Dieser kleine Aufsatz hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel – ich veröffentlichte ihn erstmals im März 2012 im Vorgänger-Blog „der Radionist“. Nachdem ich am letzten Wochenende mit drei auf dem Flohmarkt gekauften Leonard Cohen-LPs ganz ähnliche Erfahrungen machen durfte wie nachfolgend beschrieben, hole ich nun den alten Beitrag aus dem Dornröschenschlaf und präsentiere ihn hier erneut.
19. März 2012 – Wie schon mal berichtet, gehört während unseres sonntäglichen Frühstücks der Plattenteller entweder Annunzio Mantovani oder Bert Kaempfert. Ok, ich weiß, das ist nichts intellektuell Hochwertiges, aber es macht gelegentlich ungeheuren Spaß und ist obendrein noch gut gemacht.
Am letzten Sonntag aber verordnete ich mal eine Ausnahme und legte Simon and Garfunkel – The Concert in Central Park (2LP 1982) auf. Und da war es wieder: knister, knister, rausch, knack… – ganz typisch für auf dem Flohmarkt gefundene Schallplatten des Duos. Man kann fast seinen Hintern drauf verwetten – Simon und Garfunkel von gebrauchter Schallplatte knistern, knacken und rauschen immer. IMMER!!! Aber warum?
Diese Platten müssen unglaublich genudelt worden sein. Heavy rotation! Das ist nur so zu erklären, dass irgendein süßes Gift von dieser Musik ausgeht, irgendwas süchtig machendes. Vielleicht wirkt das besonders auf eine bestimmte Altersstufe, deren Angehörige sich von dieser Musik auf eine diffuse Art und Weise unglaublich verstanden fühlen.
Ich mags mal vergleichen mit meinen Erfahrungen, die ich mit Hermann Hesses Buch „Der Steppenwolf“ gemacht habe. Im Alter von 16, 17 oder 18 ist man ja geneigt, das eigene pubertätsbedingte seelische Durcheinander nicht für eine Phase, sondern für etwas Bleibendes zu halten. Jemand, der so denkt, erkennt sich in seiner Verzweiflung allzu leicht wieder in Hesses Alter-Ego-Romanfigur Harry Haller, hin- und hergerissen zwischen bürgerlichen Konventionen und dem Willen zum (letztlich doch nicht in die Tat umgesetzten) Aufbruch in die Unangepasstheit. In dieser blöden Situation wird einem „Der Steppenwolf“ zur Bibel, für jeden in der geschundenen Seele quer sitzenden Pups findet man dort Bestätigung. Entsprechend ackert man das Buch immer und immer wieder durch auf der Suche nach Erleuchtung, die einem jedoch letzten Endes nicht zuteil wird.
Die Pubertät vergeht, die Seele gesundet, den Steppenwolf überwindet man innerlich erstaunlich schnell – nur für das Buch, in dem man monate-, vielleicht jahrelang geackert hat, kommt jede Hilfe zu spät. Es ist völlig ramponiert. Egal – diese Phase ist überwunden, der Schmöker hat seine Schuldigkeit getan!
Hier schlage ich den Bogen zurück zu den gebraucht gekauften Simon & Garfunkel-Scheiben. Die mögen sich auch mal eine Zeit lang im Besitz ungarer Pubertanden befunden haben, die sich das schwere Gemüt an ihnen abarbeiteten. Das würde erklären, warum gebrauchte Simon & Garfunkel-LPs immer… – Sie wissen schon!
Unser Frühstück war von der Sorte, die wir im innerfamiliären Sprachgebrauch ein „Heldenfrühstück“ nennen. Unser Selbstversuch hat bewiesen, dass man zur Mucke von Simon & Garfunkel nicht nur die Seele massieren, sondern ebenso famos tafeln kann. Daran kann auch das Geknister und Geknacke der Plattenwiedergabe nichts ändern.