Endlich mal was über Lautsprecher!

Altec 420A (hinten) und SABA Permadyn 19-200 5298 U 8 (vorn) - Foto © Michael Münch
Altec 420A (hinten) und SABA Permadyn 19-200 5298 U 8 (vorn) – Foto © Michael Münch

Gelegentlich erreichen den Audionisten Anfragen von Lesern, die mehr zum Thema Lautsprecher wissen wollen:

(…) so klasse die Röhrenendstufen klingen mögen, aber mir fehlen langsam die Beschreibungen der dazu passenden Lautsprecher, um den Kettengedanken zu komplettieren! (…)

(…) Da Du ja den Herren gut zu kennen scheinst, wäre es vielleicht auch mal Wert, ihn nach dem alternativen Lautsprecher Beyma zu fragen, zumal dies Konzept schon einige Jahre zurück liegt! Vielleicht haben sich da auch neue Erkenntnisse ergeben? (…) Allerdings interessiert mich auch Dein Cello Projekt!

(…) Es wäre auch klasse, wenn Sie mal das Geheimnis der Lautsprecher lüften würden.
Womit hören Sie und vor allem Ihre Söhne um mit den Kleinleistungsverstärkern entsprechend zu harmonieren ? Der Saba-Cello-Blog ist ja noch offen. Oder ist es nach wie vor die Siemens Box (…)

Erst neulich beantwortete ich eine solche Anfrage. Ich zitiere mal mich selbst:

(…) wir alle … hören mit Vorliebe mit den grünen Pappen. Das wird sicher auch noch eine Weile so bleiben. Dass ich aber nichts über meine SABA Celli schreibe (ergänzende Anmerkung heute: obwohl ich es im Blog mal angekündigt habe!), hat … Gründe: die haben in den Jahren, die ich sie habe – ich glaube, sie vor sieben oder acht Jahren für 500€ bei e..y erstanden zu haben – technisch gesehen mehrere Häutungen durchgemacht. Das einzige, was noch so ist wie damals, sind die hölzernen Korpi. Alles andere ist ausgetauscht worden gegen Besseres, es gab diverse Modifikationen in Sachen Dämpfung. Die verbessernden Änderungen habe allerdings nicht ich vorgenommen, sondern mein Mentor und Freund Segschneider. Was er da so im Einzelnen gemacht hat, ist allerdings nicht für die Veröffentlichung vorgesehen, jedenfalls derzeit nicht. Bitte erlauben Sie uns also in dieser Sache ein wenig Geheimniskrämerei.

Warum veröffentlichen wir das nicht? Ganz einfach: meine SABA-Gehäuse sind die Kopie der Kopie der Kopie des idealen SABA-Cellos (wenn es das je gegeben hat) und somit – wie hunderte anderer Cello-Nachbauten auch – im Grunde genommen schon wieder Einzelstücke. Um die zu pimpen, braucht es ganz individuelle Maßnahmen, es kommt auf viel Erfahrung, Intuition und zielgerichtetes Probieren an. Der Vorgang ist somit nicht in ein veröffentlichbares Rezept zu packen. Liebe Leser, habt bitte Verständnis dafür, dass Segschneider und ich uns nicht auf solches Glatteis begeben wollen und uns auch die Zeit fehlt, anderen hier praktische Hilfestellung zu geben.

„Sag mal, Segschneider – irgendwas müssen wir den Lesern aber doch mit auf den Weg geben können?“

Eine persönliche Anmerkung von Segschneider in Sachen Lautsprecher

Die Frage, welcher – selbstverständlich höchstempfindliche! – Lautsprecher zu den Verstärkern passt, die im Audionisten so vorgestellt worden sind, und darüber hinaus die Frage, welche Lautsprecher der beteiligte Personenkreis hört, diese Frage ist uns schon mehrfach gestellt worden. Und warum wollen wir uns (derzeit) nicht mit Lautsprechern beschäftigen?

Einige Gründe hat Michael bereits genannt. Darüber hinaus ist nachzutragen, dass ich (zu über 90%) Klassikhörer bin, und ein Lautsprecher wie der meine nur zur Musikwiedergabe all dessen taugt, was mit natürlichen Instrumenten angestellt wird, sei es nun die Stimme von Diana Krall, die ich hier mal zu den Instrumenten der Natur zähle, oder sei es klassischer Jazz. Das ist, man muss das so deutlich sagen, eine massive Einschränkung. Alle Breitbänder haben bestimmte Begrenzungen, und ich empfehle jedem, der mit diesem Thema nicht voll vertraut ist, die exzellenten Anmerkungen von Bob Brines zu studieren. Da seine Seite brinesacoustic.com während der Arbeit an diesem Beitrag aus dem Netz genommen wurde, soll Bob Brines hier zitiert werden:

Bob Brines:
Who Should Use Single Driver Speakers?

Single driver speakers are not for everyone. I want to make this clear at this point, because the last thing I want to do is have a pair of speakers returned as „unsuitable“.

Single driver speakers are most suitable for the more intimate genre and at moderate volume levels. This includes solo voice, small group jazz and 18th century classical and chamber music. For these genre, single driver speakers are superb. You will hear nothing better. They also do classic rock pretty well as long as the volume is kept to reasonable levels. By reasonable, I mean ~80dB at the listening position. (…) Now, if you are into heavy metal or want Mahler symphonies at concert volume, I suggest that you look elsewhere. (…)

© Bob Brines

Bob Brines:
Why Single Driver Speakers?

Single driver speakers have a unique sound. That sound comes from a lack of a conventional crossover. In a two-way speaker, the acoustic phase of each driver rotates in opposite directions around the crossover point. While the combined phase may be correct at the crossover point, away from that point, the phase will be constantly changing. Why is this important? The human ear/brain is designed to locate sounds primarily by phase. We are very sensitive to phase in the 300-3000Hz range. Outside on this range, sound location becomes increasingly difficult, but within this range, if the phasing is messed up, the sound stage lacks precision and depth. A normal two-way speaker has the crossover point in the middle of 1500-2000Hz range, which is smack in the middle of the frequency band where humans are most sensitive to phase changes. By not having a crossover and the attendant phase problems, a single driver speaker sounds much more natural.

A good single driver speaker is more articulate and detailed in the bass and midrange than a multi-way speaker. Because the driver in a single driver speaker must work up to 10kHz and beyond, the cone is much lighter than the cone of a comparably sized driver in a multi-way speaker that is crossed out by 2kHz. Less cone mass means faster response to the electrical signal and better transient response. The lighter cones also promote higher efficiency. (…)

© Bob Brines

Breitbänder sind für Leisehörer, also für einen Personenkreis, der sich auf Spitzenpegel von 85 bis allermaximalst 90dB beschränken kann und daran Freude hat. Nebenbei bemerkt ist das auch das Schonendste für die Ohren, die bei andauernd höheren Pegeln zu leiden beginnen.

Was tun, wenn man diese Einschränkungen nicht akzeptieren möchte? Nun, dann beginnt eine – hoffentlich nicht allzu lange – Suche nach den seltenen Gerätschaften, die Höchstempfindlichkeit mit großen Chassis vereinen. Prototypisch sei der Altec 604 genannt, aber es gibt auch andere. An dieser Stelle soll auf einen Audionisten-Beitrag hingewiesen werden, der über Erfahrungen aus dem Vergleich Altec 604-8H-III vs. Altec 420A (Altec Santana) berichtet.

Altec-Schwestern: links die Altec Santana mit dem 420A-Chassis, rechts ein Altec 604-8H-III in einem DIY-Bassreflex-Gehäuse - Foto © Michael Münch
Altec-Schwestern: links die Altec Santana mit dem 420A-Chassis, rechts ein Altec 604-8H-III in einem DIY-Bassreflex-Gehäuse – Foto © Michael Münch

Recht verbreitet sind Konzepte, die einen 20er Breitbänder mit einem großen, meist 38er Chassis kombinieren und je nach verwendeten Chassis den Weichenpunkt so um die 300 Hz legen – weithin bekannt geworden in der Szene ist der Entwurf von Visaton. Nelson Pass, ein gestandener Breitbandfan, hat der amerikanischen Szene eine vergleichbare Lösung vorgestellt, welche die astronomisch teuren Feastrex Chassis einsetzt. Auch in Europa sind derartige Lösungen in letzter Zeit verbreitet worden, so z.B. von Troels Gravesen, so von Hans Kortenbach, so aber auch von der Selbstbauerszene, die sich nicht scheut, alte Radiochassis wie den Saba mit geeigneten Tieftönern zu vereinen. Entsprechende Projekte sind im Internet leicht zu finden.

Kommen wir zurück zur Frage, was man als Fullranger oder Breitbandchassis denn heutzutage wählen könnte. Wer meine oben erwähnten Vorlieben teilt, kann gerne zum Saba greifen, so wie ich das getan habe. Leider werden diese historischen Schallwandler so langsam seltener, das Angebot verengt sich. Aber als voll geeigneten Lautsprecher kann man einer breiteren Allgemeinheit solch ein Konzept kaum andienen. Nicht jeder ist Klassikhörer.

Schauen wir zuerst auf die Internetseiten eines Mannes, der sich dieser Thematik mit Leidenschaft und Hingabe verschrieben hat, Kevin Davis (glowinthedarkaudio.com). Der Schallwandler, der die höchste Empfehlung von ihm erhält, ist ebenfalls ein alter: Supravox 215 RTF 64 ohne Hochtonkegel. Er ist, Wunder über Wunder, heute noch erhältlich und, noch erstaunlicher, sogar zu einem überraschend akzeptablen Preis. Einziges Manko: es ist ein 8 Ohm Chassis, und es gibt von Supravox keinen passenden Hochtöner.

Ich greife diese Empfehlung deswegen an erster Stelle auf, weil auch andere Sachkundige – die Autoren der Schrift „Höchst empfindlich“ nämlich – einen äußerst positiven Eindruck von diesem Chassis hatten, als sie vor gut zwanzig Jahren die Faktenlage zu ihrem Buch recherchierten. Damals war es freilich schwierig, den Supra überhaupt zu bekommen, wie die Autoren berichten, aber das hat sich glücklicherweise heutzutage gebessert.

Alternativ kämen, wenn man eher rockig-poppige Musik hört, der Tangband W8-1772 oder der Visaton B200 infrage. Fostex – Achtung, jetzt wird’s voll subjektiv – ist eine etwas andere Nummer, und wenn ich aus diesem Sortiment wählen wollte/sollte/müsste, würde ich den Fostex FE 168 Sigma nehmen. Er benötigt keinen zusätzlichen Hochtöner, sollte aber – wiederum voll subjektiv – im backloaded horn betrieben werden. Insofern ist er nicht ganz mit den beiden erstgenannten zu vergleichen. Denn Tangband und Visaton erlauben es dem Betreiber, dem Weg von Kevin Davis zu folgen und sie auf einer offenen Schallwand einzusetzen. Ich würde die Version mit den klappbaren Flügeln wählen, und als Hölzer Birke Multiplex, Pappel, Erle oder Ahorn empfehlen, die jeweils einen etwas unterschiedlichen Charakter des ganzen Lautsprechers ergeben, und dem Anwender damit eine kleine individuelle Anpassung erlauben.

offene Schallwand mit unsymmetrischen klappbaren Seitenflügeln

Wenn eine offene Schallwand sich in den Hörraum einfügt, oder wenn der Hörraum auf die Schallwand hin modifiziert werden kann, dann ist sie mit Sicherheit der Weg, der mit dem Einsatz geringster Mittel große musikalische Freude bereiten kann – diesbezüglich hat Kevin Davis unbedingt recht.

Kevin präsentiert auf seiner sehr informativen und gut fotografierten Website Glow In The Dark Audio eine von ihm für Versuche eingesetzte offene Schallwand, die er liebevoll „TELEFUNKEN Open Baffle“ nennt. Er war so freundlich, ein Foto davon zur Verfügung zu stellen:

"TELEFUNKEN Open Baffle" - Foto mit freundlicher Genehmigung von Kevin Davis, glowinthedarkaudio.com
„TELEFUNKEN Open Baffle“ – Foto mit freundlicher Genehmigung von Kevin Davis, Glow In The Dark Audio

Nach uns vorliegenden Informationen stammt das Konzept von SIEMENS. Hier eine mögliche Dimensionierung:

offene Schallwand nach SIEMENS
offene Schallwand nach SIEMENS

Nicht erwähnt habe ich die 20er Chassis von Phy-HP. Ich würde sie gerne einbeziehen – aber mit welchem Hochtöner? Die wohl eher aus markttechnischen Gründen (wollte man ein Alleinstellungsmerkmal?) gewählte Impedanz von 16 Ohm macht es unmöglich, sich aus vorhandenen alten Radiochassis zu bedienen, denn die haben alle 4 oder 5 Ohm. Am Markt zu erhalten wären Hörnchen (nein, nicht die vom Bäcker) oder magnetostatische Hochtöner, und von beiden bin ich kein Freund. Wer die Hürde des passenden (?) Hochtöners springen kann, findet freilich im Phy-HP ein zwar teures, aber kein schlechtes Chassis. Im Unterschied zum Tangband kann es leise Töne, den ausschwingenden Instrumentenklang, die subtile Frauenstimme recht gut wiedergeben.

Der Supravox 215 RTF 64 benötigt ebenfalls einen Hochtöner. Und bis zum Beweis des Gegenteils würde ich davon ausgehen, dass eine Kombination mit alten Radio-Hochtönern nicht nur möglich ist, sondern auch eine sinnvolle Lösung. Sinnvoll, weil gleich und gleich – Konuslautsprecher mit Papiermembran zu Konuslautsprecher mit Papiermembran – gesellt sich gern. Der RTF 64 hat eine Empfindlichkeit von 97db (!!). Man kann ihn deswegen mit so schnuckeligen kleinen Verstärkern wie beispielsweise dem Darling (nur 0,7 Watt) gut zusammenspannen. Ein Saba-Hochtöner hat, wenn wir den Messungen von Troels Gravesen folgen, im Bereich oberhalb 10 kHz eine Empfindlichkeit von über 100dB. Bei 5 Ohm Impedanz und einem passenden Vorwiderstand kann man diesen Hochtöner – und wahrscheinlich auch die einiger anderer Hersteller – durchaus mit einem 8 Ohm-Chassis zusammenbinden. Apropos WAF: Saba Hochtöner gibt es auch mit schwarzer Membran. Der Rest ist Feinabstimmung – mühselig, aber durchaus zu leisten.

Immer noch bleibt aber die Einschränkung bestehen, dass eine offene Schallwand nicht bei jedermann in den Hörraum passt, um vom WAF mal ganz zu schweigen. Diese letzte Hürde wäre wohl zu überwinden, aber jetzt springe ich voll ins kalte Wasser: das habe ich mit einem RTF 64 noch nie gemacht. Und es wird nicht einfach. Als Kombination bietet sich an, den Supra in ein Gehäuse vom Typ Cello zu stecken, das freilich modifiziert werden sollte.

... auffallend schlicht: die SABA Celli des Audionisten - Foto © Michael Münch
… auffallend schlicht: die SABA Celli des Audionisten – Foto © Michael Münch

Die genaue Grundform des Gehäuses findet der Interessierte bei Troels Gravesen (troelsgravesen.dk/greencones.htm). Einige deutsche Tischlereien fertigen vergleichbare Gehäuse an, auch individuell konfektionierte – Beispiel: Fa. „Holz und Musik“. Sogar ein wenig versierter Selbstbauer, der keine komplexen Holzarbeiten ausführen kann oder mag, könnte zu einem solchen Lautsprecher gelangen.

Was wäre meines Erachtens gegenüber der bei Troels Gravesen gezeigten Form zu ändern? Nun, ich würde – wäre es für mich – die Öffnungen auf der Rückseite schließen. Dann wird eine geringe Dämpfung im Inneren obligatorisch. Und die würde ich mir schon zutrauen. Aber, hier sprechen wir jetzt von größeren Entwicklungsarbeiten: spezielles Gehäuse, Dämpfung, passender Hochtöner, Feinabstimmung etc. Und das alles unbezahlt. Denn jetzt kommt das sprichwörtliche dicke Ende – reden wir von den Kosten. Gehäuse plus Schallwandler plus Hochtöner plus Dämpfungsmaterial plus Kleinteile – all das addiert sich rasch zu circa anderthalb Tausendern Sachkosten zusammen. Zuviel jedenfalls, um ein solches Projekt anzugehen, wenn man bereits einen Lautsprecher nach eigenen Wünschen in Bestform zuhause stehen hat. Sorry, aber so ist es nun mal. Und bei Michael ist es nicht anders. Deshalb widmen wir beide uns in der nächsten Zeit eher anderen Projekten.


Anhang

Folgendes erscheint noch erwähnenswert: die Bauform „SABA Cello“ ist nicht die einzige Möglichkeit, Breitbänder wie SABA Greencones und andere in resonierenden Gehäusen zu betreiben. Als Beispiel hierfür sei die „Butterfly“ von Niels von der Osten-Sacken genannt.

"Butterfly" - Foto mit freundlicher Genehmigung von Niels von der Osten-Sacken
„Butterfly“ – Foto mit freundlicher Genehmigung von Niels von der Osten-Sacken
"Butterfly" - Foto mit freundlicher Genehmigung von Niels von der Osten-Sacken
„Butterfly“ – Foto mit freundlicher Genehmigung von Niels von der Osten-Sacken
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