R.I.P. – Juli 2014

Tommy Ramone – †11. Juli
Charlie Haden – †11. Juli
Johnny Winter – †16. Juli
Dietmar Schönherr – †18. Juli

Ramones (LP 1976)Tommy Ramone (eigentl. Tamás Erdély) war Schlagzeuger und letzter noch lebender Mitbegründer der Punk-Band Ramones. Aus Anlass seines Todes am 11. Juli nahm ich zum ersten Mal nach langer Zeit die selbstbetitelte Debut-Scheibe der Band aus dem Regal. Ich muss sagen, das Album klingt nach all den Jahren noch immer sehr frisch. Zur Hoch-Zeit des verfrickelten, gitarrensololastigen und sicher oft auch intellektuell verschwurbelten Progrocks a la Yes, Emerson, Lake & Palmer, Genesis und Gentle Giant stellten sich hier vier von musikalischer Virtuosität weitgehend unbelastete Musiker(?) hin und spielten einfach munter drauf los. Alben wie dieses ebneten dem Punkrock den Weg, der letztlich der progressiven Rockmusik das Wasser abgrub.

Charlie Haden & Pat Metheny - Beyond The Missouri Sky (CD 1997)Ebenfalls am 11. Juli starb 76-jährig der amerikanische Jazz-Kontrabassist Charlie Haden. In jungen Jahren spielte er Free Jazz bei Ornette Coleman. Mir gefielen allerdings seine späteren Schaffensphasen in Zusammenarbeit mit Künstlern wie Keith Jarrett oder Pat Metheny besser. Hier zeichnete er sich durch eine sehr schlichte Art des Bassspiels aus. Sehr schön hört man das auf dem Album Beyond The Missouri Sky von 1997 mit Pat Metheny, das mir dankenswerter Weise ein Musikfreund hat zukommen lassen. Es läuft bei mir derzeit beinah in heavy rotation.

Johnny Winter - Nothin' But The Blues (LP 1997)Ach ja, Johnny Winter … dass er überhaupt 70 Jahre alt wurde, wundert mich im Nachhinein sehr. So lange ich denken kann, machte dieser Mann einen angegriffenen Eindruck. Man sagte ihm – wohl nicht zu Unrecht – Drogen- und Alkoholexzesse nach, wegen seiner geringen Sehkraft – bedingt durch seinen Albinismus – musste er schon lange auf die Bühne geführt und zuletzt auch im Rollstuhl geschoben werden.
Nie werde ich seinen nächtlichen Auftritt in der Rockpalast-Nacht im April 1979 vergessen. Bis dahin hatte ich immer angenommen, weißer Blues und John Mayall seien ein und dasselbe. In dieser Nacht lernte ich durch Johnny Winter eine mir neue Spielart des weißen Blues kennen: ursprünglich, schwer, geerdet, aus dem Bauch heraus – dagegen erschien mir die Musik von Mayall vergleichsweise intellektuell, fast verkopft.
Als ich von Winters Tod erfuhr – er starb am 16. Juli in Zürich -, legte ich eine meiner Lieblings-Winter-LPs auf: Nothin‘ But The Blues.

Peter Thomas Sound Orchester - Raumpatrouille (LP 1966)Mit Dietmar Schönherr starb 88jährig am 18. Juli ein Held meiner Kindheit. Bis dahin nämlich konnte ich annehmen, Cliff Allister McLane schippere immer noch mit seiner Orion im Weltraum herum, aber auch damit ist es nun wohl endgültig vorbei. Schönherr war allerdings nicht nur Raumfahrer, sondern auch vielseitiger Schauspieler, Fernsehpionier (erste Talkshow im deutschen Fernsehen), Showmaster und vieles mehr. Außerdem machte er durch sein soziales Engagement für Projekte in Nicaragua von sich reden.
Da ich keine Tonträger mit Schönherr als Schlagersänger – ja, das war er auch! – besitze, höre ich den Soundtrack der Raumpatrouille von Peter Thomas.

Bitte akzeptieren Sie YouTube-Cookies, um dieses Video abzuspielen. Wenn Sie diese akzeptieren, greifen Sie auf Inhalte von YouTube zu, einem Dienst, der von einer externen dritten Partei bereitgestellt wird.

YouTube Datenschutz-Richtlinie

Wenn Sie diesen Hinweis akzeptieren, wird Ihre Wahl gespeichert und die Seite wird aktualisiert

Einfache Erklärung

Michelangelo - Die Erschaffung des Adam
Michelangelo – Die Erschaffung des Adam. So könnte es auch bei MiMü gewesen sein.

Hallo Michael,

heute muss ich dir schreiben, ich halte es nicht mehr aus! Hier ist ein Doppelgänger von dir in Hamburg unterwegs! Der sieht aus wie du, nur raucht er Zigarette und ist ( sei mir nicht böse) etwas schmaler.

Jeden Morgen geht er schnellen Schrittes am Büro vorbei und jedesmal denke ich: So sah der Studi-Michael bestimmt aus, schnellen Schrittes zum nächsten Fotokurs mit Fluppe im Mund.
So das musste ich jetzt mal schreiben.

Grüße aus der Hansestadt
Laura

So weit die Email einer Freundin. Meine Antwort:

Liebe Laura,

das war nämlich so:

Als der große alte Mann mit dem weißen Bart und dem Erfindermantel den MiMü gemacht hatte, sah er ihn von allen Seiten an und staunte, wie gut der geworden war.

„Oh fein“, sagte er zu sich, „davon mache ich noch einen!“ – Da er aber an MiMü schon so viel Material verbraucht hatte, musste die Zweitausführung zwangsläufig etwas schlanker ausfallen.

Du siehst, … – für die meisten Dinge gibt es eine ganz einfache Erklärung!

Liebe Grüße – es drückt Dich der MiMü!

heavy rotation Vol. 16: Beck / The Moody Blues / Andreas Martin Hofmeir

Ich kann weder sagen, warum bisher die Musik des amerikanischen Musikers Beck (Beck Hansen) völlig an mir vorbei gegangen ist, noch bin ich in der Lage, so recht nachzuvollziehen, warum sich das nun geändert hat. Ich weiß aber, dass ich herzlich froh über letzteren Umstand bin. Wahrscheinlich las ich in einem meiner Lieblings-Klolektüre-Bücher, dem äußerst schlauen und humorvollen, dabei höchst kenntnisreich geschriebenen „Komm, wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee – Die Pop-Tagebücher“ von Eric Pfeil von ihm.

Beck - Morning Phase (CD 2014)Endlich war es so weit: auf dem Streaming-Portal meines Vertrauens wurde ich erstmals mit Beck und seinem unlängst erschienenen Album „Morning Phase“ bekannt. Das war Liebe beim ersten Zuhören! Vielleicht ganz gut, dass ich dieses Album völlig unbeleckt von irgendwelchem Vorwissen um vorherige Alben des Künstlers hören durfte.

Um die Morgen-Phase also geht’s. Ja, stimmt! Die nicht mal einminütige Anfangssequenz des Albums stellt so etwas wie die Verlautung einer kurzen Morgendämmerung dar. Dann setzt die akustische Gitarre ein, gefolgt von Becks Stimme: „Woke up this morning, from a long night in the storm …“ – stimmt – Unwetter, das hatten wir letzte Nacht auch … Das ist Musik, bei der man gern noch einen Moment liegen bleibt!

Die allgegenwärtigen Streicher, Becks hallig-chorig abgemischte Stimme, die doch gelegentlich in die Melancholie abgleitet und die überwiegend akustische Instrumentierung nehmen einen mit in den Beck’schen Tag, der allerdings kein nur fröhlicher ist – man wird sich auf Gefühle wie Schmerz und Verlassensein einlassen müssen … Absolut lohnend!

Beck - Morning Phase (CD 2014)Das ganze Album klingt irgendwie „retro“ und ich frage mich lange Zeit, an was mich das alles erinnert. Wahrscheinlich an 70er Jahre-Folk, Crosby, Stills, Nash & Young – vielleicht auch an Simon & Garfunkel. Sicher aber an ein bestimmtes Album der Moody Blues: „Days Of Future Passed„. Das fängt nicht unähnlich an wie das Opus Becks: die ersten drei Tracks „Morning Glory“, „Dawn“ und „The Morning“ haben den selben halligen Schmelz …

Dass das letzte Stück von Morning Phase – „Waking Light“ – mit einem Synthesizer-Outro á la Keith Emerson endet, haut mich dann endgültig um.

Andreas Martin Hofmeir - on the wayZufälle gibt’s … ! Neulich erfreute mich die Liebste mit einer ganz feinen CD: „on the way – Works for Tuba by Duda, Williams, Szentpali“ von Andreas Martin Hofmeir. Der Echo-Preisträger, Tubaprofessor und Kabarettist, der außerdem Tubist bei der bayerischen Gypsy Brass Band LaBrassBanda ist, hat hier gemeinsam mit den Münchner Philharmonikern ein Album eingespielt, das einen in Erstaunen versetzt: dieser große Blechhaufen mit dem gnubbeligen Klang … pöööt pöööt – pöööt pöööt -pöööt pöööt – pötpötpötpöt – pöööt pöööt … ist doch tatsächlich in der Lage, auch als Solo-Instrument zu gefallen – ach was: zu brillieren! Und jetzt kommt’s – das ist der Zufall: beide CDs (die von Beck und die von Hofmeir) erinnern mich an das schon erwähnte Moody Blues-Album. Auch das „Konzert für Tuba und Orchester“ des Komponisten Jörg Duda hat diese morgendliche Aufbruchsstimmung …

„Ja, wie isses nun bloß möglich?“ mag man mit Mutter Kempowski sprechen: alles hängt mit allem zusammen!

Noch ein Flohmarktkauf

Erwin Wulff - Die Kunst zu plaudern und gewandt zu unterhaltenNatürlich bin ich – getreu dem Motto der Tante meiner Liebsten: „… man wird alt wie ne Kuh und lernt immer noch dazu!“ – jederzeit bereit, an mir herumzuverbessern, meine vorhandenen Fähigkeiten zu verfeinern und neue hinzu zu erwerben. In diesem Sinne vorgespannt, halte ich auf dem Flohmarkt Ausschau nach etwas, was mich zum Höheren hinanzuheben in der Lage sein könnte. Und ich werde tatsächlich auch fündig: ich erwerbe das Ratgeberbüchlein „Die Kunst zu plaudern und gewandt zu unterhalten“ des mir unbekannten Autors Erwin Wulff. Das Werk kommt daher, als stamme es aus den 50er Jahren, allerdings handelt es sich bereits um die 31. Auflage, also muss es das etwas dickere Heft schon lange vorher gegeben haben. Außerdem hat es außer dem Autoren mit Dr. Hugo Savedi auch schon einen Bearbeiter.

Das erste, was ich am Flohmarktstand lese, als ich das Teil aufschlage, ist dies:

Das Grüßen des Herrn geschieht durch Abnehmen des Hutes und das darf nicht flüchtig geschehen. Der Hut wird so gehalten, dass der Begrüßte nur die Außenseite sieht und nicht etwa das verschwitzte Futter … Den Hut in großem Bogen abzunehmen, wie es viele tun, ist nicht üblich, aber es kann allenfalls getan werden, wenn man recht gute Bekannte trifft, denen man ein Zeichen der herzlichen Freude geben will.

Au verflixt, da habe ich ja Einiges falsch gemacht bisher. Und das, bevor auch nur ein bisschen geplaudert worden ist … Mal sehn, wie’s weiter geht:

„Gestatten Sie, Herr A, oder Frau B, dass ich Ihnen Herrn X oder Fräulein Y vorstelle“. Der Vorgestellte verneigt sich, der andere Teil reicht die Hand und sagt: „Freut mich sehr“, „Sehr angenehm“ oder ähnliches. Zumeist wird dann eine Unterhaltung zwischen den einander Vorgestellten beginnen, wobei die Respektsperson das Gespräch beginnt. Gleichgestellte Personen stellt man mit den Worten vor: „Darf ich bekannt machen, Herr X – Herr Y.“

Ich gestehe, in solchen Situationen habe ich bisher viel Durcheinander angerichtet – das kann mir nun nicht mehr passieren. Aber wann wird denn nun geplaudert?

Scheint so, als müsse ich mich erst noch weiter mit den Voraussetzungen fürs Plaudern beschäftigen. Ich lese also:

Man spreche deutlich, klar und verständlich, denn undeutliches Sprechen wird allgemein als Unhöflichkeit aufgefasst. Ihr Partner wird sich denken: „Der bemüht sich nicht einmal so zu reden, dass ich ihn verstehe.“ … Sprachfehler, wie das Anstoßen der Zunge, und ähnliches sind selten in einem Fehler der Sprechwerkzeuge begründet, sondern Nachlässigkeit. Auch das Stottern geht in vielen Fällen nicht auf körperliche oder nervöse Störungen zurück, sondern ist mit gutem Willen abzugewöhnen.

Na also! Jetzt könnte die Plauderei aber langsam mal beginnen, nur – wie bahnt man das an?

Eine noch etwas derbere und einfachere Art, die Umgebung zu unterhalten und oft deren Beifall zu finden, sind Scherzartikel. Es gibt sehr lustige Dinge zwischen ihnen wie Zucker, der nicht zergeht, sondern im Kaffee schwimmen bleibt, Tellerwackler, Scherzkarten, die beim Herausziehen ein unanständiges Bild zeigen sollen, statt dessen kommt aber ein Stahlbügel herausgesprungen, der den Neugierigen auf die Finger schlägt. Viele andere dieser Scherzartikel können aber weniger empfohlen werden, wie Bonbons, die mit Senf oder Sägespänen gefüllt sind, Zigarren oder Zigaretten, bei denen ein Feuerwerkskörper lospufft, Krawattennadeln oder Abzeichen, aus denen ein Wasserstrahl dem Beschauer ins Gesicht spritzt und Schachteln, aus denen zum Schrecken der Damen eine Maus herausspringt. Nie darf ein Witz darauf hinausgehen, jemanden zu erschrecken, daher erfordert auch das Loslassen dieser kleinen Sensationen einen gewissen Takt, sowie Maß und Ziel.

Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass das Buch ums Thema herumredet. Irgendwie kommt’s nicht zum Plaudern …

Dies aber versöhnt mich, weil es echte Lebenshilfe bietet:

Wenn man das Gespräch elastisch und beweglich gestaltet, so wird jede Frau, jedes Mädchen bald von sich aus einige Schleier lüften und zu erkennen geben, wer und welcher Art sie ist. Damit ist dann viel, wenn nicht alles erreicht, und so wird der Weg für den Mann frei, auf die besondere Art der Geliebten einzugehen.

Wer sagt’s denn – haben sich die 50 Cent fürs Buch ja doch letztendlich gelohnt!

heavy rotation Vol. 15: Patti Smith – twelve

Patti Smith - twelve (CD 2007)Überhaupt bin ich ein Freund gut gemachter Cover-Versionen. Was aber die amerikanische Universalkünstlerin Patti Smith mit ihrem Coveralbum „twelve“ (CD 2007) ablieferte, ist atemberaubend und setzt der musikalischen Nachempfinderei neue Maßstäbe.

Fulminant schon der Auftakt mit Jimi Hendrix´ „Are You Experienced?“ Are you experienced? – Have you ever been experienced? – diese provokante Frage scheint mir das Motto gewesen zu sein, der Leitfaden, aus dem dieses Album gesponnen wurde.

Man wundert sich noch, mit welch sparsamen musikalischen Mitteln man psychedelic erzeugen kann, da überrascht einen als zweiter Track ein Tears For Fears-Song, den man bisher bestenfalls für eine Pop-Perle gehalten hat – „Everybody Wants To Rule The World“. Als Curt Smith und Roland Orzabal den Original-Song 1985 einspielten, waren sie beide in Ihren Mittzwanzigern. Entsprechend glatt klang das damals. Wie anders hört sich das bei einer 2007 schon über sechzigjährigen Smith an – da drückt eine altersweise Stimme dem Werk quasi erst das Echtheitszertifikat auf. Das fasziniert.

Es folgt ein Song, den ich in seinem Original von Neil Young nicht gut ertragen kann: „Helpless“. Young halte ich nicht gerade für einen begnadeten Sänger, leider ist er aber auch kein begnadeter Nichtsänger wie zum Beispiel Mark Knopfler. Nein – wenn Young sich durch diesen Song nölt, skippe ich weiter auf der Fernbedienung. Nicht so bei Patti Smith, die der ewig gleichen drei-Akkord-Abfolge stimmlich doch soviel entgegenzusetzen hat, dass man gern folgt.

Als Nächstes eine frech-schmutzige Version des Stones-Knallers „Gimme Shelter“, danach mit „Within You Without You“ ein Beatles-Cover, bei dem man das gewohnte Sitar-Geklimper überhaupt nicht vermisst. Mit „White Rabbit“ (orig: Jefferson Airplane), „Changing Of The Guards“ (orig: Bob Dylan), „The Boy In The Bubble“ (orig: Paul Simon) und „Soul Kitchen“ (orig: The Doors) reihen sich Song-Perlen zu einer kostbaren Kette.

Highlight des Albums und vielleicht mein Favorit ist Patti Smith´ Version von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“. Klingt das Original laut, zornig, dreckig – „grungig“ eben, entsteht in der Smith-Interpretation eine Mischung von Dichterlesung und melancholischem Folksong mit Banjos und Fiddle.

Es folgt noch eine wunderschön gecoverte Version von „Midnight Rider“ der Allman Brothers und schließlich „Pastime Paradise“, ein Song, von dem ich bisher gar nicht wusste, dass Stevie Wonder ihn geschrieben hat. Ich habe das Stück wohl mit dem Coolio-Hit Gangsta`s Paradise verwechselt, der aber seinerseits so etwas wie eine Cover-Version des Wonder-Songs ist.

Schon aus den Originalen entstünde ein wunderbares Mixtape. Patti Smith aber macht sich jeden dieser Songs zu eigen, sie klatscht die Stücke nicht einfach ab, sondern interpretiert manches um, den ein oder anderen Song adelt sie geradezu. Insgesamt entsteht so etwas ganz Neues. Dabei geht sie Risiken ein, denn sie versucht sich an Songs, die schon längst Klassiker-Status haben. Künstlerische Leichtgewichte würden an einem solchen Unterfangen wohl schnell scheitern …

Top