Netzteil für einen Röhrenverstärker #1

Trafotest Belastungskurve

Vorwort

Nachfolgend beschreibe ich den Aufbau einer höchstwertigen, RC-gesiebten Spannungsversorgung für einen Röhrenverstärker mit der PL82 als End- und der PC86 als Vorröhre. Im Zusammenhang mit der von Wilimzig/Gysemberg veröffentlichten PL82-Endstufe („Höchst Empfindlich“) sind zu solchen Netzteilen bereits diverse Meinungen publiziert worden – unter anderem die, ein solcher Verstärker sei nicht mehr vorstellbar, da die Autoren es ablehnten, in Zukunft weiterhin Netzteile für Dritte zu berechnen. In Widerlegung dessen werde ich zunächst darstellen, welche Anforderungen solche Schaltungen erfüllen müssen und detailliert erklären, wie die erforderlichen Dimensionierungen zu bestimmen sind. Die Konstruktion einer RC-gesiebten Spannungsversorgung ist kein Hexenwerk – alles, was man dazu braucht, ist in der Literatur hinlänglich beschrieben. Unüblich ist es lediglich, eine Endstufe mit einer solchen Siebung auszustatten. Welche Vorteile es aber hat, wenn man es dennoch tut, wird ebenfalls erläutert werden.

Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass das von mir beschriebene Netzteil für Spannungen von 260V für die Vor- und 245V für die Endröhre ausgelegt ist. Diese Daten korrespondieren mit einer Endstufenschaltung, die ebenfalls auf diesen Seiten veröffentlicht ist. Alle diejenigen, die die originale PL82-Schaltung dieserart mit Spannung versorgen wollen, finden in diesem Aufsatz das notwendige Rüstzeug für eine dazu passende Teile-Dimensionierung.

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Ein unbekannter Netztrafo

Achtung! Unbedingt Gefahrenhinweis zum Umgang mit hohen Spannungen beachten! Trenntrafo verwenden!

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist ein wunderschöner alter Netztrafo von GRUNDIG mit der Bezeichnung BV 9007-501, Kerngröße M85:

GRUNDIG-Trafo, Bild 1
Netztrafo GRUNDIG BV 9007-501

Zu meinem Glück hängt noch der Spannungswähler an den Anschlüssen der Primärwicklung, so dass ich mit deren Bestimmung keine Probleme habe:

GRUNDIG-Trafo, Bild 2
Primärspannungswähler

Ich entscheide mich, aus meinem Regeltrenntrafo (der schützt mich vor der gefährlichen Netzspannung, siehe den Gefahrenhinweis) 230 Volt (entspricht der Netzspannug) auf die Anschlüsse 0 und 220 Volt der Primärwicklung zu geben. Im Leerlauf messe ich daraufhin an den Sekundärwicklungen 7 Volt (das ist die Heizspannungswicklung), 21,5 Volt (diente früher eventuell der Erzeugung einer negativen Gittervorspannung) und 250 Volt (das ist die Anodenspannungs-Wicklung). Letztere soll uns nun weiter interessieren.

Um die Tauglichkeit des zu untersuchenden Netztrafos für Röhrenprojekte zu testen, muss ich untersuchen, wie er sich unter Belastung verhält. Dazu baue ich eine kleine Testschaltung auf:

Trafotest
Testschaltung für den zu untersuchenden Netztrafo

Die ist schnell erklärt: der Trenntrafo sorgt für eine galvanische Trennung der Testschaltung vom Lichtnetz. Die 230 Volt AC an seinem Ausgang speisen den Testling, und zwar an dessen 220 V-Primäranzapfung (in früheren Zeiten führte das Lichtnetz nur 220 V). Ohne Belastung liefert die Sekundärwicklung 250 Volt AC. Diese Spannung wird gleichgerichtet und vom 220µF-Ladeelko geglättet. Theoretisch stehen im Leerlauf am Elko nun 250 V x √2 = 353,5 V an, ich messe 345 V. Dies ohne Lastwiderstand am Ausgang, I = 0 mA. Dieses Wertepaar trage ich in ein kleines Diagramm ein, und zwar oben links:

Trafotest Belastungskurve
zum Vergrößern anklicken

Nun beginne ich, mit Hochlastwiderständen den Trafo zu belasten. Praktisch geschieht das so, dass ich dem Ladeelko einen Lastwiderstand parallel schalte und dabei die resultierende Gleichspannung messe, die am Lastwiderstand anliegt. Beispiel: belaste ich die Testschaltung mit einem Lastwiderstand von 5 kOhm, ergibt sich eine Spannung von 300 Volt. Laut Ohmschem Gesetz fließt ein Strom von 300 V / 5000 Ohm = 0,06 A oder 60 mA.

Wer’s nachmachen will, beachte bitte, hoch belastbare Widerstände zu verwenden. Um bei unserem Beispiel zu bleiben: der 5000 Ohm-Widerstand muss eine Leistung von 300 V x 0,06 A = 18 Watt in Wärme umsetzen!

Ich bastele aus vorhandenen Hochlastwiderständen verschiedene Werte zusammen, setze sie in die Testschaltung ein und erhalte entsprechende Messwerte, die ich in mein Diagramm einsetze. Die Ergebnisse liegen in einem weiten Bereich auf einer angenäherten Geraden – das war so zu erwarten und zeigt mir einerseits, dass meine Messungen plausibel sind. Andererseits ist das ein Zeichen dafür, dass der Trafo für den beabsichtigten Zweck brauchbar ist.

Jetzt wird’s noch mal spannend: ich will wissen, ob der Trafo auch einer Dauerbelastung standhält. Da ich nicht genügend hochbelastbare Widerstände in der Bastelkiste habe, helfe ich mir mit einer Glühlampe als Last. Ich baue die folgende Testschaltung auf:

Trafotest Dauerbelastung
zum Vergrößern anklicken

Zu meiner Freude stelle ich fest, dass der Trafo unter diesen Bedingungen nach 90 Minuten lediglich handwarm geworden ist und sich seine Betriebswerte nur unwesentlich geändert haben. Ich weiß nun, dass mir der Trafo bei einem Strom von 106 mA 274 V zur Verfügung stellt, also rund 280 Volt bei 100 mA (siehe auch Diagramm oben). Das ist eine Leistung von 28 VA. Dazu kommen 7 Volt Heizspannung bei geschätzten 4 A Belastbarkeit, also nochmals 28 VA, macht zusammen 56 VA.

Es gibt ein paar Faustregeln, wieviel ein Trafo zu leisten imstande ist:

  • Faustregel Gewicht: 40 VA je kg. Demnach hätte der GRUNDIG-Trafo bei 1,8 kg Gewicht eine Leistung von 72 VA
  • Faustregel Kernquerschnitt: (Querschnitt in cm²)². Demnach leistete der GRUNDIG-Trafo (Paketstärke (in cm) x Zungenbreite (in cm))² = (3,4 cm x 3,2 cm)² = 10,88² = 118 VA.

Nun ja, ich denke, die Wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen. Immerhin habe ich nun das beruhigende Gefühl, mich mit den von mir ermittelten Betriebwerten im sicheren Bereich zu bewegen.

Der Trafo ist damit auf seine Tauglichkeit für ein Röhrenverstärker-Netzteil untersucht. Jetzt wollen wir sehen, wie aus der Trafospannung eine gut gesiebte Gleichspannung wird.

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