Konstruktion eines Röhrenverstärkers mit PL82 – zweiter Teil: die Vorröhre

Treiberröhre PC86, verschiedene Hersteller - Foto & © by Michael Münch

Ein Watt für Musikhörer

Mit der Leistung von 1 Watt ist man auf höchstempfindliche Schallwandler festgelegt. Es gibt sie in alt – oftmals aus Radios der fünfziger Jahre – und neu, und leidenschaftliche Hörer bevorzugen sie vielfach. Mit einem Watt kann man diese Chassis bereits auf Lautstärken bringen, die man seinen Ohren nicht dauerhaft antun sollte. Und – selbstverständlich! – sprechen wir von Triode und Single-Ended-Schaltungen.

PL82-Endstufe, Bild 1
Grundschaltung einer Trioden-Vorstufe

Täglich die Schraube neu zu erfinden macht wenig Sinn. Genauso ist es bei der Röhrenauswahl: exotische Typen zu ebensolchen Preisen sollen weiterhin die Bastler erfreuen, dem Musikhörer sind Röhren wichtig, die in guter alter Qualität – und mit den „großen“ Markennamen! – noch zu erhalten sind. Wenn es sie (noch) zu zivilen Preisen gibt, umso besser. Eine solche Kombination von Treiber- und Endröhre ist schon einmal vorgestellt worden: PC86 und PL82 (Gysemberg & Wilimzig „Höchst empfindlich“). Kein Grund, sie nicht zu verwenden, zumal diese Röhren bis heute zu erwerben sind. Wer das genannte Buch aufmerksam liest, stellt freilich rasch fest, dass es um Denkanstöße und leichte Nachvollziehbarkeit geht – die dortige P-Röhren-Endstufe ist ein Projekt eher für Einsteiger. Einfachheit und Nachbausicherheit bestimmen augenscheinlich die Konzeption. Aus der Sicht eines musikorientierten Hörers betrachtet geht es freilich eher darum, das klangliche Potential einer Röhrenkombination auszuschöpfen. Dazu werden nachfolgend einige Gedanken vorgestellt, die – generell gesehen – auch für die eine oder andere hochwertige Schaltung gelten würden.

Treiberröhre PC86, verschiedene Hersteller - Foto & © by Michael Münch
Treiberröhre PC86, verschiedene Hersteller – Foto & © by Michael Münch

Die Treiberröhre

Eine erstklassige Endstufe ist ohne Gegenkopplung nicht realisierbar. Das ließe sich begründen, aber die Begründung würde eine ganzes Buch füllen. Wer Gegenkopplung ablehnt, sollte schleunigst zu lesen aufhören, er ist hier in der falschen Kirche. Die Profis der fünfziger Jahre – siehe dazu beispielsweise die Rundfunkverstärker V73 und V69 – bevorzugten eine Spannungsgegenkopplung von der Anode der Endröhre – hier der PL82 – zur Katode der Treiberröhre. Diese Art der Gegenkopplung wollen wir im weiteren Verlauf „Profi-Gegenkopplung“ nennen:

PL82-Endstufe, Bild 2
Profi-Spannungsgegenkopplung von der Anode der End­röhre auf die Katode der Treiberröhre

Unsere PC86 muss einen Katodenwiderstand haben, der nicht mit einem Kondensator wechselstrommäßig gebrückt und damit kurzgeschlossen ist. Um eine Spannungsgegenkopplung zu realisieren, die aus akzeptabel großen Widerständen aufgebaut ist, sollte der Katodenwiderstand ebenfalls möglichst groß sein. Man könnte ihn beliebig groß machen, wenn vom Hersteller der Röhre nicht bestimmte Maximalwerte für die Gitterspannung vorgegeben beziehungsweise hineinkonstruiert worden wären. Kleiner Exkurs: da diese Gegenkopplung parallel zur Endröhre und damit zugleich parallel zum Ausgangsübertrager liegt, sollte der gegenkoppelnde Widerstand Rgk2 unbedingt so groß gemacht werden, dass er keine Leistungsverluste verursacht. In erster Näherung ist das gegeben, wenn er mindestens zehnmal größer ist als der Nennwert der Impedanz des Ausgangsübertragers – und zwanzig- oder dreißigmal größer wäre besser, obwohl das nicht immer erreichbar ist.

Rein sachlich gesehen ist die PC86 eine UHF- (ultra hohe Frequenzen) und fernsehtaugliche Röhre mit einer hohen Leerlaufverstärkung. Der Systemkörper in der Röhre ist klein, um die bei höchsten Frequenzen durch die kapazitiven Effekte des Systemkörpers (je grösser die Flächen, desto größer die Kapazitäten) auftretende Einschränkung des Frequenzbandes gering zu halten. Ein kleines System begründet aber eine Neigung zu relativ großen Streuungen in der Produktion.
Streuungen und dadurch bedingte Abweichungen in der Verstärkung sind jedoch Gift für eine hochwertige Konstruktion; deshalb soll diese Röhre mit einer zweiten Gegenkopplung möglichst punktgenau zu einer definierten Verstärkung gebracht werden. Die erste, eine Stromgegenkopplung, wird gebildet vom Arbeitswiderstand Ra und dem nicht gebrückten Katodenwiderstand Rk1:

PL82-Endstufe, Bild 3
Strom-Gegenkopplung der Vor­röhre mit Fuß­punkt Gk der Profi-Spannungsgegenkopplung
PL82-Endstufe, Bild 4
zusätz­li­che Spannungs-Gegenkopplung von der Anode der Vor­röhre auf ihr Gitter

Für die zweite GK wird der Widerstand Rgk1 von der Anode zum Gitter der PC86 geführt. Damit keine Veränderung der Gitterspannung durch diese Gegenkopplungsschleife stattfindet, wird die Gleichspannung mit dem Kondensator Cgk1 abgeblockt; ferner wird der Gitterwiderstand der Röhre aufgeteilt in Rg1 und Rg2. Bei diesem Splitting liegt der (zwingend notwendige!) Vorverstärker nur noch parallel zu Rg1 und kann so mit seiner vorzugsweise kleinen Quellimpedanz auch nur den Anteil Rg1 „kurzschließen“. Durch die Zweiteilung des Gitterwiderstandes kann die Spannungsgegenkopplung auf den Widerstand Rg2 greifen, der so ausgelegt ist, dass er groß gegenüber der Quellimpedanz des Vorverstärkers ist und von dieser nicht geändert werden kann. Diese Spannungsgegenkopplung wäre ohne diese Maßnahmen recht heikel, weil stark von der Quellimpedanz des signalgebenden Vorverstärkers beeinflussbar, arbeitet jedoch in der gezeigten Form zuverlässig und stabil – sogar dann, wenn der Vorverstärker eine unüblich hohe Quellimpedanz haben sollte.

UHF-Röhren sollen typischerweise mit hohem Strom laufen. Um das zu erreichen, werden teilweise extrem aufwändige Trickschaltungen vorgeschrieben (wie man zum Beispiel am Datenblatt der D3a sehr schön sehen kann). Da sie aber gleichzeitig nur eine geringe Gitterspannung vertragen, liegt hier ein Problem. In der bereits veröffentlichten Endstufenschaltung (siehe „Höchst Empfindlich“) wird deshalb die PC86 lediglich mit circa 2 Milliampere Strom „gefahren“. Auch das ist bereits deutlich mehr als in vielen HiFi- Schaltungen, in denen ECC81 oder ECC83 mit 0,6 bis 0,8 Milliampere vor sich hinblubbern. Um mehr Strom durch die PC86 fließen zu lassen und die Röhre in der vorliegenden Schaltung näher an ihr eigentliches Arbeitsfeld heranzuführen, wurde hier ein Strom von 4 Milliampere gewählt, der mit einer größeren Steilheit und einem geringeren Innenwiderstand der Röhre einhergeht. Zusammen mit dem Katodenwiderstand von 390 Ohm führt er zu einer Gitterspannung von -1,6 Volt, sehr viel höher sollte man bei einer solchen Röhre nicht gehen.

wird fortgesetzt

– Segschneider –

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