„Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“

Bernhard und Berni

Mein Freund Berni (rechts) mit seinem Vetter Bernhard 1955 in Losser/NL

Hallo, Michael,

Deine Antwort zu Superclean Dreammachine hat mich beflügelt, Dir noch einmal meine frühere kindliche Begeisterung für den Schlager „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ der niederländischen Kilima Hawaiians zu schildern. Natürlich war ich damals keineswegs gefestigt, was musikalischen Hörgeschmack betrifft. Aber das Angebot war seinerzeit – verglichen mit dem Beginn der 1960er Jahre – sehr spartanisch und die Hardware dazu auch, nämlich Kleinradio mit Bakelitgehäuse und magischem Auge in hellgrün. Neben anderen Namen stand auf der Senderwählskala das Wort Beromünster. Damit konnte ich nichts anfangen und mir darunter auch nichts vorstellen. Hörte sich trotzdem spannend an. Heute weiß ich mehr darüber. Aber wer konnte mir das seinerzeit erklären und wo konnte ich nachschauen oder nachblättern? Nun noch mal zum Pferdehalfter zurück.

Wir schreiben das Jahr 1955, ich war neun Jahre alt, konnte schon recht gut niederländisch sprechen und saß bei meinem Vetter Bernhard, der damals als gelernter Elektriker mit knappen 18 Jahren einen örtlichen Schwarzsender mit begrenzter Frequenz betrieb, auf dem sehr beengten Schinkentrockenraum auf dem Dachboden seiner elterlichen Gaststätte (Café hieß das in Holland) im Ortskern von Losser/NL, die heute noch besteht. Das war für mich ein ungeheurer Vertrauensbeweis, denn es geschah ja etwas Illegales. Bernhard erfüllte mit seinem Sender Musikwünsche seiner Freunde und Nachbarn und übermittelte gleichzeitig Grüße und Informationen.

Die Musik kam von einem Philips-Tonbandgerät. Außerdem wurden mit einem sehr einfachen Schallplattengerät Singles abgespielt. Mit dem Pferdehalfter eröffnete Bernhard jeweils seine Sendestunde für seine Hörfreunde. Das waren für mich stets aufregende und abenteuerliche Momente. Ich war dann auch dabei, als die PTT, die niederländische Post, mit ihrem Peilwagen meinem Vetter auf der Spur war, und er mit meiner Hilfe in Windeseile sein gesamtes technisches Equipment zusammenpacken und in einer Wäschetruhe und in Schinkenbeuteln verstauen und verstecken musste. Mein kleines Herz hat mächtig gebubbert, obwohl mir ja eigentlich nichts passieren konnte. Aber da war ich mir seinerzeit nicht so sicher. Soweit ich weiß, hat sich mein Vetter nicht erwischen lassen.

Das Lied der Kilima Hawaiians habe ich natürlich nie vergessen. Bruce Low und auch Ronny kamen damit erst viel später zu Erfolg und Ehren und frischten meine Erinnerungen an den Song und an die Zeit auf dem Schinkenboden wieder auf. Ich fände es angebracht, wenn zum Beispiel Eric Clapton den Pferdehalfter mal so richtig schön bluesig interpretieren würde. Den Text müsste man dann vielleicht wohl „entkitschen“.

Das beigefügte Foto zeigt mich mit meinem Vetter Bernhard 1955 im Garten des Cafés. Ich hatte ein neues Fahrrad bekommen, mit dem ich in den Sommerferien rund 20 Kilometer von Schüttorf nach Losser gefahren bin.

Mit bestem Gruß

Berni

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Menschen und ihr Radio:
Karl-Heinz Elskamp

Karl-Heinz Elskamp aus Schüttorf, ca. 1952, Foto: Privatbesitz K.-H. Elskamp
Karl-Heinz Elskamp aus Schüttorf, ca. 1952, Foto: Privatbesitz K.-H. Elskamp

Schüttorf ist ein Städtchen in der Grafschaft Bentheim. 2007 begegnete mir dort Karl-Heinz Elskamp (heute 77), als ich ihn für eine Image-Broschüre der Samtgemeinde und Stadt Schüttorf fotografierte. In dem Heft wird darüber berichtet, dass Elskamp als Vorsitzender des Heimatvereins Besucher durch die evangelisch-reformierte Kirche Schüttorfs und auf deren Turm führt. Auch ich ließ mich von ihm dort hinaufbringen, dabei entstand dieses Foto:

Karl-Heinz Elskamp führt auf den Turm der evangelisch-reformierten Kirche in Schüttorf, Foto: Michael Münch 2007
Karl-Heinz Elskamp führt auf den Turm der evangelisch-reformierten Kirche in Schüttorf, Foto: Michael Münch 2007

Mittlerweile habe ich durch Recherche auf der Website radiomuseum.org herausbekommen, dass es sich bei dem Radio um ein Lorenz „Lichtenstein“ aus dem Modelljahr 1952/53 handelt. Der Plattenspieler ist über die Bildersuche bei Google recht schnell zu finden – ein Dual 1002E, den gab es ab 1952/53.

Wesentlich später wird auch das Bild ganz oben nicht entstanden sein. Ein Foto beim Bedienen eines solchen Geräts entsteht normalerweise nur aus dem ersten Besitzerstolz heraus, aus Spaß am neuen Tonmöbel – kein Wunder: allein das Radio kostete knapp über 300 DM, unglaublich viel Geld für die damalige Zeit.

Mein Dank gilt Karl-Heinz Elskamp für das Zurverfügungstellen des Fotos und meinem Hörabendfreund Berni, selbst Schüttorfer, für die Vermittlung. Schon 2007 war er es, der mich mit Karl-Heinz Elskamp bekannt machte.

Braun Piccolino 51, Röhren-Kofferradio

Heute bekam ich ein sehr hübsches Radio geschenkt. Eigentlich sollte es lediglich um die Auflösung einer kleinen Plattensammlung gehen. Alles Vinyl – einige Klassikplatten, ein paar Alben mit vorgetragener Lyrik, musikdidaktische Platten und musikwissenschaftlich kommentierte Jazz- und Rockmusik-Anthologien aus den späten 70er Jahren (was aus heutiger Sicht rührend-nostalgisch wirkt!) – ein ganzer Umzugskarton voll!

Während des Gesprächs mit dem Vorbesitzer fällt mir auf, dass im Hintergrund ein Radio läuft – unverkennbar auf Mittelwelle eingestellt. Dann fällt der Satz „…und wenn Sie noch jemanden wissen, der was mit diesem alten Radio anfangen kann…“ – und ich staune, als ich das Gerät sehe: ein betagtes Kofferradio, ein röhrenbetriebenes Braun Piccolino 51 von 1951/52:

Braun Piccolino 51 (1951/52)
Braun Piccolino 51 (1951/52)

Natürlich fällt mir jemand ein – das Radio nehme ich gerne! Wie ich hören kann, funktioniert das Gerät auch nach 60 Jahren noch. Die Senderskala ist natürlich veraltet – die meisten dieser Sender haben den Betrieb auf Mittelwelle längst eingestellt:

Senderskala
Senderskala

Zu Hause öffne ich das Gerät und sehe, dass darin noch nicht gebastelt wurde – alles ist noch im Originalzustand:

Chassis
Chassis

Hier das Typenschild:

Typenschild
Typenschild

Auf der Gesamt-Innenansicht ist gut die Rahmenantenne im Rückdeckel zu sehen:

Gesamt-Innenansicht mit Rahmenantenne im Rückdeckel
Gesamt-Innenansicht mit Rahmenantenne im Rückdeckel

Hier ein Detailfoto der eingebauten Rahmenantenne:

Rahmenantenne, Detail
Rahmenantenne, Detail

Bei dem Gerät handelt es sich um einen fünfkreisigen Mittelwellen-Superhet-Empfänger mit einer Zwischenfrequenz von 473 kHz. Er ist vorgesehen für Netz- und Batteriebetrieb. Röhrenbestückung: DK91, DF91, DAF91, DL92. Bakelitgehäuse. Demnächst werde ich mich an die Aufarbeitung machen: Der Ledergriff muss vor dem endgültigen Zerbröseln bewahrt werden, das Gehäuse hat einen feinen Riss, der geklebt werden muss. Die Bedienknöpfe kommen in Gebissreiniger(!) und die Gehäuseoberfläche sollte ein wenig poliert werden. Alles andere ist in gutem Zustand.

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