heavy rotation Vol. 15: Patti Smith – twelve

Patti Smith - twelve (CD 2007)Überhaupt bin ich ein Freund gut gemachter Cover-Versionen. Was aber die amerikanische Universalkünstlerin Patti Smith mit ihrem Coveralbum „twelve“ (CD 2007) ablieferte, ist atemberaubend und setzt der musikalischen Nachempfinderei neue Maßstäbe.

Fulminant schon der Auftakt mit Jimi Hendrix´ „Are You Experienced?“ Are you experienced? – Have you ever been experienced? – diese provokante Frage scheint mir das Motto gewesen zu sein, der Leitfaden, aus dem dieses Album gesponnen wurde.

Man wundert sich noch, mit welch sparsamen musikalischen Mitteln man psychedelic erzeugen kann, da überrascht einen als zweiter Track ein Tears For Fears-Song, den man bisher bestenfalls für eine Pop-Perle gehalten hat – „Everybody Wants To Rule The World“. Als Curt Smith und Roland Orzabal den Original-Song 1985 einspielten, waren sie beide in Ihren Mittzwanzigern. Entsprechend glatt klang das damals. Wie anders hört sich das bei einer 2007 schon über sechzigjährigen Smith an – da drückt eine altersweise Stimme dem Werk quasi erst das Echtheitszertifikat auf. Das fasziniert.

Es folgt ein Song, den ich in seinem Original von Neil Young nicht gut ertragen kann: „Helpless“. Young halte ich nicht gerade für einen begnadeten Sänger, leider ist er aber auch kein begnadeter Nichtsänger wie zum Beispiel Mark Knopfler. Nein – wenn Young sich durch diesen Song nölt, skippe ich weiter auf der Fernbedienung. Nicht so bei Patti Smith, die der ewig gleichen drei-Akkord-Abfolge stimmlich doch soviel entgegenzusetzen hat, dass man gern folgt.

Als Nächstes eine frech-schmutzige Version des Stones-Knallers „Gimme Shelter“, danach mit „Within You Without You“ ein Beatles-Cover, bei dem man das gewohnte Sitar-Geklimper überhaupt nicht vermisst. Mit „White Rabbit“ (orig: Jefferson Airplane), „Changing Of The Guards“ (orig: Bob Dylan), „The Boy In The Bubble“ (orig: Paul Simon) und „Soul Kitchen“ (orig: The Doors) reihen sich Song-Perlen zu einer kostbaren Kette.

Highlight des Albums und vielleicht mein Favorit ist Patti Smith´ Version von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“. Klingt das Original laut, zornig, dreckig – „grungig“ eben, entsteht in der Smith-Interpretation eine Mischung von Dichterlesung und melancholischem Folksong mit Banjos und Fiddle.

Es folgt noch eine wunderschön gecoverte Version von „Midnight Rider“ der Allman Brothers und schließlich „Pastime Paradise“, ein Song, von dem ich bisher gar nicht wusste, dass Stevie Wonder ihn geschrieben hat. Ich habe das Stück wohl mit dem Coolio-Hit Gangsta`s Paradise verwechselt, der aber seinerseits so etwas wie eine Cover-Version des Wonder-Songs ist.

Schon aus den Originalen entstünde ein wunderbares Mixtape. Patti Smith aber macht sich jeden dieser Songs zu eigen, sie klatscht die Stücke nicht einfach ab, sondern interpretiert manches um, den ein oder anderen Song adelt sie geradezu. Insgesamt entsteht so etwas ganz Neues. Dabei geht sie Risiken ein, denn sie versucht sich an Songs, die schon längst Klassiker-Status haben. Künstlerische Leichtgewichte würden an einem solchen Unterfangen wohl schnell scheitern …

heavy rotation Vol. 14: Renaud Garcia-Fons

Ende letzten Monats erhielt ich den sehr netten Besuch eines Musikfreundes aus Rheinland-Pfalz. Eingefädelt hatte diese neue Bekanntschaft ein weiterer Musik-Afficionado, dem ich diverse klangverbessernde Modifikationen an meinen SABA-Celli (s.u.) zu verdanken habe. Das Ansinnen meines Besuchers war, sich die SABAs mal im Zusammenspiel mit einem Röhrenverstärker niedriger Leistung anzuhören – also auf der Art von Musikanlage, die ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe. Zum Anlagen-Test brachte er einige ihm wohlbekannte Musikalben mit.

Renaud Garcia-Fons - MediterranéesEine seiner CDs beeindruckte mich ganz besonders: Das Album „Méditerranées“ des französischen Kontrabassisten Renaud García-Fons. Dieser im Jazz und in der Weltmusik angesiedelte Künstler ist ein begnadeter Virtuose auf seinem Instrument – umso unfassbarer, dass ich ihn erst jetzt entdeckt habe. Aber besser spät als gar nicht!

Nun ist es so, dass die Art von Klängen, wie sie von voluminösen Streich- und Zupfinstrumenten erzeugt werden, das ideale Futter für Röhrenverstärker sind – aber insbesondere auch für die SABA Celli. Zur Erklärung: das sind nach unten offene Lautsprecherboxen, die im Betrieb wie ein Instrument mitschwingen. Befeuert werden sie von Breitbandlautsprechern, die die Firma SABA vor rund 60 Jahren für ihre Röhrenradios hergestellt hat. Diese Wandler haben einen extrem hohen Wirkungsgrad und erfordern daher nur geringe Endstufenleistungen. Beispiel: mein Verstärker-Eigenbau verfügt über eine Leistung von lediglich 2x 600 Milliwatt (sic!) – wenn ich den aufdrehe, hört der halbe Straßenzug mit.

Ach, was ist das schön, wenn García-Fons mit seinem Instrument die SABAs zum Schwingen, Perlen, Puckern, Grollen, Singen bringt! Mir wird tatsächlich mediterran zumute und ich wünsche mich weg von hier in den warmen Süden!

Da ich schon mal dabei war, CDs zu bestellen, legte ich diese noch zusätzlich in den Warenkorb:

Renaud Garcia-Fons - The Marcevol ConcertAuf solo – The Marcevol Concert musiziert García-Fons oftmals mittels einer Loop-Maschine mehrstimmig mit sich selbst: beispielsweise spielt er zunächst eine auf dem Kontrabass geschlagene Perkussionsspur ein, die als Loop (=Schleife) wiedergegeben wird, dann fügt er eine gezupfte Basslinie hinzu. So stellen zwei Loops die „Rhythmus-Sektion“ dar, über die García-Fons dann eine mit dem Boden gestrichene Melodie legt. Das liest sich hier sehr kompliziert und technisch, im Konzert aber entwickelt sich die vielstimmige Mischung dieser auf einem einzigen Instrument erzeugten Klänge sehr organisch und natürlich.

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Das YouTube-Video mit Auszügen aus dem Konzert lässt leider kaum erahnen, wie fantastisch der Original-Tonträger auf einer guten Anlage klingt – einfach umwerfend! Die Anschaffung dieser CD samt der zugehörigen DVD kann also besten Gewissens empfohlen werden.


Kurz zurück zu unserem Hörtest: mein Gast war sehr angetan von der Anlage mit den SABAs und ihrer Art der Musikwiedergabe. Ich denke, das bestärkt ihn in dem, was ohnehin sein Plan ist: eine Anlage nach diesen Prinzipien zu bauen: Röhrenverstärker kleiner Leistung kombiniert mit hochempfindlichen Lautsprechern in Boxen nach dem Prinzip der SABA-Celli. Viel Erfolg dabei!

heavy rotation Vol. 13: James Last – Ein festliches Konzert zur Weihnachtszeit (LP 1979)

James Last - Ein festliches Konzert zur Weihnachtszeit (LP 1979)Ja, ich geb’s zu: ich höre auch Weihnachtsmusik – und ja: ich habe einige wenige Platten von James Last! Der deutsche Bandleader Last ist ein bedeutender Vertreter des Easy Listening. Wikipedia berichtet, Last sei von 1965 an zwei Jahrzehnte lang dermaßen erfolgreich gewesen, dass er zeitweise für 30% der Plattenumsätze seiner Firma Polydor gesorgt habe. Ich kann das insofern bestätigen, als man meiner Erfahrung nach bei Gebrauchtplattenanbietern erst mal zentnerweise James Last-Platten beiseite räumen muss, ehe man an die interessanteren Sachen rankommt – aber diese freche Bemerkung nur am Rande, denn ich will ja von einer Last’schen Scheibe berichten, die mir richtig gut gefällt!

Last wagte sich für seine 1979er-Weihnachtsplatte frohgemut an bedeutende Werke alter und ältester Meister: Werke von Mozart, Vivaldi, Bach, Manfredini, Bruch, Händel, Corelli und Schütz geben sich hier ein Stelldichein.

Jetzt wird der Last-Verächter denken „… da hat der gute Hansi sicherlich aus der schönen alten Musik so ein Non Stop Dancing-Gedudel gemacht, das kennt man ja!“ – aber weit gefehlt: mit der ihm wohl eigenen Flockigkeit zwar, aber doch nicht respektlos befasst sich der Meister hier mit dem durchweg ohrwurmigen Material. Sicher: in gewisser Weise eignet sich Last die doch sehr unterschiedlich gefärbten Kompositionen an, indem er seine eigene musikalische Lasur drüberpinselt – durch die scheint allerdings jederzeit das Original durch. Last macht gewiss nicht den Fehler, noch musikalischen Zuckerguss drüber zu gießen und das macht diese deshalb völlig unkitschige Platte so gut hörbar. Macht Spaß und Weihnachtsstimmung!

heavy rotation Vol. 12: Caterina Valente In New York

Caterina Valente In New York (CD 2002)(CD 2002, Original: Plenty Valente!, LP 1957)

Ich weiß gar nicht so genau, was mich dazu gebracht hat, mir diese CD zu Weihnachten zu wünschen. Dass ich’s getan habe, war aber ein großer Glücksfall!

Caterina Valente ist für mich eher eine Kindheitserinnerung, als dass sie mir aktuell präsent wäre. Dabei lebt sie noch – 82jährig in Lugano. Kaum eine Fernsehshow in den 50er und 60er Jahren kam ohne die Valente aus, da sang sie dann Schlager, die von ihrer Thematik her das Fernweh der Deutschen bedienten. Mir sagte das damals gar nichts. In Deutschland wussten wohl zu der Zeit nur wenige, dass die Valente sich in Amerika längst auch Sporen im Jazz verdient hatte.

1956 – ich war noch nicht geboren – ging Caterina nach Amerika. Der berühmte Produzent Milt Gabler nahm sie unter seine Fittiche und brachte sie mit Sy Oliver und dessen Orchester zusammen. im November 56 entstanden die Aufnahmen für das Album Plenty Valente!. Im Jahr 2002 wurden diese Mono-Tracks dann wiederveröffentlicht. Das mit damaligen Schwarzweiß-Fotos reich bebilderte CD-Album zeigt eine hinreißende junge Frau im Vollbesitz überhaupt aller ihrer denkbaren Möglichkeiten – sicher hätte ich mich in sie verliebt damals …

Die Aufnahmen klingen – obwohl lediglich monaural – erstaunlich frisch. Valentes Phrasierung wirkt jugendlich und ausgereift zugleich. Das muss wohl auch den Musikern Spaß gemacht haben – was die junge Sängerin und das Orchester darbieten, ist aus einem Guss und begeistert mich 57 Jahre später über die Maßen. So sehr, dass das Album schon seit Weihnachten in Griffweite zum CD-Player liegt!

heavy rotation Vol. 11: Donald Fagen – Sunken Condos

So ein cooler Hund!

Darf man so was einfach so hinschreiben? Ach sicher, wenn es Donald Fagen betrifft und überdies bewundernd gemeint ist, muss man das sogar tun.

Donald Fagen - Sunken Condos (CD 2012)Der gute Fagen, mittlerweile 64 Jahre jung, legt mit Sunken Condos sein viertes Soloalbum vor. Dabei bleibt er dem wunderbar eigenen Stilmix aus Rock, Jazz, Funk und Blues treu, den er und sein musikalischer Partner Walter Becker schon vor 40 Jahren für ihr Duo-Projekt Steely Dan fanden.

Man nimmt es Fagen nicht übel, dass er gar nicht erst versucht, sich musikalisch „neu zu erfinden“, wie es gern mal so heißt. Nein, diese Musik kommt gerade so daher, wie ich das von einem Fagen-Album auch erwarte. Irgendein schlauer Rezensent schrieb sinngemäß, das sei auch in Ordnung, solange Fagen immer wieder neue Geschichten erzähle. Genau das tut er. Er singt vom Altern, von problematischen Liebesbeziehungen und verpatzten Lebensentwürfen. Und er macht das mit ungeheurer Lakonie.

Was mich so fasziniert an Fagens Musikantentum, ist diese auf die Spitze getriebene Beiläufigkeit. Man verstehe das nicht falsch: Beiläufigkeit hat in diesem Fall überhaupt nichts mit Nachlässigkeit oder Langeweile zu tun. Nein, gemeint ist die Selbstverständlichkeit, Unaufgeregtheit, Lockerheit – die Franzosen nennen es Nonchalance -, mit der hier perfekte Popmusik gemacht wird. Toll, diese mal treibenden, mal verschleppten Rhythmen, die da aus dem Lautsprecher perlen, pluckern, slappen, grooven als wär’s nichts. „Wenn ich schon mal hier bin, kann ich ja auch ein bisschen rumklimpern …“ könnte Fagen selbst das kommentieren – so kommt es mir manchmal vor und ich bin begeistert.

Noch ein Wort zum Albumtitel: der Begriff condos ist abgeleitet vom lateinischen con-dominium und meint in diesem Fall schlicht Eigentumswohnung. „Versunkene Eigentumswohnungen“ also heißt dieses Album. Das steht wohl mehr als deutlich für all die unerfüllten Träume.

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