Natürlich bin ich – getreu dem Motto der Tante meiner Liebsten: „… man wird alt wie ne Kuh und lernt immer noch dazu!“ – jederzeit bereit, an mir herumzuverbessern, meine vorhandenen Fähigkeiten zu verfeinern und neue hinzu zu erwerben. In diesem Sinne vorgespannt, halte ich auf dem Flohmarkt Ausschau nach etwas, was mich zum Höheren hinanzuheben in der Lage sein könnte. Und ich werde tatsächlich auch fündig: ich erwerbe das Ratgeberbüchlein „Die Kunst zu plaudern und gewandt zu unterhalten“ des mir unbekannten Autors Erwin Wulff. Das Werk kommt daher, als stamme es aus den 50er Jahren, allerdings handelt es sich bereits um die 31. Auflage, also muss es das etwas dickere Heft schon lange vorher gegeben haben. Außerdem hat es außer dem Autoren mit Dr. Hugo Savedi auch schon einen Bearbeiter.
Das erste, was ich am Flohmarktstand lese, als ich das Teil aufschlage, ist dies:
Das Grüßen des Herrn geschieht durch Abnehmen des Hutes und das darf nicht flüchtig geschehen. Der Hut wird so gehalten, dass der Begrüßte nur die Außenseite sieht und nicht etwa das verschwitzte Futter … Den Hut in großem Bogen abzunehmen, wie es viele tun, ist nicht üblich, aber es kann allenfalls getan werden, wenn man recht gute Bekannte trifft, denen man ein Zeichen der herzlichen Freude geben will.
Au verflixt, da habe ich ja Einiges falsch gemacht bisher. Und das, bevor auch nur ein bisschen geplaudert worden ist … Mal sehn, wie’s weiter geht:
„Gestatten Sie, Herr A, oder Frau B, dass ich Ihnen Herrn X oder Fräulein Y vorstelle“. Der Vorgestellte verneigt sich, der andere Teil reicht die Hand und sagt: „Freut mich sehr“, „Sehr angenehm“ oder ähnliches. Zumeist wird dann eine Unterhaltung zwischen den einander Vorgestellten beginnen, wobei die Respektsperson das Gespräch beginnt. Gleichgestellte Personen stellt man mit den Worten vor: „Darf ich bekannt machen, Herr X – Herr Y.“
Ich gestehe, in solchen Situationen habe ich bisher viel Durcheinander angerichtet – das kann mir nun nicht mehr passieren. Aber wann wird denn nun geplaudert?
Scheint so, als müsse ich mich erst noch weiter mit den Voraussetzungen fürs Plaudern beschäftigen. Ich lese also:
Man spreche deutlich, klar und verständlich, denn undeutliches Sprechen wird allgemein als Unhöflichkeit aufgefasst. Ihr Partner wird sich denken: „Der bemüht sich nicht einmal so zu reden, dass ich ihn verstehe.“ … Sprachfehler, wie das Anstoßen der Zunge, und ähnliches sind selten in einem Fehler der Sprechwerkzeuge begründet, sondern Nachlässigkeit. Auch das Stottern geht in vielen Fällen nicht auf körperliche oder nervöse Störungen zurück, sondern ist mit gutem Willen abzugewöhnen.
Na also! Jetzt könnte die Plauderei aber langsam mal beginnen, nur – wie bahnt man das an?
Eine noch etwas derbere und einfachere Art, die Umgebung zu unterhalten und oft deren Beifall zu finden, sind Scherzartikel. Es gibt sehr lustige Dinge zwischen ihnen wie Zucker, der nicht zergeht, sondern im Kaffee schwimmen bleibt, Tellerwackler, Scherzkarten, die beim Herausziehen ein unanständiges Bild zeigen sollen, statt dessen kommt aber ein Stahlbügel herausgesprungen, der den Neugierigen auf die Finger schlägt. Viele andere dieser Scherzartikel können aber weniger empfohlen werden, wie Bonbons, die mit Senf oder Sägespänen gefüllt sind, Zigarren oder Zigaretten, bei denen ein Feuerwerkskörper lospufft, Krawattennadeln oder Abzeichen, aus denen ein Wasserstrahl dem Beschauer ins Gesicht spritzt und Schachteln, aus denen zum Schrecken der Damen eine Maus herausspringt. Nie darf ein Witz darauf hinausgehen, jemanden zu erschrecken, daher erfordert auch das Loslassen dieser kleinen Sensationen einen gewissen Takt, sowie Maß und Ziel.
Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass das Buch ums Thema herumredet. Irgendwie kommt’s nicht zum Plaudern …
Dies aber versöhnt mich, weil es echte Lebenshilfe bietet:
Wenn man das Gespräch elastisch und beweglich gestaltet, so wird jede Frau, jedes Mädchen bald von sich aus einige Schleier lüften und zu erkennen geben, wer und welcher Art sie ist. Damit ist dann viel, wenn nicht alles erreicht, und so wird der Weg für den Mann frei, auf die besondere Art der Geliebten einzugehen.
Wer sagt’s denn – haben sich die 50 Cent fürs Buch ja doch letztendlich gelohnt!