Im Herbst letzten Jahres überraschte mich mein Freund Segschneider mit der Nachricht, er arbeite an einem PL82-Endstufenentwurf, mit dem er das bekannte Konzept aus dem Buch „Höchst empfindlich“ aufgreifen und weiterentwickeln wolle. Außerdem machte er mir das Angebot, das Projekt im Audionisten-Blog zu veröffentlichen – ausführlich kommentiert, damit auch andere etwas damit anfangen können. Natürlich hat er mich mit seiner Begeisterung mitgerissen!
Schnell wurde klar, dass das ohne ausführliche Erläuterungen zum zugehörigen Netzteil keinen Sinn machen würde. Ich übernahm daher die Aufgabe, die Konstruktion eines solchen Netzteils und dessen theoretische Herleitung zu beschreiben – hier nachzulesen.
Ich erhielt einen Schaltplan der Endstufe, und während Segschneider an seinem vierteiligen Blogbeitrag schrieb (Konstruktion eines Röhrenverstärkers mit PL82 – erster Teil, – zweiter Teil, – dritter Teil, – vierter Teil), begann ich, Netzteil und Endstufe praktisch aufzubauen. Davon soll nun dieser Beitrag handeln.
Endstufen-Module
Nachdem die Netzteilplatinen bestückt waren, machte ich mich an den Aufbau der beiden Endstufenmodule. Ohne schon zu wissen, wie das endgültige Gehäuse aussehen würde, entschied ich mich für einen Aufbau mit liegenden Röhren. Dazu baute ich zwei kleine Subchassis aus Aluminium.
Jetzt wird es Zeit, auf die Verschaltung der Röhrenheizungen und deren Massebezug einzugehen. Zum Verständnis diese Grafik:
P-Röhren wurden für Serienheizung konzipiert, auch hier werden die Heizungen in Serie geschaltet. PC86 und PL82 benötigen wie alle P-Röhren einen Heizstrom von 300mA. Dabei fallen an der PC86-Heizung 3,8V und an der Heizung der PL82 16,5V ab. Die Heizungs-Serienschaltungen beider Verstärker-Module werden schließlich parallel geschaltet mit dem Heiztrafo verbunden, der somit 20,3V bei einem Strom von 600mA zu liefern hat.
Bei beiden Verstärkermodulen ist der Verbindungspunkt der Heizungen von PC86 und PL82 mit der Gerätemasse (zentraler Massepunkt) zu verbinden. Dies stellt den Massebezug der Heizung her, was wichtig ist, um Brummprobleme zu vermeiden.
Es ist unter allen Umständen darauf zu achten, dass die Heizungsverschaltung beider Verstärkermodule absolut identisch erfolgt! Dazu ist es zwingend notwendig, alle Leitungen – wie in der Grafik gezeigt – farbig auszulegen, um Verwechslungen zu vermeiden. Am Heiztrafo sind jeweils die gleichfarbigen Leitungen (im Beispiel grau und rot) zusammenzufassen.
Weiter ist es wichtig, dass die Röhren eines Kanals in der gezeigten Weise hintereinander geschaltet werden: die Verbindung zwischen beiden Röhren muss vom Pin 5 der einen zum Pin 4 der anderen Röhre erfolgen. Bei Nichtbeachtung fängt man sich eventuell ein Brumm-Problem ein, das später schwer zu lokalisieren ist!
Bei korrekter Beschaltung liegen wegen der gemeinsamen Masseverbindung jeweils die beiden PC86-Heizungen parallel, ebenso die beiden PL82-Heizungen. Werden die zwei Serienschaltungen aber gegensinnig gespeist, liegen die PL82-Heizungen in Reihe, jede davon mit einer zu ihr parallelen PC86-Heizung. Die Trafospannung teilt sich dann wie bei jedem Spannungsteiler 1:1 zwischen den PL82-Heizungen (mit deren parallel liegenden PC86-Heizungen) auf – es liegen somit mehr als 10V an den Heizfäden der nur für 3,8V ausgelegten PC86 an. Das wird nicht lange gut gehen.
Hier also besonders sorgfältig bauen!
Im folgenden Bild sieht man, dass die Heizungsversorgung in der Nähe der Röhrenfassungen möglichst kurz unter das Chassis geführt wird, um Brummeinstreuungen in die Verstärkerschaltung zu vermeiden. Das Chassisblech wirkt hier als Abschirmung:
Nun zur Bestückung der Verstärker-Module. Die erfolgt auf den 31-poligen Platinen-Steckerleisten. Auf dem nächsten Foto erkennt man, dass die Gitteranlaufwiderstände und der Triodisierungswiderstand direkt mit den Röhrenfassungen verlötet werden. Es ist keine schlechte Idee, die Zuleitungen der Katoden in blau und die der Anoden in rot auszuführen – bei späteren Messungen weiß man dann sogleich, wo die Messspitze anzusetzen ist. Überhaupt ist es gut, verschiedenfarbige Verbindungsdrähte zu benutzen und deren Verwendungszwecke zu standardisieren, dazu aber später mehr.
Es sei nicht verschwiegen, dass die Lötösen an den Steckerleisten recht winzig sind. Daher erinnere ich an dieser Stelle an den längst fälligen Gang zum Dentisten des Vertrauens (2x täglich Zähne putzen, 1x jährlich zum Zahnarzt!). Nicht vergessen, dem guten Mann eins seiner Werkzeuge abzuschwatzen, nämlich dies:
Das macht die Arbeit mit den Steckerleisten erst möglich, zumindest erleichtert es diese ganz ungemein!
Chassis, Gehäuse
An diesem Punkt – Netzteil fertig, Verstärker-Module fertig – war zu entscheiden, wie das Gehäuse aussehen soll. Dabei ging es zunächst um einen Probeaufbau auf einem Brett. Das ist eine recht empfehlenswerte Vorgehensweise, die auch von solchen Klassikern wie Otto Diciol („Röhren-NF Verstärker Praktikum“, Reprint bei FRANZIS) propagiert wird. Besagtes einfaches Brett hat aber den Nachteil, dass man die einzelnen Baugruppen nicht wirklich sinnvoll räumlich zueinander anordnen kann. Ich hatte daher die Idee, statt der Einfachversion eine hölzerne „Werft“ (so habe ich das Ding genannt) zu bauen, die eine Anordnung der Verstärkerkomponenten als zusammengehörige Baugruppen schon in dieser Versuchsphase ermöglichen sollte. Bei zweidimensionalen Brettaufbauten ist das nicht immer möglich. Das hier verwendete Holzchassis versucht diesen Nachteil zu vermeiden, indem beispielsweise dafür gesorgt wird, dass paarige Komponenten – die beiden Verstärker-Module und die beiden Siebketten-Platinen – im gleichen Abstand von den Netztrafos angeordnet werden.
Meine ursprüngliche Absicht war, das Holzkonstrukt später durch eine entsprechende Blechkonstruktion zu ersetzen. Diesen Plan habe ich inzwischen aufgegeben. Was soll ich sagen – bei dieser Werft wird es nun bleiben! So sieht sie aus:
Ein Abteil meines Holzchassis habe ich mit 0,5mm starkem Kupferblech ausgelegt. Das Kupfer dient der Abschirmung des Netztrafos für die Anodenspannung und des Heiztrafos, die hier ihren Platz finden sollen:
Zwei wichtige Details: die beiden Massepunkte:
Der vom Kupferblech isolierte zentrale Massepunkt bündelt später sternförmig sämtliche Masseverbindungen zu den einzelnen Komponenten der Verstärker-Schaltung (Gerätemasse), der Gehäusemassepunkt wird nach VDE mit dem gelbgrünen Schutzleiter und allen metallischen Gehäuseteilen sowie über einen 100Ω-Widerstand mit dem zentralen Massepunkt verbunden. Dazu später mehr.
Zuerst werden alle Baugruppen auf das Chassis montiert:
So, nun geht’s ans Verdrahten. Es empfiehlt sich, verschiedenfarbig isolierte Litzen zu verwenden und bestimmten Funktionen eindeutige Farben zuzuweisen. Ich mache das etwa so:
- blau: Kabelverbindungen zum zentralen Massepunkt
- schwarz: minus Versorgungsspannung (0)
- rot: plus Versorgungsspannung Endröhre
- orange: plus Versorgungsspannung Vorröhre
- weiß/rot (Volldraht, verdrillt): Versorgungsspannung Röhrenheizungen
- gelbgrün: Schutzleiter
Masseverschaltung
Als potentialmäßig tiefster Punkt der Schaltung wird der Minuspol des Ladeelkos auf der Gleichrichterplatine angenommen. Der Ausgang 0 (minus) der Gleichrichter/Ladeelko-Platine ist auf kurzem Weg mit der Verteilerklemme „zentraler Massepunkt“ zu verbinden (1). Dieser Punkt ist n i c h t mit dem Kupferblech des Gehäuses verbunden! An den zentralen Massepunkt gehören die beiden Massepunkte der Heizspannungsversorgungen (2) und die beiden Blechchassis der Verstärkermodule (3). Schließlich wird die Zentralmasse über einen 100Ω-Widerstand mit der Gehäusemasse verbunden. Letztere wiederum ist nach VDE-Vorschrift zwingend mit dem Schutzleiter zu verbinden!
Die Schaltungen der beiden Verstärkermodule erhalten ihre Masse über die 0V-Zuleitungen (minus) von den Siebketten-Platinen, letztere wiederum sind über die von der Gleichrichter/Ladeelko-Platine kommenden Versorgungsleitungen mit Masse verbunden. Innerhalb der Verstärkermodule gibt es k e i n e leitende Verbindung zwischen der Schaltung und dem kleinen Blechchassis!
Die Leitungen zu den Eingangsbuchsen sind abzuschirmen. Die Abschirmung ist schaltungsseitig mit 0V verbunden, die Massekörper der Eingangsbuchsen erhalten Massepotential über zwei blaue Kabel, die ebenfalls zum zentralen Massepunkt führen (hier nicht abgebildet!). Die Eingangsbuchsen sind jede für sich isoliert einzubauen und auch untereinander n i c h t zu verbinden!
Alle hier beschriebenen Maßnahmen dienen der Brummvermeidung. Die fertige Endstufe darf bei kurzgeschlossenen Eingängen n i c h t brummen!
Beinahe fertig
Nach der Verkabelung sieht die Enstufe so aus:
Da es noch keine Frontplatte gibt, existiert auch noch kein Ein/Aus-Schalter. Netzstecker rein/raus – das muss für die erste Zeit reichen. Statt einer durchgehenden Rückwand gibt es ein provisorisches Panel für die Ein- und Ausgangsbuchsen. Hier noch zwei Fotos vom Netztrafo-Abteil:
Wegen der liegenden Röhren unbedingt genügend Platz für den Röhrenwechsel vorsehen! Es gibt nichts Blöderes, als dazu das halbe Gehäuse auseinander nehmen zu müssen:
Experimente mit den Koppelkondensatoren
Denjenigen, die mit verschiedenen Koppelkondensatoren experimentieren wollen, sei hier noch ein kleiner Praxistipp verraten: an Stelle des Koppel-Cs zwei kleine Miniatur-Krokodilklemmen in die Schaltung einlöten! So kann man die Testkandidaten (bei abgeschaltetem Gerät!) sehr schnell auswechseln. Doch Vorsicht: die Dinger laden sich an dieser Stelle auf knapp 150V (= Uanode der PC86) auf. So was kann empfindlich weh tun, deshalb schließe ich die Cs vor dem Wechsel mit einer kleinen Kroko-Laborstrippe kurz …
Fazit nach drei Monaten
Der hier gezeigte Aufbau existiert erst seit ein paar Tagen, denn für die Veröffentlichung habe ich den Erstaufbau dieser Endstufe wieder auseinander genommen und ein neues, in den Abmessungen modifiziertes Holzchassis aufgebaut. Alles ist nun wieder an seinem Platz und funktioniert wie gewohnt. Die Endstufe ist brummfrei und verhält sich auch sonst so, wie ich es seit drei Monaten gewohnt bin.
Ich betreibe diesen Verstärker an Lautsprecherboxen vom Typ SABA-Cello. Die sind von Haus aus keine Tiefenwunder. Dennoch weist die Kombination der PL82-Endstufe mit den Celli ein sehr ausgeglichenes Wiedergabespektrum auf. Die Räumlichkeit der Wiedergabe, die Ortbarkeit von Klangereignissen auch in der Tiefe und die Auflösung sind frappierend. Ich will nicht verschweigen, dass diese Art des Hörens auch Übungssache ist. Diese Endstufe erleichtert aber diesen immerwährenden Lernprozess.
Das Hören über diese Endstufe ist absolut unanstrengend. Ich habe (Transistor)-Endstufen erlebt, die die Musik regelrecht sezieren, in ihre Bestandteile zerlegen. Es ist, als müsse man als Hörer die Musik im Kopf selbst wieder zusammensetzen. Das kann schon mal dazu führen, dass man beim Hören regelrecht nervös wird und das Durchhören einer ganzen CD kaum möglich ist. Die PL82-Endstufe hingegen macht aus der Musik ein Amalgam – lässt zusammen, was zusammen gehört. Das macht das Hören damit sehr angenehm und lässt den der Musik innewohnenden Emotionen den nötigen Raum, sich zu entfalten.
Noch etwas erscheint mir wichtig: dieses Gerät macht die Unterschiede hörbar, die sich aus der Verwendung verschiedener Röhrenfabrikate und/oder verschiedener Koppelkondensatoren ergeben. Weniger gute Endstufen ebnen solche Nuancen ein.
Hallo Herr Münch,
Sie schreiben (Zitat):
„Noch etwas erscheint mir wichtig: dieses Gerät macht die Unterschiede hörbar, die sich aus der Verwendung verschiedener Röhrenfabrikate und/oder verschiedener Koppelkondensatoren ergeben.“
Die Aufgabe eines Audioverstärkers ist aber nicht, klangliche Unterschiede zwischen Röhrenfabrikaten oder Koppelkondensatoren herauszuarbeiten, sondern eine andere.
Vorsicht, Häresie:
Ein Verstärker, der dies trotzdem tut, ist als technisch mangelhaft anzusehen, da unvermeidbare Bauteiltoleranzen zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen.
Noch ein Zitat:
„Weniger gute Endstufen ebnen solche Nuancen ein.“
Erzählen Sie das mal einem Techniker, der in den 60er und 70er Jahren beim WDR in Köln routinemäßig gemäß Wartungsplan alle paar Tausend Betriebstunden die Röhren in den hunderten V-Serie-Verstärkern (z.B. V69 in diversen Varianten) wechseln musste. Solche Geräte waren – unter anderem – deswegen legendär und für den Zweck „Audioverstärker“ brauchbar, weil sie gemäß Anforderungskatalog nach einem Röhrenwechsel eben nicht anders klangen, sondern mit einem minimalen Wartungsaufwand immer exakt gleich, nämlich neutral 🙂
Letztlich ist es eine Frage des Paradigmas: Wenn der Sinn des vorgestellten Verstärkers darin besteht, klangliche Unterschiede von Bauteilen in genau dieser verwendeten Schaltung herauszuarbeiten, dann glaube ich gerne, dass er diesen Zweck erfüllt und dem Benutzer viel Freude beim Tüfteln mit Bauteilen des gleichen Typs von unterschiedlichen Herstellern macht.
Ich meine das gar nicht zynisch; es gibt viele Varianten, mit dem Röhrenverstärkerhobby im Eigenbau glücklich zu werden.
Mit freundlichen Grüßen, Tom Schlangen
Hallo Herr Münch,
zu diesem Thema mit Abstand der beste und auch verständlichste Beitrag, bei dem nicht ständig zwischen den Zeilen gelesen werden muss. Sicher nicht nur für mich eine große Hilfe beim Bau.
Vielen Dank auch an Herrn Segschneider für die herausragende Leistung. Chapeau!!!!
Die Platinen sind in Arbeit, die Kleinteile eingetroffen es fehlt nur noch an den Trafos.
Dazu nun folgende Frage – ist der NT 52.7L82 von Reinhöfer geeignet, obwohl er nur 20V Heizspannung hat?
(…)
Besten Dank!
Viele Grüße
Hans-Jörg Kohler
Hallo Herr Kohler,
vielen Dank für Ihr anhaltendes Interesse an und Ihre lobenden Worte zu Segschneiders und meinen Ausführungen zum Thema PL82-Endstufe! Wir haben uns beide sehr darüber gefreut! Offenbar lassen Sie einige unserer Anregungen in Ihr Projekt einfließen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit Ihrem Aufbau!
Der von Ihnen erwähnte Reinhöfer-Netztrafo ist sicher eine gute Wahl. Ihre weitere Frage war recht speziell, daher habe ich sie aus Ihrem Kommentar herausredigiert. Bitte erwarten Sie dazu eine Email von mir.
Beste Sonntagsgrüße –
MiMü
Hallo…
was für eine tolle Doku. Da macht das Nachbauen ja nochmal so viel Spaß. Sehr eindrucksvoll. Danke für die sicherlich sehr aufwendige Fotoarbeit. Das hört sich auf den Bildern schon toll an.
Matthias
Hallo Herr Münch!
Vielen Dank für dieses schöne und interessante PL82-Verstärkerprojekt, mit dessen Umsetzung ich gerade lebhaft befasst bin. Insbesondere die Verschaltung der Röhrenheizung bereitet mir noch etwas Kopfzerbrechen. Spricht Ihrer Erfahrung nach aus „brummtechnischer Sicht“ etwas dagegen, alle Röhren in Reihe zu legen und mit 40,6 Volt zu beheizen? Vielleicht abgesehen von der fummeligen Verdrahtung?
Gruß
M.Bunka
Hallo Herr Bunka,
danke für Ihr freundliches Interesse!
Was Sie da beschreiben, habe ich selbst noch nicht ausprobiert. Ich bezweifle allerdings auch, dass das funktioniert. Die Wirkung der im Artikel beschriebenen Heizungsbeschaltung besteht darin, dass jede Röhrenheizung mit einem Bein an Masse liegt. Das bekommen Sie bei einer Serienschaltung von vier Röhren nicht mehr hin.
Sollte es am passenden Heiztrafo fehlen: einen Printtransformator 24V/600mA gibt es beim Versender für €5,20, die überflüssigen Volt „killen“ Sie mit ein paar passenden Vorwiderständen.
Viel Spaß und Erfolg mit Ihrem Projekt!
MiMü