Vom „verliebten Außersichsein“

Manchmal spielt einem der Zufall Sachen in die Hand, die man sich selbst niemals hätte ausdenken können.

Heute führte mich mein Weg wie schon oft zum Haushaltsentrümpler meines Vertrauens. Ich durchsuchte die Schallplattenkisten nach Neuzugängen – diesmal erfolglos. Immerhin fand ich für einen Euro die CD „Buena Vista Social Club“, somit hatte sich mein Besuch schon gelohnt. Danach schlenderte ich durch die Bücherabteilung. Dort stieß ich auf einen gebundenen Jahrgang der mir bis dahin völlig unbekannten Monatsschrift „Film + Ton Magazin“ von 1968. Diese inzwischen wohl eingestellte Publikation richtete sich an engagierte Filmamateure. Sie behandelte filmische Aufnahmetechniken, aber auch die Vertonung sowie die dafür erforderlichen Gerätschaften. In jedem Heft gab es darüber hinaus Besprechungen von Platten-Neuerscheinungen.

Ich habe mich bemüht, im Internet Rechtsnachfolger der damaligen Herausgeber zu finden, allerdings bisher erfolglos. Sollte es einen Rechteinhaber geben, der etwas gegen das nachfolgende längere Zitat einzuwenden hat, möge er sich bitte melden, dann nehme ich den Beitrag wieder von der Seite. Es wäre allerdings schade :-(…

In der Februarausgabe erklärt der Artikel „Herz in der Optik – Der Film enthüllt Geheimnisse der Liebe“ auf den Seiten 22 und 23, wie denn wohl die Liebe im Film darzustellen sei. Eigentlich geht’s um gefilmten Geschlechtsverkehr, aber der Text laviert geschickt darum herum. Der Autor Konrad Karkosch schreibt:

„… Da die Liebesszenen zu den schönsten und wichtigsten Szenen der meisten Filme gehören, ist es interessant, die filmische, d.h. die mimische Darstellung des Außersichseins beim Erlebnis der Liebe mit einigen markanten Film-Fotos*** zu illustrieren. Dabei ist zu beachten, dass das Außersichsein in zwei typische Phasen zerfällt, von denen auch der Liebesausdruck beherrscht wird, nämlich in die Phase des „Ergriffenseins“ und des „verliebten Verströmens“ gliedert. Auf dem Höhepunkt des „verliebten Außersichseins“, der in einem Verhalten gipfelt und eine bestimmte Intensität und Dauer hat, geht die Phase des „verliebten Ergriffenseins“ in die des „verliebten Verströmens“ über, bei der sich der Mund wieder zu schließen, die Augenbrauen wieder zu senken, ja, alle bewegten Regionen des Gesichts wieder zu entspannen beginnen.

Diese beiden Phasen des „verliebten Außersichseins“ sowie dessen Höhepunkte gelangen in den filmischen Liebesszenen in den mannigfachsten Variationen zur mimischen und gestischen Darstellung. Alle Liebesszenen des Films leben von diesen Erscheinungsformen des Liebesausdrucks, der sich nicht nur in der Mimik, sondern auch im Händedruck, in der Umarmung, im Kuss usw. verwirklicht. Es braucht hierbei nicht weiter betont zu werden, dass nicht jeder Blick, nicht jeder Händedruck, nicht jeder Kuss das Gefühl der Liebe ausdrücken muss. Nur wenn die Voraussetzungen des „verliebten Ergriffenseins“ und des „verliebten Verströmens“, also des „verliebten Außersichseins“ erfüllt werden, ist das Gefühl der Liebe auch im Bereich des Films möglich.“

*** Film-Fotos weggelassen

Das Ding habe ich nach dem Abendessen meiner Liebsten und dem Erstgeborenen vorgelesen. Es war ein voller Erfolg…

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