Musikophilie – Gabe oder Krankheit?

Oliver Sacks, © Luigi Novi / Wikimedia Commons
Oliver Sacks, © Luigi Novi / Wikimedia Commons

Oliver Sacks (1933 – 2015) war ein Neurologe, der die Öffentlichkeit wie auch eine bestimmte Fachwelt so geprägt hat wie kaum einer. Berühmt wurde er durch seine Bücher über neurologische Patienten, so z.B. „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, die sehr einfühlend und auch sehr selbstironisch geschrieben wurden, ohne jemals die Menschlichkeit aus dem Blick zu verlieren  – was ihn schon von vielen Kollegen in seinem Berufszweig unterscheiden dürfte 😉

Als er unheilbar an Krebs erkrankte, schrieb er einen zu Tränen rührenden öffentlichen Abschiedsbrief, dessen Weisheit ehrfürchtig macht.

Was das alles mit HiFi zu tun hat? In einem seiner letzten Bücher beschäftigte sich Sacks mit Musikophilie. Er zitierte zunächst die Verwunderung der „Overlords“, hochkognitiver Aliens in Arthur C. Clarkes Novelle „Childhood’s End“:

„Wie merkwürdig doch der Anblick einer ganzen Spezies ist – Milliarden von Menschen, die mit bedeutungslosen Tonmustern spielen und ihnen lauschen, die einen großen Teil ihrer Zeit mit etwas beschäftigt sind, was sie Musik nennen und darin völlig versinken.“

Wem von uns Hifi-Aficionados ist das fremd? Das Vertiefen in etwas, das keinen rationalen Zugang bietet – außer der Analyse, wie gut ein Ton auf der einen Anlage klingt und auf der anderen eben nicht. Das ist faszinierend, obwohl gute Anlagen sehr schnell entscheiden, wer „der Bessere“ ist. Aber macht das den einzigen Reiz aus?

Wohl eher nicht. Kann man jemandem, der nicht an Musik interessiert ist, erklären, was einen an der Musik interessiert? Auch kaum vorstellbar. Oliver Sacks liefert uns die neurowissenschaftliche Seite dazu. Unser Gehirn leistet auch da seinen Beitrag. Können Sie sich vorstellen, dass Sie einen Unfall haben und danach ist Ihre Beziehung zu Musik eine andere? Nicht vorstellbar? Doch möglich ist es.

Hören Sie Oliver Sacks und einem seiner Patienten zu, einem toughen Ex-Football-Spieler, inzwischen anerkannter orthopädischer Chirurg. Er macht einen Anruf von einer Telefonzelle – als genau daneben ein Blitz einschlägt. Nahtod-Erlebnis, Wiederbelebungsmaßnahmen, ärztliche Untersuchungen … er kommt knapp davon. Und glaubt, so weiterleben zu können wie bisher (ich war selber mal für tot erklärt – ich kenne das Gefühl, das zu wollen). Aber er merkt, es hat sich etwas verändert. Er bekommt den unwiderstehlichen Drang, Musik zu hören. Anstelle von Rock-Musik – vorher war er ein Musik-Muffel, aber Rock war das einzige, was er akzeptieren konnte – giert es ihn auf einmal nach Klassik. Genauer gesagt nach Vladimir Ashkenazys Aufnahmen von Chopin. Er kauft eine Platte nach der anderen. Bis das nicht mehr ausreicht. Er bringt sich bei, selbst zu spielen.

In Träumen beginnen ihm Melodien zu begegnen, die er niederschreiben muss. Er beschreibt dies nicht als Halluzinationen, so fühlt es sich nicht an, sondern als Inspirationen. Drei Monate nach seinem Nahtod-Erlebnis ist er besessen von seiner Musik. Er kommt zu dem Schluss: „Der einzige Grund, warum ich überleben durfte, war Musik.“

Jahre später ist er weiterhin erfolgreicher Chirurg, aber Herz und Seele konzentrieren sich weiterhin in jedem freien Moment auf Musik. Was will uns dies sagen? Nicht jeder von uns hatte ein Nahtod-Erlebnis. Aber dieses Beispiel zeigt uns, dass Musik zu den Bedürfnissen unseres Gehirns gehört – oder zumindest zu einem werden kann. Über einen längeren Zeitraum schleichend, oder auch schicksalsbedingt auf einmal. Und wer einfach Feuer gefangen und den Blitzeinschlag erlebt hat, wer wirklich Musik erlebt hat, den lässt sein Gehirn das niemals vergessen. Für das Gehirn ist es neurologisch egal, ob der Impuls von einem Blitzschlag oder einer Hifi-Anlage kommt! Beides löst elektrisch getriggerte, neuronale Aktivität aus. Und beides kann zu einem Bedürfnis führen, das anscheinend ein Grundbedürfnis der Menschheit ist – Musik!

Claudia S.


Literatur: Oliver Sacks: „Der einarmige Pianist: Über Musik und das Gehirn“. Rowohlt.

Spiegel-Interview mit Oliver Sacks vom 10.03.2008: „Schimpansen tanzen nicht“
Der New Yorker Neurologe und Autor Oliver Sacks über Musik als Heilmittel, akustische Halluzinationen und die Gefahr allgegenwärtiger Beschallung

Altec 604-8H-III vs. Altec Santana Mk.1

Hörtreff bei Meinolf in Dortmund
Hörtreff bei Meinolf in Dortmund

Vergangenen Samstag ging’s zum Audiotreffen zu Meinolf nach Dortmund. Wie er auf seiner Website schildert, hat er einem Paar Altec 604-8H-III wunderschöne Bassreflex-Gehäuse aus Multiplex gebaut und betreibt glücklich die von ihm restaurierten V69a-Monoblocks daran. Wir anderen – Björn, Segschneider, ein weiterer Teilnehmer und ich – waren natürlich gespannt wie die Flitzebogen, wie sich diese Kombi präsentieren würde.

Um noch eins draufzusetzen – das ist nicht qualitativ gemeint – brachte ich zum Hörvergleich ein Paar Altec Santana Mk.1 mit, das ich zu dem Zeitpunkt daraufhin testete, ob ich sie dem Vorbesitzer, der sie mir für diesen Anlass ausgeliehen hatte, abkaufen wollte. Ich erhoffte mir Entscheidungshilfe.

Die Santanas sind unscheinbare, fast würfelförmige Kisten, haben’s aber schon gewichtsmäßig faustdick hinter den Ohren. Da ich körperlich gesehen eher der Typ „schlapper Hänfling“ bin, hatte ich vorsorglich ein Transportwägelchen mitgebracht und Meinolf stellte eine Sackkarre bereit. Haben wir aber beides nicht gebraucht: Björn schnappte sich wortlos die Dinger und trug eins nach dem anderen – als wär’s nix – von der Straße rund ums Haus und über die Terrassentür ins Wohnzimmer. Wozu Muckibude alles gut ist …

... einträchtig nebeneinander: die beiden Altec-Schwestern
… einträchtig nebeneinander: die beiden Altec-Schwestern

Die beiden 38er-Chassis sind sich recht ähnlich: der Konus-Lautsprecher Typ 420A in der Santana (siehe oben links) wirkt wie der Grundaufbau der 604er, die anstelle des inneren Konus ein Hochtonhorn aufweisen, also Duplex-Lautsprecher sind. Die Santana hingegen hat neben dem großen AlNiCo-System einen separaten Hochtöner – über einen Kondensator angekoppelt, ähnlich wie bei SABA-Celli und verwandten Konstruktionen.

der Testaufbau
Zum Testen stellten wir die Santanas auf Holzkästen, um die Hochtöner auf Ohrhöhe der Zuhörer zu bringen.

Hier nun unsere Eindrücke

Ich bat die anderen Jungs, mir ihre Einschätzung unseres kleinen Vergleichs-Hörens in ein paar Zeilen zu schildern. Mittlerweile trudelten unabhängig voneinander die entsprechenden Emails ein

Segschneider:

Es tut gut, gelegentlich die gewohnten Trampelpfade zu verlassen und Anderes zu erproben. Diesmal waren es große Lautsprecher der Vergangenheit. Und groß meint hier sowohl die physische Größe, es waren 38er, als auch die Größe des guten Rufes: beide Teile waren von Altec. Einmal die 604er aus dem Profisegment, in einem entsprechend großen, vorzüglich gebauten Multiplexgehäuse mit Resonanzöffnung, und dann die Santana in der ersten Version, noch im originalen Gehäuse. Beides ordentliche Trümmer, und im Falle Santana müssen sie angehoben werden, denn direkt auf der Erde stehen sie eindeutig zu tief.

Leistung wird ebenfalls benötigt, mit einem Watt kommt keiner der beiden Lautsprecher aus. Aber beide kommen – nicht weiter verwunderlich, da aus der Röhrenära stammend – mit Röhrenendstufen der besseren Sorte gut zurecht. In diesem Falle liefen sie an einem Spitzenprodukt, einer restaurierten V69, die im Bedarfsfalle über 20 Watt locker gemacht hätte. Das wurde freilich nicht benötigt, es sei denn, man wäre leidenschaftlicher Lauthörer. Dann allerdings werden friedliche Nachbarn gebraucht, denn mit beiden Geräten kann die Nachbarschaft mitbeschallt werden.

Prinzipiell stehen sich die beiden Altecs nahe, das Hauptchassis, ein enormer Brocken, ist nahezu identisch. Untenrum kann es Druck aufbauen, der in einem kleineren Raum bereits Probleme verursacht. Dies sind Gerätschaften für große Räume und größere Hörabstände. Die 604er sind diesbezüglich etwas unkritischer, sie sind eine Punktschallquelle und auch im Nahbereich sind ihre guten Eigenschaften zu spüren. Die Santanas sollten soweit vom Hörer enfernt sein, dass sich die beiden Chassis akustisch ineinander blenden. Dann alllerdings harmonieren sie sehr gut, was kein Wunder ist, denn hier arbeiten zwei Konuschassis klassischer Bauweise ohne größere Weichenkonstruktion Hand in Hand.

Beide Lautsprecher liefern eine gute Stimmwiedergabe. Man darf aber fragen, ob das ihre größte Tugend ist. Wohl eher nicht, aber das ist meine ganz private Meinung. Bei Lautstärke unlimited laufen sie zu großer Form auf. Und ich wäre neugierig, ob die kleineren Differenzen nicht zuallererst auf die unterschiedlichen Gehäuse zurückzuführen sind. Die Santanas im geschlossenen, würfelförmigen Kasten liefern untenrum echten Theaterdonner. Die 604er zeigen einen etwas – wir reden von Nuancen! – klareren und konturierteren Tiefton, aber sie hatten auch ein Resonanzgehäuse aus Multiplex zur Verfügung. Ich würde beide Geräte – nach einem entsprechenden Umbau, selbstverständlich – gerne in vergleichbaren Gehäusen hören. Und ja, der Liebhaber „großer“ Musik kommt mit beiden Geräten voll auf seine Kosten: Rock, Pop, die volle Bühne, große Orchester oder Oper – da geht die Sau durch den Zaun. Unbedingt.


unser Gastgeber Meinolf
unser Gastgeber Meinolf

Meinolf:

Breitbänder mit Horn gegen Breitbänder mit klassischen Hochtönern – ein fairer Vergleich?

So schaut es aus, wenn Altec 604-8H-III gegen Altec Santana Mk1 antreten:

Hinter einem AMC Vorverstärker und einer V69a Studioendstufe müssen sie zeigen, was in ihnen steckt. Die eine als Bassreflexbox, die andere als geschlossenes System mit reichlich Dämmmaterial (Santana).

Als Erbauer der 604er Box schluckte ich erst mal, als die Santana die ersten Töne von sich gab. Ein ernstzunehmender Konkurrent, das war mein erster Eindruck. Druckvoller Bass, sehr schöne Räumlichkeit, was will das HiFi Herz mehr?

Auf den zweiten Blick (oder das zweite Ohr) dann aber doch etwas Unterschiedlichkeit: die 604er spielt im Mittel-Tieftonbereich freier, differenzierter, ehrlicher. Der Bass kommt trockener, schneller und „strammer“. Auch die Bühne gewinnt ein bisschen mehr an Tiefe und Breite, Stimmen sind eine Spur authentischer.

Aber: man/frau muss ja auch Preis und Aufwand in die Waagschale werfen: und da ist die Santana klarer Sieger!!

Was wir nicht getestet haben, wie sich der Endverstärker auf das Verhalten der Santana/604 auswirkt.


ein weiterer Teilnehmer:


... hier legt Björn gerade mit sichtlicher Freude den gewaltigen AlNiCo-Magneten des 420A einer Santana frei ...
… hier legt Björn gerade mit sichtlicher Freude den gewaltigen AlNiCo-Magneten des 420A einer Santana frei …

Björn aus HH:

Die Altec-Santana fasziniert mit einer tollen Bühnenabbildung – das Musikgeschehen nicht ganz so präzise sezierend, wie der zum Vergleich herangezogene Altec-604, dafür aber leicht schönfärberisch und charmant. Mich faszinierte besonders der Grundton/Bassbereich – wie kann man aus diesem (vergleichsweise kleinen) Gehäuse soviel Volumen herzaubern? Den Hochtöner braucht man nur, wenn die Box nicht auf den Hörplatz ausgerichtet ist, ansonsten verrichtet der 15-Zoll-Biflex-Breitbänder seine Arbeit bis in den Hochtonbereich hervorragend.

Fazit: unbedingt empfehlenswert – wollte man etwas Vergleichbares aus aktuellem Markt-Angebot erstehen, müsste man ein Vielfaches an Geld investieren.


der Audionist im grauen Kittel
Im Vorfeld unseres Treffens wurde dieser graue Kittel zum running gag. Ich behauptete, den zöge ich immer dann an, wenn meine Heimleiterin – so bezeichne ich zuweilen scherzhaft meine Liebste – mir kleinere hausmeisterliche Verrichtungen aufträgt. Prompt konterte Segschneider, das glaube er erst, wenn er mich im grauen Kittel aus dem Auto steigen sähe … – bitteschön, kann er haben 🙂 —

… und ich selbst,

ich hörte Meinolfs Kombination V69a/Altec 604-8H-III zum ersten Mal und war – wie sollte es anders sein – begeistert von der Wiedergabe. Die Kette stellte das Musikgeschehen mit höchster Präzision in den Raum und verzichtete dabei auf jegliche klangliche Extravaganzen. Das erlaubte es mir als Hörer, der Musik ganz losgelöst von jeglichem Gedanken an „Anlage“ zu folgen. Faszinierend!

Dann wurde es noch mal spannend: wir klemmten statt der 604er die Santanas an. Als die Musik – Paso Doble von Paolo Conte – abermals begann, gingen ringsum schlagartig die Augenbrauen hoch. Jeder hatte erwartet, dass nun nach gutem Wein eher Durchschnittliches ausgeschenkt würde. Weit gefehlt! Allerdings: ein bisschen arm an Glanz in den Höhen war’s vielleicht, was wir da hörten … und wirklich: Björn kam schließlich drauf, dass die Hochtöner keinen Mucks von sich gaben! Was nun? Wir beschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen und schraubten eine der Kisten auf. Und siehe da: der Hochtöner war absichtlich abgeklemmt und das Kabelende isoliert worden. Diese Maßnahme eines Vorbesitzers machten wir rasch rückgängig, auch an der zweiten Box.

Test, die zweite! Was jetzt kam, versetzte uns nochmals in Erstaunen. Dass die Unterschiede in der Wiedergabe im Vergleich zu den 604ern in ihren Bassreflexboxen nur so gering sein würden, hatte keiner von uns erwartet. Allenfalls leichte Einbußen in der Präzision insgesamt und bei der Differenzierung in den ganz tiefen Lagen waren zu hören – das ist aber Meckern auf ziemlich hohem Niveau. Die Freunde rieten mir unisono zum Kauf!

Warum klemmt jemand die Tweeter ab? Dafür mag es eine ganz einfache Erklärung geben: da hat einer separate Hochtöner – vielleicht ein Hornsystem – oben auf die Santanas gestellt und deshalb die originalen Zwitscherlinge totgelegt.

„Mein“ Vorbesitzer, dem ich die Altexe nun abgekauft habe, war’s allerdings nicht, was zum einen bedeutet, dass er selbst die Santanas jahrelang ohne Hochtöner gehört hat, ohne es zu merken – zum anderen spricht das für die gewaltigen Mittel-Tieftöner Breitbänder*, die ihrerseits für genügend Höhen gesorgt haben, um diesen Mangel für einen Normalhörer zu kaschieren. Toll!

*Nachtrag: Björn weist darauf hin, dass es sich beim 420A um einen Breitbänder handelt, der nach oben hin mit 14kHz angegeben ist. Kein Wunder, dass wir bei abgeklemmten Hochtönern zunächst nix vermissten!

Tipp: James Hill

Schon vor ein paar Jahren stolperte ich im Internet über James Hill, einen kanadischen Musiker. Er ist ein Meister an der Ukulele. Ist das nicht diese niedliche kleine Schwester der Gitarre? … doch halt: in seinen Händen wird die Ukulele zum Orchester! Nach wie vor bin ich fasziniert von Hills Version des Michael Jackson-Hits Billie Jean:

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Der Mann ist ein hervorragender Instrumentalist:

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Hier und jetzt aber der absolute Knaller:

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