buch erschloss mir bald Technik und Naturwissenschaften.

Das Buch ist toll aufgemacht: es beginnt mit einfachsten Basteleien wie Papierfliegern oder Weidenflöten. Hand aufs Herz: wer kann heute noch eine Weidenflöte schnitzen? (Ich kannte nur einen, der das konnte – das war mein Opa mütterlicherseits.)

Grandios auch der Reckturner – ein schönes Beispiel für die liebevolle Bebilderung des Buchs:

aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965
aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965

Weiter geht’s mit Modellen aus der Mechanik (Dampfmaschine!) und Optik (Kaleidoskop, Camera Obscura) über die Einrichtung von Aquarien und Terrarien bis hin zu Geräten aus Elektro- und Radiotechnik. Schließlich gibt’s dann noch Ausführungen zu den Themen Modellbahnbau, Flug- und Schiffsmodellbau sowie grundlegende Kapitel zu handwerklichen Basistechniken.

aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965
aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965

Endlich im Besitz des Werkbuchs wurde mir schnell klar: mit den paar alten, stumpfen Werkzeugen, die sich im Haushalt meiner Eltern im Laufe der Jahre angesammelt hatten, war kein Staat zu machen. Da musste unbedingt was besseres her. Und ein ganz dringender Wunsch wurde geradezu zur fixen Idee: ich wollte einen Lötkolben. Natürlich wollten meine Eltern keinen Lötkolben, denn besonders meine Mutter hatte Visionen von Tischplatten mit Brandlöchern… Es dauerte aber nicht lange, da hatte ich so ein unverzichtbares Ding. Damit begann eine lange Bastlerkarriere, die heute noch längst nicht abgeschlossen ist!

Das Werkbuch für Jungen ist sicher ein Auslöser für mich gewesen, mich mit Naturwissenschaften und Technik zu beschäftigen – ein Blick hinein löst nostalgische Gefühle aus.

Nachtrag: Ich besitze mittlerweile eine weitere Ausgabe des besprochenen Buchs, und zwar aus der 10. Auflage von 1953. Außerdem erinnere ich mich daran, dass ich als vielleicht Zehnjähriger in der Stadtbibliothek in Gütersloh noch ältere Ausgaben des Werks ausleihen konnte. In denen fanden sich später weggelassene Baubeschreibungen zu Influenzmaschinen und Funkeninduktoren. Nach solchen Ausgaben suche ich nach wie vor.

Über den Autor Rudolf Wollmann schweigt sich das Internet aus.

aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965
aus: Werkbuch für Jungen © Otto Maier Verlag Ravensburg 1965

Kehraus

Gelegentlich tut es gut, den Browsercache zu leeren, den Desktop des Rechners aufzuräumen, temporäre Daten zu löschen und überhaupt ein wenig Archivarbeit zu leisten. Den Schreibtisch in die Aktion einzubeziehen, kann bestimmt nix schaden. Das schreibt hier übrigens einer, dessen Arbeits- und Denkmöbel als Heimstatt kreativen Chaos´ zu bezeichnen eine schamlose Beschönigung wäre! Tatsächlich ahne ich, dass der Zustand meines Arbeitsplatzes einiges aussagt über mich als Nutzer und über den Grad an Unordnung auch in meinen Gedanken …

Das eben Erwähnte gilt natürlich ebenso für die Menge an musikalischen Eindrücken, die sich sukzessive im Kopf ansammelt. Beizeiten muss ich meine innere Festplatte aufräumen, wenn ich mal wieder an die Grenzen meiner musikalischen Aufnahmefähigkeit stoße. Geradezu versessen auf „Stille im Kopf“, höre ich dann tagelang kaum mehr Musik, lasse Radio, Anlage und Spotify ausgeschaltet und verschiebe nach Möglichkeit Einkäufe in Muzak-verseuchten Verbrauchermärkten auf später.

Elbsandsteingebige
Elbsandsteingebige / Sächsische Schweiz – © Dirk G. (einer unserer Wanderfreunde)

Insofern kam mir eine schon länger geplante Wanderwoche in der Sächsischen Schweiz mehr als recht! Sechs Tage waren wir unterwegs, insgesamt etwa 80 km legten wir an vier Wandertagen per pedes zurück. Obwohl wir eine neunköpfige Gruppe waren – elf, wenn man die Hunde mitzählt – war reichlich Zeit zum Schweigen, zum Nachdenken – kurzum: zum Runterkommen. Gerade in den Tagen zuvor hatte ich mich musikalisch überladen, in jeder freien Minute freute ich mich hörend über meinen neuen Plattendreher. Das geschah zwar auf sehr hohem klanglichen Niveau, aber das rettete mich gerade nicht davor, es mit dem Input quantitativ zu übertreiben.

Fastenbrechen

Nach dem viel zu schnell vergangenen Urlaub gilt es nun, auf behutsame Art und Weise wieder Musik „nachzufüllen“.


Cæcilie Norby & Lars Danielsson - Just the Two of Us (LP, 2015)
© ACT

Auf ein Album habe ich mich besonders gefreut: Cæcilie Norby & Lars Danielsson – Just the Two of Us (LP, ACT 2015). Die dänische Vokalartistin und der schwedische Ausnahmebassist sind privat ein Paar, aber hier erstmals als Duo auf einem gemeinsamen Album zu hören.

Man muss sich schon etwas trauen, wenn man ein Album mit einer Cover-Version des Joni Mitchell-Titels Both Sides Now beginnt. Doch schon nach den ersten gezupften Basstönen und dem Einsetzen der die mittleren Lagen auslotenden Stimme der Sängerin weicht die Skepsis des Zuhörers.

Die versierte Jazz-Vokalistin Norby beherrscht den Blues ebenso wie den Scat-Gesang. Gleichermaßen vielseitig der Bassmann Danielsson: mühelos zwischen perkussivem Spiel, Akkord-Begleitung und solistischen Anteilen wechselnd liefert er jederzeit das Pendant zum vokalen Treiben seiner Duo-Partnerin. Hier beansprucht niemand die Anführerschaft, beide stellen sich in den Dienst der mehr als guten Sache. So wird diese Platte zum Dokument eines großen Einverständnisses der beiden Künstler, wohl auch und vor allem auf der menschlichen Ebene … Hochemotional!

Nach etwas mehr als 45 min. endet dieses vorzüglich gepresste Vinylalbum mit einer eindrucksvollen Version von Leonard Cohens Hallelujah.


Tschaikowsky - Konzert für Violine und Orchester D-dur op.35 - David Oistrach, Violine
© MELODIA/eurodisc

Tschaikowski – Konzert für Violine und Orchester D-dur op.35 – David Oistrach, Violine – Dirigent: Kyrill Kondraschin – Staatliches Sinfonieorchester der UdSSR (LP 1959, MELODIA/eurodisc)

Mein neuer Plattendreher schließt mir nun auch das Tor zur Klassik weiter auf. Ich habe eine Vielzahl von Klassik-Vinylalben, die aber bisher eher Beifang waren auf meinen Streifzügen über die Flohmärkte und durch die sozialen Kaufhäuser der Region.

Neulich hörte ich zu technischen Vergleichszwecken (tube rolling) etliche Male hintereinander das Tschaikowski-Violinkonzert D-dur op.35. Solistin: Anne-Sophie Mutter unter Herbert von Karajan mit den Wiener Philharmonikern. Als ich mich da reingegrooved hatte, machte es ordentlich Spaß, der zum Aufnahmezeitpunkt 1988 noch jungen Frau beim unbekümmerten Bewältigen der vielen eingebauten Schwierigkeiten zuzuhören. Es hatte allerdings auch ein bisschen was von einer Reihung lauter einzelner kleiner Kunststückchen. Hier ein dreifacher Rittberger, gleich darauf doppelter Toeloop, wenig später ein soundsovielfacher Salcho – und das alles auf der Geige!

Ich weiß nicht, was mich dann ritt, dass ich noch mal zur Plattensammlung ging und nach anderen Aufnahmen des Tschaikowski-Konzerts sah. Jedenfalls hielt ich nach kurzer Suche die eingangs genannte Platte mit David Oistrach als Solist in der Hand. Kurzer prüfender Blick auf die Plattenoberfläche, sofortiger Gang zur Plattenwaschmaschine und drauf damit auf den Plattenteller. Was sich nun entfaltete, war freilich von ganz anderem Kaliber. Natürlich ist Oistrach ein brillianter Techniker, aber erst seine Einspielung erschließt mir auch die emotionale Tiefe des Konzerts. Ich bin nicht nur davon begeistert, sondern auch von der klanglichen Qualität dieser alten Vinylscheibe! Auf jeden Fall ein würdiger Kandidat, mich nach dem Urlaub wieder mit Musik „aufzuladen“!


Paolo Conte - Concerti (2LP 1985, Live)
© CGD

Paolo Conte – Concerti (2LP 1985, Live). Diese Platte habe ich hier im Blog schon mal erwähnt. Mal abgesehen davon, dass ich von der Unmittelbarkeit dieser Live-Aufnahmen des italienischen Liedermachers und Chansonniers geradezu elektrisiert bin, nutze ich sie gern, um in meiner Anlagenkette verschiedene Röhrenfabrikate vergleichend gegeneinander antreten zu lassen. Überdies ist das eine Einspielung, die die Spannung von der ersten bis zur vierten Plattenseite hält.

Gestern hörte ich einige ausgewählte Stücke im Rahmen meiner Aktion „vorsichtig wieder an gute Musik gewöhnen“!


Und wenn’s richtig fetzen soll, ohne dass es peinlich wird, fällt meine Wahl gern mal auf eine Platte von Wolf Maahn. Ich finde, dass Maahn einer derjenigen ist, auf die der Begriff „unterschätzt“ unbedingt zutrifft. Er ist nicht nur jemand, der die Musik noch von Hand macht, sondern auch ein Musikant im besten Sinne, den ich auch wegen seiner Texte bewundere. Mein Lieblingssong von ihm findet sich auf dem Album „Kleine Helden“ (LP 1986) und heißt Ich wart auf Dich.

Auf solche Ideen muss man erst mal kommen:

Ich bin müde –
und ich wünsch mir jetzt Dein Kleid voller Leben
So möcht ich Dich eine Zigarette rauchen sehn
Um dann müde in Dich zu kriechen …

Wolf Maahn – Ich wart auf Dich

Wolf Maahn - Was? (LP 1989)
© EMI

Diesmal greife ich aber nicht zu „Kleine Helden“, sondern zu Wolf Maahn – Was? (LP 1989). Ich zapple noch ein bisschen durchs Wohnzimmer, zu Stunde um Stunde, und schalte dann die Anlage aus. Für diesmal ist es genug, mein innerer Konzertsaal ist wieder bestückt. Neue musikalische Abenteuer können kommen – ich bin vorbereitet!

Ein Dreher für den rookie

Der rookie bin ich und dies ist mein neuer Plattendreher ...
Der rookie bin ich und dies ist mein neuer Plattendreher …

Als in der Adenauer-Ära des vorigen Jahrhunderts Geborener ist mir der Umgang mit Geräten, mittels derer man Schallplatten abspielt, keineswegs fremd. Mit anderen Worten: ich weiß sehr wohl, wie man einen Plattenspieler in Gang setzt. Das ist aber auch alles.

Seit ich mit erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen High-Fidelisten zu tun habe, ahne ich, dass auch hinter der Plattenspielerei eine gewisse Wissenschaft steckt, deren Terminologie mir allerdings noch alles andere als geläufig ist. Vor allem habe ich mir wohl den lieb gewordenen Begriff „Plattenspieler“ abzugewöhnen und fortan das Wort „Dreher“ zu benutzen …

Seit etwa zwei Jahren wirkt der engere Kreis derjenigen, die mich bei der Optimierung meiner selbstgebauten Musikanlage mit Rat und Tat unterstützen, sanft auf mich ein, ich möge mich doch endlich mit dem Gedanken an den Aufbau eines hochwertigen Plattendrehers auseinandersetzen. Zunächst sperrte ich mich ein bisschen, aber im Laufe der Zeit gab ich meinen Widerstand auf, zumal ich beim Hören der Dreher meiner Freunde merkte: da geht auch bei mir noch was! Nach und nach wurde ich dann mit den Leistungen meines altgedienten Thorens TD147 unzufriedener, obwohl dessen Tonarm mit einem recht guten SONUS-System ausgestattet ist.

Also sammelten sich hier einige Zutaten für einen ordentlichen Dreher, als da wären: ein Dual-Motor EDS 900 (Direktantrieb) samt zugehörigem Teller, dazu eine von einem Hamburger Audiofreund neu entwickelte Elektronik zur quarzgenauen Steuerung des Motors. Außerdem ein Tonabnehmersystem ADC220X mit originalen elliptischen Ersatznadeln. Last not least ein SME Serie V Tonarm. In den Besitz dieses excellenten Tonarms zu kommen war letztlich ausschlaggebend, in Sachen Dreherbau endlich aktiv zu werden.

Tja, wie beginnen, wenn man selber von nix eine Ahnung hat? Man fragt jemanden, der sich damit auskennt. In meinem Fall war das mein Audiofreund Meinolf, der auf seiner Website www.ms-vint-audio.de schon eigene Dreher-Konzepte vorgestellt hat: Eigenbau Direkttriebler EDS 900 mit neuer Motorplatine.

Meinolf legt allergrößten Wert auf die folgende Anmerkung: er will sich den Dreherbau für andere nicht zur Gewohnheit machen! Insofern hab ich wohl noch mal richtig Glück gehabt … 🙂

Meinolfs Konzept des schichtweisen Aufbaus aus Multiplexplatten und einer oberen Schicht aus Corian gefiel mir allein schon optisch von Anfang an – so etwas wollte ich auch. Also setzten Meinolf und ich uns einen Tag lang hin, um die Abmessungen, Stellung von Teller und Tonabnehmer zueinander und die auszufräsenden Ausschnitte in den einzelnen Multiplexlagen festzulegen und in eine Frässchablone für die Oberfräse zu übertragen. Wir entschieden uns für das folgende Prinzip: der Tonarmstand wird fest montiert auf einem auf der Grundplatte des Drehers fest aufgebauten „Turm“. Die Grundplatte bilden zwei Multiplexplatten von 15mm Stärke, ist also 30mm stark. Über dieser Grundplatte federnd gelagert bilden zwei weitere Multiplexlagen und abschließend eine 12mm starke Corianplatte das Motor und Teller aufnehmende Oberteil des Drehers.

Dämpfer aus Neopren
Dämpfer aus Neopren

Vier Dämpfungselemente aus Neopren tragen später das Dreher-Oberteil.

Die untere Schicht der Dreher-Grundplatte mit den vier Dämpfern.
Die untere Schicht der Dreher-Grundplatte mit den vier Dämpfern.

Im nächsten Bild sieht man die schon verbundenen beiden unteren MPX-Schichten, die gemeinsam das Unterteil des Drehers bilden. Der große Durchbruch nimmt später die Platine der Motor-Elektronik auf.

Die komplette Grundplatte aus zwei Lagen Multiplex
Die komplette Grundplatte aus zwei Lagen Multiplex

Auch der Tonarm-Turm besteht aus mehreren Multiplex-Schichten und einer Lage Corian:

Die Holz- und Corianschichten des Tonarm-Turms mit der Original SME-Ausschnittschablone
Die Holz- und Corianschichten des Tonarm-Turms mit der Original SME-Ausschnittschablone

Hier sieht man nun das geschichtete Oberteil des Drehers, es beherbergt den Motor und die Motorelektronik …

Unteransicht des Dreher-Oberteils
Unteransicht des Dreher-Oberteils

… die man hier noch mal aus der Nähe sieht:

Motor und Motor-Elektronik
Motor und Motor-Elektronik

Ober- und Unterteil des Drehers sind schon „verheiratet“…

Endmontage
Endmontage

Das folgende Bild zeigt die Tonarmbasis auf dem starr mit der Grundplatte verbundenen Tonarmturm. Man sieht recht schön, dass das federnd gelagerte Dreher-Oberteil rundum einen Abstand von etwa 1,5mm zur Tonarmbasis hält:

Die Tonarmbasis
Die Tonarmbasis

Schließlich hier noch einmal das Foto vom Anfang des Beitrags. Es sei nun auf den „Luftspalt“ zwischen Ober- und Unterteil des Drehers hingewiesen – er entsteht durch die Bubblemounts, die das Dreher-Oberteil federnd lagern.

Fertiger Dreher mit "Luftspalt" zwischen Ober- und Unterteil
Fertiger Dreher mit „Luftspalt“ zwischen Ober- und Unterteil

Revision des SME Serie V

Bei der Erstinbetriebnahme stellten wir rasch fest, dass der SME einer eingehenden Revision bedurfte. Der Arm war schwergängig, Schmierstellen verharzt, zur Dämpfung bestimmtes Silikonöl fand sich an Stellen, wo es nichts zu suchen hatte und die Innenverkabelung war marode, was sich in einem schwächlichen und dazu verbrummten Signal äußerte. Der vor 30 Jahren gebaute Arm, der jahrelang nicht mehr benutzt worden war, wurde von Meinolf behutsam zerlegt, mit Ultraschall gereinigt und die Innenverkabelung mittels superfeiner seidenumsponnener Litze neu hergestellt – eine Heidenarbeit! Danach war er so neu wie frisch aus dem Laden. Lieber Meinolf, danke für Deine unendliche Geduld und Hartnäckigkeit!


Fazit bisher

Eine Woche höre ich nun mit dem neuen Dreher. Etwa 30 Stunden wird das ADC-System bisher eingelaufen sein. Schon in den ersten zwei, drei Stunden waren Meinolf und ich völlig perplex, wie wir den Tonabnehmer sich einlaufen haben hören können. Er steigerte sich kontinuierlich, es war fantastisch, zuzuhören … Nun zuhause den Dreher in die heimische Anlage integriert nehme ich mir nacheinander die gut bekannten und die Lieblingsplatten vor und bin erstaunt – manchmal erschüttert – was dieses Gerät mit der Musik macht. Es entfesselt sie! Das Klangbild ist neuerdings völlig „unnervös“, in allen Lagen ausgeglichen, die Wiedergabe strahlt sowas wie eine selbstsichere Souveränität aus wie die sprichwörtliche sanft zufallende Mercedestür – es ist frappierend! Dazu eine Detailvielfalt, die ich auf meinen Vinyls gar nicht vermutet hätte …


Making of

Meinolf mit der Oberfäse
Meinolf mit der Oberfräse
bastlerisches Chaos in Meinolfs Fahrradschuppen
bastlerisches Chaos in Meinolfs Fahrradschuppen
... sauberes Arbeiten ist Voraussetzung für ein gutes Ergebnis!
… sauberes Arbeiten ist Voraussetzung für ein gutes Ergebnis!
... froh, durch Handlangern und Verrichtung niederer Tätigkeiten etwas zum Projekt beitragen zu können: der Audionist!
… froh, durch Handlangern und Verrichtung niederer Tätigkeiten etwas zum Projekt beitragen zu können: der Audionist!
Meinolf bei diffizilen Einstellarbeiten!
Meinolf bei diffizilen Einstellarbeiten!

Credits

Ich bedanke mich bei meinen Audio-Freunden:
Meinolf: für Anleitung, Ermutigung und fürs Tun der Hauptarbeit
Björn: für die famose Motor-Elektronik
Segschneider: für die Vermittlung des SME Serie V
Euch allen für die Expertise, die Ihr hier in einen – meinen – Topf geworfen habt!

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