Linestufe mit EF95 / 5654 / WE403B

... die fertige LINE-Stufe - Foto: Michael Münch
… die fertige LINE-Stufe – Foto: Michael Münch

Im Audionisten-Blog habe ich in den letzten Jahren schon mehrere Endstufen, einen Vollverstärker und eine Phonovorstufe beschrieben. Linestufen wurden zwar bereits theoretisch behandelt – siehe dazu Dr. Götz Wilimzig: Gedanken zur Linestufe – Teil 1 und Teil 2 – , aber ein konkretes LINE-Projekt fehlt bisher. Das soll nun ein Ende haben.

Zur Beschreibung kommt mein eigenes Gerät, das seit ca. 7 Jahren ununterbrochen im Einsatz ist. Es arbeitet je Kanal mit einer Röhre aus der EF95/5654-Familie. Letzteres hat eine Menge Vorteile. Die EF95 hat viele äquivalente Schwestern, die zum großen Teil noch in guter Qualität und zu einigermaßen akzeptablen Preisen zu haben sind. Alle weisen bei gleichen Betriebswerten ihre kleinen klanglichen Eigenheiten auf. Mit der Wahl einer bestimmten Röhre an entscheidender Stelle, nämlich in der LINE, kann so eine Feinabstimmung der Wiedergabecharakteristik der gesamten Hörkette erreicht werden. Näheres zum Thema findet der/die geneigte Leser/in im Beitrag 5654 tube rolling.

Mein Einstieg war einfach: der gute Segschneider, geistiger Vater dieser Schaltung, drückte mir zwei fix und fertig bestückte Kanal-Platinen in die Hand. Meine Aufgabe bestand nun darin, ein passendes Netzteil zu berechnen und das Ganze zusammen mit dem Pegelsteller und dem Quellen-Wahlschalter in ein passendes Gehäuse zu bauen. Das Platinendesign stammt von unserem Audiofreund Björn aus Hamburg. Er erlaubte mir, die Platine „abzukupfern“, um sie auch anderen Audiofreunden zugänglich zu machen. Mittlerweile gibt es einige Nachbauten und auch eine aktualisierte Bestückung – zusammen mit Segschneiders Einverständnis, die Stufe hier zu veröffentlichen.

Konzeption

Unsere hier beschriebenen Endstufen verfügen sämtlich über eine Spannungsgegenkopplung von der Anode der Vorröhre auf deren Gitter. Diese Gegenkopplung funktioniert nur, wenn das vorgeschaltete Gerät eine unveränderliche Quellimpedanz von 1,5kOhm oder weniger aufweist. Daher sind diese Endstufen nicht geeignet für einen ohmschen Pegelsteller am Eingang (vgl. auch Vollverstärker mit 5654 und EL84) . Das Lautstärke-Potentiometer einer vorgeschalteten LINE-Stufe hat sich also an deren Eingang und nicht am Ausgang (= Eingang der Endstufe) zu befinden. Das hat zur Folge, dass der von der LINE erzeugte und an die Endstufe durchgereichte Rauschpegel unabhängig von der Stellung des Lautstärke-Potentiometers immer gleich hoch ist. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig, aber nicht weiter schlimm. Klar, wenn ich den Kopp in die SABAs halte, höre ich natürlich ein leichtes Rauschen. Aber schon in einem Meter Abstand hört man davon absolut nix mehr. Rauschen ist, wenn man’s hört!

Die vorgestellte Line hat eine Verstärkung von etwa 11-fach, Das ist ein recht guter Kompromiss für die meist recht unterschiedlichen Pegel, wie sie aus einem CD-Player bzw. einem DAC einerseits und einer Phonovorstufe andererseits kommen (siehe dazu die Ausführungen von Götz Wilimzig).

Edit. 02.April 2020: da pro Kanal nur eine einzelne Triode werkelt, wird das Eingangs-signal von der LINE invertiert. Das wird ausgeglichen, indem die Lautsprecherkabel verpolt an die Endstufe angeschlossen werden (Lautsprecher-Ausgang [+] an Lautsprecher [-] und umgekehrt).

Die Schaltung

Schaltbild LINE mit 5654
Schaltbild LINE mit 5654

Segschneider regt an zu erwähnen, wofür der 3M3-Widerstand im Eingang gut ist: bei einem längeren, wenn auch abgeschirmten Leiter vom Schleifer des Pegelsteller-Potis zum Platineneingang kann es passieren, dass man sich wie mit einer Antenne vagabundierende Hochfrequenz einfängt. Diese wird dann vom 3M3-Widerstand nach Masse abgeleitet.

Der Kathodenelko 470µF/10V sollte von höchster Qualität sein. Hier wird als Fabrikat OSCON dringend empfohlen.

Die Bestückung der Platinen:

Bestückungsplan
Bestückungsplan

Download Platinenlayout (PDF)

Das Netzteil

Das Netzteil arbeitet mit Brückengleichrichtung. Der Ripple hinter dem Gleichrichter hat somit eine Frequenz von 100Hz. Jeder Kanal hat eine eigene Siebkette mit je vier Siebgliedern 2k2/68µF. Ein einzelnes Siebglied hat bei 100 Hz einen Siebfaktor von 94. Vier davon in Reihe kommen auf einen Siebfaktor von rund 78.000.000, was einer Dämpfung von -158dB entspricht. Da kann man sich zufrieden zurücklehnen! Wer tiefer in diese Materie einsteigen will, schaue hier.

Aufbau

5654-LINE, Gesamtansicht innen
5654-LINE, Gesamtansicht innen

Dies ist die Innen-Gesamtansicht der 5654-LINE. Links die beiden Kanalplatinen, links oben der Pegelsteller, links unten der Eingangs-Wahlschalter. In der rechten Hälfte links die Gleichrichter-/Siebkettenplatine und rechts davon der Netztrafo, Der stammt aus einem Röhren-Tonbandgerät von Telefunken und war gerade zur Hand.

Eingangs-Wahlschalter
Eingangs-Wahlschalter

Hier der Eingangs-Wahlschalter. Ich hatte das große Glück, diesen Schalter aus einem defekten Rohde & Schwarz-Messgerät ausbauen zu können. Das Umschalten erfordert ein wenig Krafteinsatz, aber es entsteht ein präziser Kontakt. Mit aktueller Neuware habe ich diesbezüglich teils schlechte Erfahrungen machen müssen …

2 Gedanken zu „Linestufe mit EF95 / 5654 / WE403B“

  1. Hallo!
    Die Netzteilplatine der Linestufe ist die mit den Einzelplatinen des Netzteils zur PL82-Endstufe identisch? Also vom Aufbau her, nicht von der Bestückung?
    Dank für die MÜhe
    Andreas

    1. Hallo Andreas,

      die beiden Platinen sind grundverschieden. Die Platine zur PL82-Endstufe hat ja sowohl die End- als auch die Vorröhre zu versorgen. Das Spezielle bei der PL82-Endstufe ist, dass die Vorröhre eine höhere Spannung benötigt als die Endröhre. Es werden also zwei unabhängige Siebketten je Kanal gebraucht. Im Normalfall jedoch hat man für die Endröhre eine erste Siebkette mit niederohmigen Längswiderständen, an die sich die Vorröhren-Siebkette mit höherohmigen Längswiderständen anschließt. Das geht bei dieser Endstufe aber nicht.

      Mal weg von diesem Spezialfall! Normalerweise (U_Vorröhre < U_Endröhre) liegen die Verhältnisse so: Da die Längswiderstände in Endröhren-Siebketten recht niederohmig sind, braucht es zum Erzielen der notwendigen Siebung „dicke“ Elkos 470µF/400V, die halt eine Menge Platz beanspruchen. Somit werden die Platinen dafür recht groß. Vorröhren-Siebketten hingegen sind – weil kleinerer Strom gefordert ist – mit höherohmigen Längswiderständen bestückt, die mit baulich kleineren Elkos auskommen. So ist es auch bei der Netzteilplatine für die LINE, in der stecken nach dem Ladeelko zwei getrennte Siebketten (l. u. r.), die jeweils 4 Siebglieder 2k2/68µF (so die Verhältnisse in meinem Aufbau) aufweisen. So etwas baut viel kleiner! Sehen Sie sich mal das Netzteil für die Phonovorstufe mit EF86 an, denken Sie sich das Nabelschnur-Brimborium weg, dann haben Sie ein passables Netzteil auch für die LINE vor sich. Das Ganze ist so einfach aufzubauen, dass mir eine Platine nicht nötig erschien, ich habe Lochraster genommen. Bastlergrüße – Michael

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