Empfehlung fürs Wochenende

"The Edison Phonograph" Werbepostkarte (1905)

Das Wetter am Wochenende wird vermutlich „so lala“ – ideal also, um auf Schatzsuche zu gehen in der eigenen Sammlung und selten gehörte Platten aufzulegen. Unter den Flohmarktkäufen des letzten Jahres schlummern einige Scheiben, die ich noch niemals aus der Hülle genommen habe – das Wochenende ist also gerettet!

Abbildung: „The Edison Phonograph“ Werbepostkarte (1905). (public domain, via Wikimedia Commons)

„Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“

Bernhard und Berni

Mein Freund Berni (rechts) mit seinem Vetter Bernhard 1955 in Losser/NL

Hallo, Michael,

Deine Antwort zu Superclean Dreammachine hat mich beflügelt, Dir noch einmal meine frühere kindliche Begeisterung für den Schlager „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ der niederländischen Kilima Hawaiians zu schildern. Natürlich war ich damals keineswegs gefestigt, was musikalischen Hörgeschmack betrifft. Aber das Angebot war seinerzeit – verglichen mit dem Beginn der 1960er Jahre – sehr spartanisch und die Hardware dazu auch, nämlich Kleinradio mit Bakelitgehäuse und magischem Auge in hellgrün. Neben anderen Namen stand auf der Senderwählskala das Wort Beromünster. Damit konnte ich nichts anfangen und mir darunter auch nichts vorstellen. Hörte sich trotzdem spannend an. Heute weiß ich mehr darüber. Aber wer konnte mir das seinerzeit erklären und wo konnte ich nachschauen oder nachblättern? Nun noch mal zum Pferdehalfter zurück.

Wir schreiben das Jahr 1955, ich war neun Jahre alt, konnte schon recht gut niederländisch sprechen und saß bei meinem Vetter Bernhard, der damals als gelernter Elektriker mit knappen 18 Jahren einen örtlichen Schwarzsender mit begrenzter Frequenz betrieb, auf dem sehr beengten Schinkentrockenraum auf dem Dachboden seiner elterlichen Gaststätte (Café hieß das in Holland) im Ortskern von Losser/NL, die heute noch besteht. Das war für mich ein ungeheurer Vertrauensbeweis, denn es geschah ja etwas Illegales. Bernhard erfüllte mit seinem Sender Musikwünsche seiner Freunde und Nachbarn und übermittelte gleichzeitig Grüße und Informationen.

Die Musik kam von einem Philips-Tonbandgerät. Außerdem wurden mit einem sehr einfachen Schallplattengerät Singles abgespielt. Mit dem Pferdehalfter eröffnete Bernhard jeweils seine Sendestunde für seine Hörfreunde. Das waren für mich stets aufregende und abenteuerliche Momente. Ich war dann auch dabei, als die PTT, die niederländische Post, mit ihrem Peilwagen meinem Vetter auf der Spur war, und er mit meiner Hilfe in Windeseile sein gesamtes technisches Equipment zusammenpacken und in einer Wäschetruhe und in Schinkenbeuteln verstauen und verstecken musste. Mein kleines Herz hat mächtig gebubbert, obwohl mir ja eigentlich nichts passieren konnte. Aber da war ich mir seinerzeit nicht so sicher. Soweit ich weiß, hat sich mein Vetter nicht erwischen lassen.

Das Lied der Kilima Hawaiians habe ich natürlich nie vergessen. Bruce Low und auch Ronny kamen damit erst viel später zu Erfolg und Ehren und frischten meine Erinnerungen an den Song und an die Zeit auf dem Schinkenboden wieder auf. Ich fände es angebracht, wenn zum Beispiel Eric Clapton den Pferdehalfter mal so richtig schön bluesig interpretieren würde. Den Text müsste man dann vielleicht wohl „entkitschen“.

Das beigefügte Foto zeigt mich mit meinem Vetter Bernhard 1955 im Garten des Cafés. Ich hatte ein neues Fahrrad bekommen, mit dem ich in den Sommerferien rund 20 Kilometer von Schüttorf nach Losser gefahren bin.

Mit bestem Gruß

Berni

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R.I.P. – Norbert B.

Er verlor seine Stelle, als ein Osnabrücker Autohersteller für immer die Tore schloss.
Norbert B. wurde daraufhin Mitarbeiter in einem sozialen Kaufhaus – ich glaube, auf 400€-Basis. Körperlich war er nicht sehr belastbar, deshalb steckte man ihn schließlich in die bis dahin vernachlässigte Ecke mit den gebrauchten Schallplatten.

plattenregalFortan blühte B. geradezu auf. Innerhalb kurzer Zeit brachte er Ordnung ins Sortiment. Er besorgte Regale, sortierte die Alben nach Musikrichtungen, ersetzte verschlissene Innenhüllen und bearbeitete die Platten sorgfältig mit Mikrofasertüchern. Kurzum – aus der Schmuddelecke mit den schwarzen Scheiben wurde so etwas wie ein kleiner Plattenladen. Und einige Ahnung von Musik hatte B. offenbar auch, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte.

Eines Tages nahm er mich beiseite: „… ich muss Ihnen was sagen – Sie sind mein Lieblingskunde!“ Zunächst war ich sehr überrascht. Dann erklärte er mir, ich sei der einzige von den Plattenfans, der ihn begrüßte, mit Namen ansprach und mal mit ihm redete. Nach meinem Empfinden Selbstverständlichkeiten, aber wohl längst nicht für alle, wie er mir versicherte. Es gäbe Leute, die sähen glatt durch ihn durch, wenn sie in den Regalen stöberten. „Kann ich Ihre Handynummer haben, dann rufe ich Sie an, wenn was interessantes Neues reinkommt! Sie sind dann der erste, der in die Kiste gucken darf!“

Damit brachen goldene Zeiten an für meine Plattensammlung! So manches Mal konnte ich wunderbare Schnäppchen machen, gerade auch auf den Gebieten des Jazz und der progressiven Rockmusik. Solche Platten sind bei Haushaltsentrümplern absolute Ringeltauben, denn meist werden ja die Nachlässe älterer Menschen aufgelöst, was Unmengen von James-Last-Alben in die Grabbelkisten schwemmt.

Es war nicht so einfach, mich in irgendeiner Form zu revanchieren. Tabakwaren und Alkoholika kamen für mich nicht infrage. Auch noch so kleine Geldzuwendungen verboten sich – B. wäre in Teufels Küche gekommen, wenn das aufgeflogen wäre. Als ich ihm mal einen großen Schokoladen-Nikolaus mitbrachte, hatte ich die Lösung gefunden 🙂 … Ab und zu eine Tafel Schokolade – das war unverfänglich.

Ich weiß gar nicht zu sagen, wann er so krank wurde, dass er nicht mehr arbeiten konnte – das mag vor zwei Jahren gewesen sein. Ein paarmal haben wir noch telefoniert. So erfuhr ich, wie es um ihn stand. Wie’s aber so ist, verblieben auch diese Anrufe nach einiger Zeit.

Gestern fand ich in der Zeitung seine Todesanzeige.

Klaus Doldinger Passport – Ataraxia (LP 1978)

Klaus Doldinger und seine Gruppe Passport öffneten mir Mitte der 70er Jahre einen ersten Zugang zum Jazz. Das mag am hohen Rock-Anteil der Musik gelegen haben, allerdings auch am ein oder anderen extrem tanzbaren Partyknaller. Gutes Beispiel: das Stück Locomotive vom Album Ataraxia (1978), damals ein Muss auf jeder Studentenfete.

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Seit Jahren besitze ich Ataraxia auf CD. Gestern trieb mich eine Laune zum Haushaltsentrümpler meines Vertrauens. Als ich die Platten durchsehe, traue ich meinen Augen kaum: ich finde das Album als AMIGA-Pressung, und das in Top-Zustand! Wie sich zuhause herausstellt, braucht die Scheibe lediglich einen Durchgang auf der Plattenwaschmaschine, um wie ungespielt zu klingen!

Klaus Doldinger Passport - Ataraxia (LP 1978)Ich weiß – diese Scheibe ist nichts Seltenes, aber ich freue mich trotzdem, so ein gutes Stück für einen Euro ergattert zu haben. Beim abwechselnden Hören von CD und LP stellt sich zudem heraus, um wieviel besser die Vinylscheibe klingt – beide Tonträger kommen nun in ein Extra-Eckchen der Sammlung, in dem das Material für Hörtests mit den Audiofreunden aufbewahrt wird!

David Bowie ist tot.

Tobias Rüther: Helden - David Bowie und BerlinDas gefällt mir gar nicht …

Gerade habe ich mir ein paar seiner Platten zurechtgelegt und außerdem das sehr empfehlenswerte Buch von Tobias Rüther „Helden – David Bowie und Berlin“. Den heutigen Abend werde ich hörend und schmökernd mit Erinnerungen verbringen, die auf die eine oder andere Weise mit diesem großen Künstler verbunden sind. Davon gibt es einige …

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