In meiner Sammlung gibt es eine ganze Reihe von Platten Willy DeVilles – sowohl Solo-Alben als auch Aufnahmen mit seiner Band Mink DeVille. Ich mag diesen Mann und seine Musik schon lange. Er sah mit seiner hageren Gestalt, dem Gehrock, den Pluderärmel-Hemden, den langen Haaren und dem Schmuckgeklimper immer aus wie eine Mischung aus hohlgesichtigem Voodoo-Meister und lackaffigem Dandy – eine irgendwie aus der Zeit gefallene, aber absolut faszinierende Erscheinung.
Sein Gesang war der des begnadeten Nichtsängers. Er nuschelte, lag so manches Mal eine Wenigkeit neben dem „richtigen“ Ton und gerade deshalb immer „richtig“. Er hatte den Blues, war Southern Rocker, verstand sich auf Tex-Mex, baute Cajun-Elemente in seine Musik ein. Meiner Meinung nach kein Spitzen-Instrumentalist, aber durch und durch ein Musiker, vielleicht sogar ein Musikant im besten Sinne. Bezeichnend eine Äußerung meiner Liebsten, als ich mich vor Jahren mit DeVille zu beschäftigen begann: „… früher hättest Du das als Tanzschulmusik abgetan!“
DeVille konnte im Musik-Business nie richtig Fuß fassen. Mal hatte er einen Plattenvertrag, dann mal wieder nicht – ein ewiges Auf und Ab. Unser Held starb 2009 an Bauchspeicheldrüsenkrebs – mit nur 58 Jahren …
In die aktuelle DeVille-Phase geriet ich durch Zufall: ich stöberte online im Katalog von MEYER RECORDS, einer deutschen Plattenfirma, die sich auf akustische Musik spezialisiert hat. Einer meiner Audio-Freunde riet mir, man könne jede Veröffentlichung dieses Labels unbesorgt kaufen, also war ich offen für Entdeckungen.
Und dann fand ich diese Platte. Willy DeVille unplugged? – Da erteilte ich mir den sofortigen Kaufbefehl! Und seit dieser Silberling im Haus ist, liegt er im oder zumindest neben dem CD-Player. Darauf ein grandioses Konzert, das DeVille im März 2002 in der Berliner Columbiahalle gab – nur begleitet von Piano und Akustikbass, gelegentlich spielt er selbst Gitarre oder Harmonika. Da ist nichts geschnitten – dankenswerter Weise bekommt man seine schnodderig-launig-lakonischen Zwischenansagen und die flapsige Kommunikation mit dem Berliner Publikum mitgeliefert.
Der Gesang! Brüchig, rauchig, kehlig, manchmal leicht nölend, gepresst und jegliche Art von Gefühl zulassend, aber niemals übertrieben kitschig-triefend singt sich DeVille durch ein Repertoire, das ihm wie auf den Leib geschrieben scheint. 16 der 18 Titel stammen nicht von ihm selbst, aber er macht sie sich auf unnachahmliche Art zu Eigen. Einer der Höhepunkte für mich: „Let It Be Me“, 1960 ein Hit der Everly Brothers, 1955 veröffentlicht von Gilbert Becaud unter dem Titel „Je t’appartiens“. Unter DeVilles Gesang verwandelt sich die Beinah-Schnulze in eine ergreifende Liebesballade. Das von Elvis Presley bekannt gemachte „Hound Dog“ hingegen wird trotz der vermeintlich spärlichen Instrumentierung mit Piano und Bass zum Kracher – grandios DeVilles Hundegejaule! Spätestens dieser Titel weist den Sänger und seine kongenialen Mitmusiker als in der Wolle gefärbte Rock’n’Roller aus.
DeVilles Interpretationen von „Spanish Harlem“, „The Way We Make A Broken Heart“, „You Better Move On“ oder „Shake Rattle And Roll“ begeistern – man denkt „… so hätte das immer schon klingen sollen!“ – spätestens an dem Punkt hat er einen endgültig am Schlafittchen, der gute Willy – und der Himmel steht still …
„Heaven Stood Still“ – damit endet ein wunderschöner Abend, bei dem man gern dabei gewesen wäre!