Segschneiders Gast-Rezension: Johnny Cash & Willie Nelson – VH1 Storytellers (CD 1998)

Johnny Cash & Willie Nelson – VH1 Storytellers (CD 1998)

Segschneider ist einer, der viel weiß über Audiotechnik, Röhrenverstärker und alles, was damit zusammenhängt. Vor allem aber liebt er Musik und ist vielleicht deshalb zum Verstärkerbauer geworden. Als ich ihn neulich erstmals besuchte, fragte er mich, ob ich mir vorstellen könne, auf dem Radionisten mal eine von ihm verfasste Gast-Musikrezension zu veröffentlichen. Klar kann ich! Heute erreichte mich ein wunderbarer Text, den ich natürlich gern hier einstelle. Los geht’s!

Johnny Cash & Willie Nelson – VH1 Storytellers (CD 1998)

Johnny Cash & Willie Nelson – VH1 Storytellers (CD 1998)On the road again

Über Rick Rubin und seine Aufnahmen ist viel geschrieben worden. Johnny Cash’s Einspielungen der letzten Jahre sind, auf Vinyl erschienen, zu audiophilen Schätzen deklariert worden. Verglichen mit manchem anderen geht das voll in Ordnung; aus Cash’s frühen Jahren gibt es genügend lieblos gemachte und technisch dahingeschluderte Schallplatten. Trotzdem manifestiert sich für mich die Strahlkraft von Rick Rubin in einer Einspielung, die ich nur auf CD kenne: „VH1 Storytellers“. Diese CD schreit nach außergewöhnlich guten CD- Playern – aber das ist eine andere Geschichte.

Da kommen zwei Mann auf eine Bühne, in einem kleinen und eher intimen Studioraum, und die (wenigen) Zuhörer klatschen höflich. Wie differenziert das Klatschen wiedergegeben wird, ist eine Sache für sich und ein Härtetest für jeden CD-Player. Die beiden stellen sich vor: Johnny Cash und Willie Nelson. Sie eröffnen das Programm mit einem gemeinsamen Song, einem uralten Cowboy- und Western-Lied: „Ghost Riders in the Sky„. Kann man drüber streiten. Ich empfehle lieber, einen guten Bourbon dazu zu trinken, Knob Creek zum Beispiel, der sofort Erinnerungen an Lagerfeuer und Holzfällerhemden weckt.

Und dann sollte man sich auf Willie Nelson konzentrieren. Man kann auf Beat spielen oder auf Offbeat – Willie tut keins von beidem. Er spielt, und das ist selten genug, ganz in seiner eigenen Zeit. Klopft man den Rhythmus mit, stimmt nichts; und doch stimmt alles. Wie Willie mit einem kontrastierenden, ganz eigenen Zeitgefühl spielerisch umgeht, dieweil Johnny Cash mit striktem Beat dagegenhält, das ist seltene Klasse. Ich habe über ein Dutzend Willie Nelson Scheiben gehört, aber so gut ist er auf keiner gewesen.

Ich weiß nicht, was die Jungs vor dem Auftritt getrunken hatten, den besten Bourbon von Blantons vermute ich mal, hier sind sie jedenfalls in Hochform. Und wie man aussieht, wenn man vor dem Auftritt ein wenig zuviel guten Bourbon konsumiert, berichtet Willie, der offensichtlich alles schon erlebt hat, ebenfalls in einem charmanten Song. Überhaupt, die kleinen Erzählungen zwischen den Songs – die Aufnahme heißt nicht umsonst „Storytellers“: da gibt es Perlen zu entdecken. Die beiden erzählen Geschichten, solche, die das Leben schrieb. Wenn man ein ganzes Leben mit Musik verbringt, dann gewinnen manche Stücke eine Reife, wie sie nur alter, sehr feiner Whisky hat.

Und falls man einmal tausend Meilen am Stück durch den endlosen Südwesten der Vereinigten Staaten gefahren sein sollte, dann gehörte diese CD ohnehin zum Pflichtprogramm. Mehr Erinnerung geht nicht.

– seg –

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