GRANDE
Drei Triodenwatt für Liebhaber – #1

von Michael Münch und Segschneider

Intro

der GRANDE im noch unverkabelten Rohbau
der GRANDE im noch unverkabelten Rohbau

Gibt es ein Leben nach der 2A3? Wir meinen: ja. International wird die Szene der etwas leistungsstärkeren Liebhaber-Endstufen von der 2A3 beherrscht. Einer Röhre, von der Joe Roberts einmal sagte, er habe noch nie eine schlecht klingende 2A3-Endstufe gehört. Und wir unterstellen mal, dass Joe Roberts es nicht an den Ohren hat, sondern durchaus weiß, wovon er spricht. Dennoch gibt es einige Einwände gegen diese Direktgeheizte. Die Zahl der Nachbauten ist kaum noch zu übersehen, die guten alten Exemplare der 2A3 sind verschwunden oder sch…-teuer, wie die neuen sind, weiß niemand so recht – auch Joe Roberts hört lieber die guten alten, und die Zahl der Nachbauten steigt und steigt. Entsprechen sie wirklich alle den Qualitätsgeräten, von denen der gute Joe sprach?

aus: SOUND PRACTICES - Issue 15
aus: SOUND PRACTICES – Issue 15

Klanglich gibt es ebenfalls das eine oder andere zu sagen. Die klassischen 2A3s tönen angenehm, mit einer Tendenz zum Warmen, einer Tendenz, die in vielen Anlagen eventuell vorhandene Fehler gnädig überdeckt. Die Sopranistin mutiert ein wenig zur Mezzosopranistin. Als nachteilig kann empfunden werden, dass Milva dann gelegentlich Damenbass singt, aber so pingelig, diesen Lapsus in die Beurteilung einzubeziehen, so pingelig muss man ja nicht sein. Und – falls man eine nicht so gelungene Anlage hat – was wäre gegen ein wenig Schönfärberei einzuwenden? Wenn dagegen die eigene Anlage bereits ein gewisses Niveau erklommen hat, was dann? Wenn der Wunsch nach klassischer Musik, nach differenziert wiedergegebener Musik besteht, wie dann? Klassische Musik stellt Forderungen an die Wiedergabe. Die ersten wollen von den zweiten Geigen unterschieden werden, der Sologeiger soll vor beiden deutlich differenziert stehen, die unterschiedlichen Spielweisen diverser Solisten – allesamt im Bereich Fein- und Feinstdifferenzierung gelegen – wollen erhört werden, kurzum, es kann eigentlich nicht genug Differenzierung geben. Darüberhinaus feine und feinste Abstufungen in der Dynamik, im Ton der diversen Instrumente und so weiter. Und die Endstufe soll all das liefern.

Und genau so sollte eine Endstufe beschaffen sein, die das Leben nach der 2A3 ermöglicht. Schnell, differenziert, ausgewogen, feinsinnig, und zu jeder Sorte Musik aufgelegt. Ein Klassiker eben. Ein solches Projekt gehen wir hier an. Es wurde eine spannende Arbeit, die uns Einiges abverlangt hat.

Erwartungen

An dieser Stelle sind bereits einige Endstufen vorgestellt worden. Unsere Neigung, noch so eine, vielleicht mit anderen Röhren vorzustellen, war gedämpft. Denn es geht uns nicht anders als vielen Audiophilen: dasselbe noch einmal, nur ein bisschen anders – wer will das schon dauernd. So entstand, zunächst als Frage im Kopf, der Gedanke, ob man höhere Leistung und gesteigertes klangliches Potential denn überhaupt zugleich erreichen könne. Fragen wir den Verkaufskünstler, dann ist das überhaupt kein Thema und die Produkte seiner Firma schwingen sich täglich von Höhenflug zu Höhenflug. Die Realität ist freilich ein wenig anders. In der rauhen Wirklichkeit kann sich eine gut gebaute 2A3 seit mehreren Jahrzehnten behaupten, da hat Joe Roberts schon recht.

Im weiteren Nachsinnen wurde deutlich, dass bessere als die hier vorgestellten Lösungen nur zu erreichen sind, wenn die klangbestimmenden Bauteile festgelegt werden. Solche Festlegung kann sich sehr rasch zu einem Korsett entwickeln, in das ein Nachbauer sich eingepfercht vorkommt, vor allem dann, wenn sehr spezielle und sehr teure Bauteile vorgeschrieben werden. Bereits beim Ausgangsübertrager kann für zwei Stück leicht ein vierstelliger Betrag aufgerufen werden, bei Endröhren wäre das gleichermaßen möglich, wenn wir in die Richtung 2A3 oder 300B gedacht hätten. Mit anderen Worten: die Suche entwickelte sich quasi von selbst zu der Frage, welche exzellenten Bauteile denn noch preisgünstig zu haben wären. Möglicherweise werden sie nicht mehr allzu lange preisgünstig sein, wenn dieser Artikel erst einmal erschienen ist. Aber dagegen lässt sich nichts tun, außer den Mund halten, und wer den Mund halten will, kann nichts mehr veröffentlichen. Wir entschieden uns fürs Veröffentlichen.

Bau und Nachbau

die Ausgangsübertrager LO SE25-3 von Leszek Ogonowski
die Ausgangsübertrager LO SE25-3 von Leszek Ogonowski

Ein kardinales Bauteil einer Röhrenendstufe ist und bleibt der Ausgangsübertrager. Und da ist die Wahl einfach. Es gibt keinen AÜ, der in Sachen Gegenwert fürs Geld und gleichzeitig in Sachen vorzüglicher Ausführung einen Ogonowski schlagen könnte. In beiden Dimensionen setzt dieser immer noch viel zu unbekannte polnische Zauberkünstler die Maßstäbe. Wer einmal einen Schnittbandkern a la Ogo in der Hand gehalten hat, weiß Bescheid. Leszek Ogonowski fertigt auch Übertrager nach Wunsch. Um aber eine schnelle Verfügbarkeit zu haben und um unumgängliche Aufpreise für Maßarbeit zu vermeiden, kam nur ein Serienprodukt in Frage. Der ausgewählte Wickel im SM102b-Kern hat primär einen Nominalwert von 3,0 kOhm, sekundärseitig bietet er 4 und 8 Ohm und ist damit für viele alte und neue Lautsprecher verwendbar. Der große Kern könnte erheblich mehr Leistung übertragen, als wir hier erstreben. Und, das haben wir bitter an dicken Brummern anderer Hersteller erfahren müssen: groß bedeutet nicht unbedingt auch großer Klang, wenn nur kleine Leistungen – die leisen Stellen in der Musik! – übertragen werden sollen. Aber der Ogo brilliert auch in dieser schwierigen Disziplin. Davon hatten wir uns schon zuvor bei einem Hörvergleich an einer PL82-Endstufe überzeugt. Wiewohl ein wuchtiger SM102b nicht gerade die erste Wahl ist, wenn nur 44mA Gleichstrom durch den Trafo fließen – da würde schon ein SM74 genügen -, bewältigt der große Ogo auch eine solche Aufgabe mit Bravour und sogar besser als ein kleiner und uns als gutklingend bekannter Konkurrent. Ogonowski LO SE25-3 also, weil in mehreren Disziplinen unschlagbar gut.

Der einzig verfügbare Nominalwert von 3,0 kOhm musste bei der Wahl der Endröhre selbstverständlich berücksichtigt werden. Eine triodisierte EL34 kommt damit gut zurecht. Dass dies eine Röhre mit besonderen Qualitäten ist, kann und konnte jedermann in Jogis Röhrenbude nachlesen. Unsere eigenen Erfahrungen sind ebenfalls positiv. Aber – das ist der Wermutstropfen – bitte nicht mit jeder EL34! Wir sprechen ausdrücklich nicht von all den neueren Nachfertigungen, sondern nur von zwei alten Exemplaren. Numero eins ist die von RFT gefertigte Version, auch als RSD erhältlich, letzteres war die für den Außenhandel der ehemaligen DDR bestimmte Variante. Numero zwei ist die von TESLA bis Anfang der 80er Jahre gefertigte Version.

Die EL34 von RFT (RSD) - Anodenbleche
Diese EL34 von RFT (RSD) weist gecrimpte Anodenbleche mit 2×4 Löchern sowie zwei breiten Schlitzen (ca. 1,75x5mm) in 12mm Abstand auf.

Anodenbleche EL34 TESLA
Die EL34 von TESLA weist mit 2×5 Punkten geschweißte Anodenbleche auf, die mit zwei schmalen Schlitzen (ca. 6x1mm) in 8mm Abstand versehen sind.
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Die EL34 von RFT (RSD) verfügt über ein scheibenförmiges Getter.
Die EL34 von RFT (RSD) mit scheibenförmigem Getter

EL34 TESLA - Blick aufs Getter
Die EL34 von TESLA mit doppeltem Ring-Getter
EL34 von RFT sind über einen langen Zeitraum und nicht nur an einer Produktionsstätte gefertigt worden. Daher unterscheiden sie sich in kleinen Details. Es gibt sie mit Scheibengetter und mit Ringgetter, mit hohem Sockelkragen und mit flachem Sockelkragen (spätere Ausführung).

Kleiner Einschub. Bevor jetzt Anfragen kommen, möchten wir klarstellen, dass wir eine RFT bzw. RSD auch ohne Aufdruck identifizieren können. Nicht aber jene, von außen nicht unterscheidbare Produktionslinie, die wegen übergroßer Katodenbeschichtung fast ewig halten soll – Jochen Gittel sprach davon.

Dass es extrem langlebige Röhren tatsächlich gegeben hat, nicht nur bei der EL34, und dass das kein Röhrenlatein ist, das wurde auch anderweitig bezeugt. In den VALVO-Archiven zum Beispiel schlummert ein Schreiben der Post, damals noch Bundespost, die der Firma VALVO eine C3m-Röhre nach 122.424 Stunden (sic!) Laufzeit zurücksandte, damit VALVO sich diese Röhren noch einmal anschauen kann. Denn die rückgesendete Röhre hatte immer noch Nennwerte!

C3m - Lebensdauer
C3m – Lebensdauer

Das sind für den Röhrenfreund heutzutage nur noch wunderschöne Träume – leider.

Und ja, wenn das HiFi-Portemonnaie gerade allzu prall sein sollte, dann kann man in diese Endstufe auch die wunderbaren alten Philips mit Metallsockel oder Mullard Xf2-Röhren stecken. Sie sind leicht zu erkennen, es sind die begehrtesten und teuersten Exemplare, weil sich ihr Ruf herumgesprochen hat. Mit Preisen, die als echte Beziehungskiller gelten müssen. Wir möchten davon keineswegs abraten, glauben aber, dass bereits mit den beiden erstgenannten Röhren, für die zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung gelegentlich unter Hundert Euro das Pärchen aufgerufen werden, klangliche Qualitäten zu erwarten sind, die für sich sprechen.

Stillleben mit paper in oil-Kondensatoren (PIO) aus Beständen der ehemaligen Sowjetarmee. Vorn ein 1µF/630V-Typ
Stillleben mit paper in oil-Kondensatoren (PIO) aus Beständen der ehemaligen Sowjetarmee. Vorn ein 1µF/630V-Typ

Ein Bauteil, das wir generell festlegen, sind die Gleichstrom blockierenden Kondensatoren in der Schaltung. Es sollten Ölpapiertypen sein, man kann sie – noch – preiswert aus alter russischer Fertigung erhalten, oder von einer jener audiophilen Firmen beziehen, die wunderbare Preise bieten und wunderbaren Klang versprechen. As you like it!

– wird fortgesetzt –

GRANDE
Drei Triodenwatt für Liebhaber – Prolog

von Michael Münch und Segschneider

Das ist der GRANDE …

GRANDE - Drei Watt aus einer als Triode geschalteten Endpentode
GRANDE – Drei Watt aus einer als Triode geschalteten Endpentode

… und so klingt er:

Wir sprechen vom Klang. Und der ist das Beste an dieser Endstufe. Gegenüber einer PL82 ergeben sich ein Mehr an Feinzeichnung, an Differenzierung, an Dynamik und – für uns nicht das Wichtigste, aber für manche Audiophile ein Muss – ein Zuwachs an Kraft und Druck bei tiefen Tönen. Wir haben das zunächst an Lautsprechern vom Typ ALTEC Santana verifiziert, die sich in einem durchschnittlichen Wohnraum durchaus zu gehobener Zimmerlautstärke treiben lassen, ohne dass der GRANDE an eine Schmerzgrenze kommt. Für Qualitäten wie Feinzeichnung, kleine und kleinste Abstufungen in der Dynamik sowie für tonale Abstufungen ist der SABA freilich ein nochmals aussagefähigerer Testkandidat. Auch mit diesem Meister der leisen und feinen Töne harmoniert der GRANDE wunderbar, sogar in dieser Kombination ist er unserer PL82-Endstufe überlegen. Und, kritische Leser mögen uns dies Eigenlob verzeihen, wir haben keineswegs die schlechtest gebaute PL82-Endstufe zur Verfügung. Mehr wollten wir nicht erreichen.

Segschneider

Projektbeschreibung

In unserer sehr detaillierten Projektbeschreibung wird alles enthalten sein, was man braucht, um dieses Projekt nachzuvollziehen – vorausgesetzt, es liegen Erfahrungen im Umgang mit Röhrenschaltungen und speziell mit den zum Einsatz kommenden hohen Netz-, Wechsel- und Gleichspannungen vor.

Wir haften nicht für Schäden, die durch unsachgemäßes Vorgehen bei einem Nachbau entstehen können!

Wen wir jetzt neugierig gemacht haben, …

… dem raten wir: stay tuned! Ein paar Restarbeiten stehen noch an – sobald die erledigt sind, geht’s los mit der Projektbeschreibung.

300B und kein Ende

Eine ironiefreie Glosse von Segschneider

Über die Qualitäten einer 300B, ob nun klanglicher oder technischer Art, lässt sich trefflich streiten. Oder vielleicht doch nicht. Denn über welche Röhre reden wir da eigentlich? „Die“ 300B gibt es längst nicht mehr, das Produktionsende bei Western Electric war mit dem Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts erreicht. Die wenigen in jüngster Zeit gehandelten Exemplare stiegen preislich in intergalaktische Höhen. Und befinden sich mittlerweile in den Händen jener japanischen Herren aus den oberen Vorstandsetagen, die sich einen separaten Hifi-Tempel, genannt Musikzimmer, abgetrennt vom Wohnhaus errichtet haben. Wir reden von einem Statement der sozialen Art, das eben nicht jeder Audiophile kann.

Für manch einen der heilige Gral: die originale 300B von Western Electric (Quelle: 2A3-Maniac)
Für manch einen der heilige Gral: die originale 300B von Western Electric (Quelle: 2A3-Maniac)

Kommen wir zu den verbliebenen 300Bs. Ihnen konnte nichts Besseres passieren als das Ableben des Originals. Sie krochen in so unglaublicher Stückzahl aus allen Winkeln, dass bereits ein Jahrzehnt später Don Jenkins in „Glass Audio“ 1998 verzweifelt fragte: „Will the real 300B please stand up?“ Diese Aufforderung verhallte ungehört und unbeachtet. Wer etwas auf sich hält am HiFi-Himmel, der produziert flugs eine 300B. Ganz so pingelig braucht er dabei nicht zu sein, die eine oder andere kleine, ganz klitzekleine Abweichung darf es schon sein. Es genügt völlig – und fördert den guten Ruf -, wenn man im Kleingedruckten auf die Abweichung hinweist. Damit heftet man sich zugleich den Nimbus des fairen Aufklärers ans Revers. Aussehen darf diese Röhre ebenfalls ganz anders als die alte Originale, ein riesiges zylindrisches Glasgehäuse stört nicht. Man sollte aber keineswegs verabsäumen, die fabelhafte Produktionsqualität zu betonen, inclusive der tausend kleinen Verbesserungen.

Und, ganz wichtig, der Preis muss stimmen! Und wie! Denn wenn der Audiophile preislich nicht mal merkt, dass er etwas Besonderes ersteht, dann nützt die ganze Vermarktungsstrategie nix. Kenner haben es schon öfter publiziert, als ich es zählen kann: eine 300B lässt sich auf dem Küchentisch zusammenfritzeln. Von geschickten Frauenhänden selbstverständlich, das war schon immer so und sollte auch so bleiben – es ist ja schließlich ein Kostenfaktor. Und so ergibt sich die Firmenstruktur einer heutigen Röhrenfirma wie von selbst. Auf die produzierenden Damen kommt ein Mehrfaches an Herren, die die wirklich wichtigen Aufgaben – nein, das ist keine Ironie, das ist echt eine Beschreibung der Wirklichkeit – übernehmen. Und das sind viele. Entwurf einer tadellosen Verpackung, damit geht es los. Wenn ich mir die simplen Schachteln aus robuster Pappe einiger meiner Lieblingsröhren, fuffzig Jahre alt mittlerweile and still going strong, die Ausführung fürs Militär, so betrachte, dann begreife auch ich: so geht’s nun nimmer. Ein Verpackungskonzept muss her! Design! Der preisliche Anspruch solide untermauert! Direktvermarktung, ein lebendiger Kontakt zum Audiophilen, Liebe zur Musik, edelste und seltenste Schallplatten, immer eine Gitarre im Ausstellungsraum – wenigstens. Auf intimeren Veranstaltungen sollte ein Gläschen Rotwein und/oder Whiskey schon mal zur Hand sein. Und so weiter.

Der Firmenchef hat keineswegs das Brett vorm Kopf, das die Neider dort vermuten. Vielmehr wurde dieses und viele andere Bretter benötigt, um spezielle Transportkisten für das Versenden der Ausstellungsstücke – was heißt hier Stücke, es sind einfach wunderschöne Artefakte, die ausgestellt werden – in passender Grösse zu bauen. Firmennamen auf den Kisten nicht vergessen! Ist wichtig! Denn der Chef unserer imaginierten Firma düst um die Welt, dass die Hacken qualmen: Tokyo, Los Angeles, New York, und bitteschön rechtzeitig zur High End in München in Deutschland sein. Aber dafür hat er ja einen Mitarbeiter, der ihn daran erinnert. Auf jeder namhaften Audiomesse vertreten zu sein, das ist nun mal der Anspruch, wenn das Produkt 300B heißt. Von nix kommt nix, und der Audiophile ist ein scheues Wild, das will zur richtigen Zeit und am richtigen Ort gejagt sein! Noch wichtiger eigentlich sind die inoffiziellen Meetings, auf denen die tonangebenden Audiophilen aufkreuzen, denn da ist der zukünftige Käufer zuhause, zur Zeit noch harmloser Audiophiler. ETF zum Beispiel, da muss man sein, und Aufsehen erregen. Nur so gehts!

Legendärer Verstärker von Western Electric aus dem Jahr 1930: der WE91A mit der 300B als Endtriode
Legendärer Verstärker von Western Electric aus dem Jahr 1930: der WE91A mit der 300B als Endtriode

Im Grunde genommen ist es recht einfach, sofern man nicht die Tatsachen verwechselt. 300B, das ist keine Röhre, das ist ein Geschäftsmodell. Und ein Geschäftsmodell kann erst dann sterben, wenn überhaupt kein Geld mehr damit verdient wird. Das ist noch lange hin, denn darum kümmern sich ja die vielen Herren, die mit den wichtigen Aufgaben – siehe oben. Produktion, das läuft so am Rande mit. Und ist in der Auslieferung schon mal im Rückstand. Dann bitte nicht vergessen: „Der grosse Zuspruch, den die Audiophilen unseren Produkten zu Teil werden ließen, führte zu Rückständen, die wir nunmehr beschleunigt …“. Es kann ja nicht immer Messe sein.

PS.

Man kann immer noch Militärröhren aus alter Produktion kaufen, die in den schlichten, stabilen Pappschachteln. Oder hab‘ ich da was verwechselt und bin schon bei den Fakenews gelandet?

Frohe Ostern! – und ein Osterei vom Audionisten …

Ostern beim Audionisten. Foto © Michael Münch
Ostern beim Audionisten. Foto © Michael Münch

GRANDE! – drei Triodenwatt für Liebhaber

Ein Aprilscherz? Nein: der Ausblick auf das kommende Audionisten-Projekt!

Knapp ein Watt je Kanal vermag unsere triodisierte PL82-Endstufe maximal aufzubringen. Betreiber „höchst empfindlicher“ Wandler vom Schlage der SABA Greencones können damit glücklich leben. Will man aber wirkungsgradärmere Lautsprecher wie meine ALTEC Santana-Boxen mit der PL82 befeuern, ist das Limit schnell erreicht: man dreht die Linestufe ordentlich weit auf, um auf eine gute Zimmerlautstärke zu kommen, treibt damit aber ruckzuck die Endstufe in die Begrenzung. So geht’s also nicht – etwas mehr Leistung muss her.

Segschneider und ich freuen uns nun, nach langer Planungszeit das Projekt einer Endstufe ankündigen zu können, die je Kanal drei Watt zu liefern imstande ist. Dieses Leistungs-Segment wird derzeit von der Röhre 2A3 beherrscht, von deren Verwendung wir aber absehen wollen.

Das haben wir uns ins Pflichtenheft geschrieben:

  • 2 x 3 Watt Ausgangsleistung
  • erstklassige Übertragungseigenschaften
  • Verwendung einer noch erhältlichen Endröhre (triodisierte Pentode) sowie innerhalb der EU gut beschaffbarer Bauteile
  • Einsatz von überzeugenden Ausgangsübertragern (aktuelle Fertigung)
  • Einsatz eines hochwertigen Netztrafos (aktuelle Fertigung)
  • sukzessive Veröffentlichung der detaillierten Projektbeschreibung hier im Blog

Die Artikelserie beschreibt kein Anfängerprojekt, sondern richtet sich an erfahrene Praktiker. Dennoch erreichen wir die angestrebten Eigenschaften sowie Nachbausicherheit nur dann, wenn wir die Verwendung bestimmter Bauteile bindend vorschreiben. Was das betrifft, befinden wir uns mit dem Projekt in einer viel versprechenden Testphase. Aktuell ist ein maßgeschneiderter Netztrafo in der Entwicklung – so etwas braucht seine Zeit.

Zeitlicher Horizont:

Liebe Leser, gebt uns ein paar Monate! Die Veröffentlichung hier wird Schritt für Schritt erfolgen und voraussichtlich im Herbst abgeschlossen sein. Stay tuned!

Miller vs. Maxwell

John Milton Miller, 1882-1962
John Milton Miller, 1882-1962 (Bild via Wikimedia Commons – gemeinfrei)

James Clerk Maxwell, 1831 - 1879
James Clerk Maxwell, 1831-1879 (Bild via Wikimedia Commons – gemeinfrei)

Segschneider über die Miller-Kapazität

Fangen wir das Ganze langsam und gründlich an. Wenn wir einen erstklassigen Profifahrer mit deinem oder meinem Auto um den Nürburgring bolzen lassen – je schneller je besser -, dann ist garantiert, dass die Kiste an mehreren Stellen in die Luft geht. Das können wir zweifelsfrei messen: das Auto bewegt sich wirklich durch die Luft. Und nicht nur für Sekundenbruchteile, nein, deutlich länger. Nun gibt es für alles eine Theorie, sagt Mäxchen Schlaumeier, so auch für diesen Fall. Was sich durch die Luft bewegt, das fliegt.

Ob nun wie ein Vogel, der nach der fachlichen Meinung der Luftfahrtingenieure tatsächlich fliegt, oder wie eine Hummel, die nach Meinung derselben Fachleute nur kontrolliert abstürzt – für beides gibt es eine, selbstverständlich unterschiedliche Theorie, und damit müssen wir dem Auto nun zu Leibe rücken. Tut aber keiner.

Oder, halt, tut doch einer! Denn manchmal – Beispiel: der Rennwagen fliegt in die Luft und überschlägt sich rückwärts – da tun sie’s doch! Solche Fälle hat es gegeben, die Enthusiasten erinnern sich, und ja, da haben Autoingenieure dann doch an ihren Fahrzeugen Eigenschaften eines Flugzeugs festgestellt.

Und seither bleiben Rennwagen öfter mal auf der Erde. Wir sehen daraus zweierlei. Erstens hab ich recht (das ist mir sehr wichtig, ich bin gelernter Rechthaber!), und zweitens ist das Auto tatsächlich ein Flugzeug. Dummerweise glaubt das allgemeine Publikum das nicht, aber was soll’s, wir wissen es ja besser.

So, nun stürzen wir uns auf unser Lieblingsthema, die Elektronenröhre.

Sie ist ein Kondensator. Das sage nicht ich, das sagen alle. Denn wenn die Miller-Kapazität schon bis in die allgemeinen Simulationsprogramme für Röhrenschaltungen Eingang gefunden hat, dann ist diese Weisheit wohl bei allen angekommen. Was eine Kapazität ist, wissen wir seit Maxwell genau. Ein Kondensator ist ein Aufbau bestehend aus zwei sich gegenüberliegenden Platten mit einem Dielektrikum dazwischen. Ein Dielektrikum ist ein elektrisch nicht leitendes Material, und in einem nichtleitenden Material können sich keine Elektronen bewegen. In einem Kupferdraht zum Beispiel können sich Elektronen bewegen, und deshalb ist der Kupferdraht kein Dielektrikum. Das absolute Nichts, fachmännisch Vakuum genannt, kann keine Elektronen bewegen, weil keine da sind, und ist deshalb ein Dielektrikum.

Genau unser Fall, schreien alle, so ist das ja auch bei der Röhre!

Zwei sich gegenüberliegende Flächen, gebildet von Drahtgeflechten, und dazwischen Vakuum – alles passt, so isses. Und es wurde bereits gemessen! Wir nehmen die nicht eingeschaltete Röhre und, siehe da, wir messen eine Kapazität. So kam die sogenannte Miller-Kapazität in die Elektronenröhre. Und in die Köpfe.

Aber im wirklichen Leben gibt es dieses Gespenst gar nicht. Im wirklichen Leben ist die Elektronenröhre eingeschaltet, so wie das Auto in seinem wirklichen Leben mit einem laufenden Motor fährt, und wenn die Elektronenröhre eingeschaltet ist, tun sich wundersame Dinge.

Dann gibt es im Inneren jede Menge Elektronen, bis heute weiss niemand, wie viele es gerade sind, schon für diese einfache Frage gibt es keine Antwort mehr, und es fliesst ein kräftiger Elektronenstrom, der je nach dem, was die Röhre gerade an Signal verarbeitet, auch noch sehr unterschiedlich sein kann. Irgendwo zwischen null, dem Ruhestrom im Arbeitspunkt und einem Vielfachen davon – genauer wissen wir’s nicht. Mit anderen Worten: wenn die Röhre betrieben wird, gibt es kein Dielektrikum mehr in ihrem Inneren. Das ehemalige Vakuum ist nunmehr voller Elektronen, ein Teil davon kann ein Elektronenstrom sein – wie er in einem Kupferdraht fliesst – und alles das bedeutet: kein Dielektrikum. Und wo es kein Dielektrikum mehr gibt, da gibt es keinen Kondensator. Sagt Maxwell eineindeutig.

Leider sind Maxwells geniale Gleichungen ein wenig kompliziert, sie müssen es sein, weil sie Zustände beschreiben, die noch viel komplizierter sind. Diese komplizierten Zustände kann ich nicht einfach nach dem Superpositionsprinzip erklären. Ich kann nicht sagen:

Die Röhre ist im wirklichen Leben ein Kondensator plus Elektronenwolke plus Elektronenstrom – das wäre Superposition; ich würde vereinfacht gesprochen die unterschiedlichen Zustände übereinanderlegen wie Folien im Projektor. Das klappt bei Maxwell generell nicht. Und, wie bereits gesagt, die Zustandsbeschreibungen widersprechen sich darüberhinaus – das eine schließt das andere aus. Geht also gar nicht. Die Miller-Kapazität ist ein Gespenst. Sie bei kalter Röhre zu messen ist ungefähr so intelligent wie die Messung von Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit beim Auto, wenn dessen Räder stillstehen und die Lügenelektronik nicht mal mehr das Abgas kontrolliert.

Sobald eine Aussage fortwährend wiederholt wird, verfestigt sie sich in vielen Köpfen zu einer „Wahrheit“. Die ist nicht unbedingt richtig, aber sie existiert in den Köpfen trotz alledem. Und die Miller-Kapazität wurde und wird ständig wiederholt: in Lehrbüchern und in Simulationsprogrammen. Es gibt sie nicht und sie widerspricht der Maxwellschen Elektrotechnik. Genau deshalb, so fürchte ich, wird sie das Schicksal vieler Gespenster teilen. Die schottischen Schlossgespenster leben in den Köpfen der Menschen fröhlich weiter, da hilft keine wissenschaftliche Widerlegung. Das Ungeheuer von Loch Ness hat sich genausowenig verflüchtigt wie die Miller-Kapazität sich verflüchtigen wird. Und wenn die Simulationsprogramme erstmal das Überleben garantieren – oh je. Das ist schon kurz vor dem ewigen Leben.

Eine kleine Gehässigkeit zum Schluss. Es soll sogar Menschen geben – ich gehöre dazu – die glauben, dass in Lehrbüchern auch falsche Sachen stehen. Das ist schon fast so krank wie die schottischen Gespenster. Halten wir fest: Autos sind Flugzeuge. Und was Röhren sind, darauf gibt Maxwell keine allgemeine Antwort. Aber schau ins Simulationsprogramm: da steht es.

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