Novaya Zemlya ist eine russische Insel im Nordpolarmeer.
Wenn ich Thomas Köners aktuelles Album Novaya Zemlya höre, laufen in meinem Kopf ganze Bilder- und Gedankenketten ab. Der Künstler setzt seine visuellen, klanglichen und lautlichen Assoziationen zu diesem kargen, eisbedeckten Landstrich in eine faszinierende Geräuschcollage um und nimmt mich so mit auf eine Art innerer Reise:
Ich befinde mich an Bord eines Expeditionsschiffs nördlich des Polarkreises. Die Mannschaft richtet sich aufs Überwintern im Packeis ein. Die Fahrrinne wird seit Tagen immer enger, das Eis rückt näher – an Umkehr ist nun nicht mehr zu denken, auch nicht an weiteres Fortkommen. Untätig liege ich unter Deck in meiner Koje und lausche. Schiffsrumpf, Packeis und Wasser vereinen sich zu einer Art riesigem Resonanzraum. Ich vernehme fernes tieffrequentes Grollen und dessen Nachhall. Von irgendwo her höre ich kalbende Eisberge, aufeinander prallende Platten, Sirren, Klopfen, Brechen, Wimmern. Die unwirtliche Landschaft um mich herum singt und atmet in ihrem ureigenen Rhythmus. Irgendetwas Vielstimmiges nähert sich und entfernt sich wieder. Dann meine ich, Gesprächsfetzen aufzufangen. Es scheint sich um so etwas wie unverständlichen Funkverkehr zu handeln. Das Gemisch von Klängen, Tönen, Geräuschen aber beunruhigt mich nicht – im Gegenteil fühle ich mich geborgen in dieser eigentümlichen Musik.