Reich beschenkt

Gestern abend klingelt es an der Tür. Ich öffne und übersehe beinahe das kleine dreijährige Nachbarsmädchen, das mir stolz ein langspielplattenför- miges Paket entgegenstreckt, das die Post bei ihrer Mutter abgegeben hat. Da ich nirgends etwas bestellt habe, wundere ich mich ein wenig. Ich öffne das gut gepackte Gebinde und finde tatsächlich drei Langspielplatten sowie ein Begleitschreiben:

Lieber Herr Münch,

per Zufall bin ich auf Ihre Internet-Seite gestoßen und vor Begeisterung fast in die Luft gesprungen. Da bauen Menschen nicht nur Röhrenverstärker, sondern sie beschäftigen sich sogar noch mit Musik (…). Und treffen sich, um den Abend nicht mit der Bewunderung ihrer Selbstbauaktivitäten zu verbringen, sondern um sich wechselseitig Musik vorzustellen. Toll! Wäre ich jünger und fahrfreudiger, wäre ich stark versucht gewesen, mich zu Ihrer nächsten Hörsession selbst einzuladen!

Aber vielleicht kann ich ja im ideellen Sinne teilnehmen, wenn eine dieser Schallplatten Ihren Hörgeschmack trifft. Jedenfalls freue ich mich, wenn Sie eine davon vorstellen könnten.
(…)
Vielleicht macht irgendwas davon Ihnen soviel Freude, wie ich sie beim Lesen des Radionisten hatte!

Mit freundlichen Grüßen für einen musikalischen Advent

Soviel Lob freut mich natürlich, außerdem bedanke ich mich sehr herzlich für die folgenden drei LPs:

Miles Davis - Sketches Of Spain (LP 1960)Miles Davis – Sketches Of Spain (LP 1960)

Auf Miles Davis´ Vorgängeralbum von 1959 Kind of Blue gab es mit Flamenco Sketches – den „Flamenco-Skizzen“ – schon ein „spanisches“ Stück. 1960 folgte dann ein ganzes Album mit „Spanischen Skizzen“: Sketches Of Spain. Das für mich zentrale Stück ist Davis´ mehr als 16-minütige Interpretation des 2. Satzes (Adagio) des Concierto de Aranjuez von Joaquin Rodrigo. Zur Zeit des Erscheinens nicht von allen Kritikern für Jazz gehalten, bekam das Album dennoch 1961 einen Jazz-Grammy.Der zweite Satz des Konzerts war in seiner Urfassung für Gitarre und Orchester auch schon Teil des 9. Hörabends am 16. November. Ich mag das Konzert sehr, auch die Interpretation von Miles Davis. Es sei mir erlaubt, auf eine weitere Fassung dieses berühmten zweiten Satzes hinzuweisen: in der britischen Sozial-Tragikomödie Brassed Off geht es um ein britisches Bergarbeiter-Blasorchester in der Ära Thatcher, das an nationalen Wettbewerben teilnimmt, während gleichzeitig die Schließung ihrer Zeche beschlossen und auch in die Tat umgesetzt wird. In einer Szene des Films probt die Band den zweiten Satz des Aranjuez-Konzerts. Sehr eindrucksvoll als charismatischer, despotischer Orchesterleiter der mittlerweile – wie es der Kabarettist Jochen Malmsheimer ausdrücken würde – völlig zu Unrecht verstorbene Pete Postlethwaite, der das Stück so ankündigt: “ … allright lads – Rodrigo, Concerto De Orange Juice!“

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The Honeydrippers - Volume One (EP 1984)The Honeydrippers – Volume One (EP 1984)

1981 gründete Robert Plant, der Sänger der 1980 wegen des Todes des Schlagzeugers John Bonham aufgelösten Supergroup Led Zeppelin, sein kurzlebiges Projekt The Honeydrippers. Plant scharte hochkarätige Musiker wie seinen Zep-Kollegen und Gitarristen Jimmy Page, den (wie Page) ex-Yardbird-Gitarristen Jeff Beck und den Chic-Gitarristen Nile Rodgers um sich, um vorwiegend an den 50er und 60er Jahren orientierten Blues, R&B und Rock’n’Roll zu spielen. Ahmed Ertegün, Chef von Atlantic Records, suchte eine Band, die seine 50er-Jahre Lieblingsstücke einspielen sollte. Seine Wahl fiel auf die Honeydrippers, und so erschien im Jahr 1984 das einzige Album der Band Volume One, mit nur fünf Tracks eher eine EP denn eine LP. Ein Stück von dieser Platte – die Ballade Sea Of Love (YouTube-Video) – wurde der kommerziell größte Hit der Band und damit Robert Plants. Das hat ihn aber wohl eher erschreckt. Er soll später gesagt haben, er habe nicht als Crooner in die Musikgeschichte eingehen wollen. Vielleicht war das das Ende dieser Band … ? Ich selbst mag diese Ausflüge „harter Rockmusiker“ in die etwas leichteren musikalischen Gefilde allerdings sehr. Immerhin sind die härteren Rock-Gangarten ja aus Rock’nRoll, Rockabilly und Blues hervorgegangen.

Ivan Moravec - Piano Works - Claude Debussy, Maurice Ravel (1967, LP 1990)Ivan Moravec – Piano Works – Claude Debussy, Maurice Ravel (1967, LP 1990)

 

heavy rotation Vol. 10: Patricia Barber – A Fortnight In France

Patricia Barber - Live - A Fortnight In France (CD 2004)Für mich ein Höhepunkt des letzten Hörabends war ein von Berni vorgestelltes Stück: „Norwegian Wood“, der bekannte Beatles-Song, in der Interpretation von Patricia Barber und Band.

Nach einem perlenden Piano-Intro mit verhaltenem Gesang von Barber setzt vorsichtig der Bass Michael Arnopols ein und übernimmt für einen Moment die Führung. Wenig später gesellt sich das feine Schlagzeug von Eric Montzka dazu. Die Sache nimmt Fahrt auf. Barber improvisiert am Piano zum Norwegian-Wood-Thema, die Rhythmusfraktion swingt dazu, was das Zeug hält. Dann plötzlich Neal Algers E-Gitarre, die das Thema von Barber übernimmt. Die nimmt sich am Piano stark zurück, – eine ungeheure Spannung baut sich auf. Nochmal kleine Gesangseinlage, dann setzt die Band angetrieben vom Schlagzeug zum Finale an. Begeisterung beim Publikum! Und bei mir auch …

Berni hatte das Stück auf einem Blue-Note Sampler „The Cover Art Of Blue Note“ entdeckt. Ich wollte aber noch mehr hören von Barber und ihrer famosen Band, also bestellte ich flugs das Live-Album „A Fortnight In France“, das seither selten mal die CD-Player-Schublade verlassen hat! Über eine Stunde feinster Piano-Quartett-Jazz mit leichtem Fusion-Einschlag.

Wer sich das mal anschauen will, dem sei folgendes 10-minütige YouTube-Video empfohlen, in dem die Band das Stück zwar etwas anders aufbaut, als für den Album-Track beschrieben, allerdings ändert dies nichts am Charakter der Interpretation:

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Lieber Greg Lake,

heute bekam ich einen gehörigen Schreck: als ich an nichts Böses denkend im Baumarkt an den Regalen entlangschlenderte, um noch ein paar Schrauben und Kleinteile für ein Röhrenverstärker-Projekt zusammen zu suchen, haute mir unvermittelt die Musikberieselungsanlage Dein unsäglich kitschiges „I Believe In Father Christmas“ um die Ohren.

Als Balladensänger auf der ersten Platte In The Court Of The Crimson King von King Crimson hast Du mir noch sehr gefallen. Später – bei Emerson, Lake & Palmer – sangst Du in ähnlichem Stil solche herrlichen Songs wie „Lucky Man“ oder „From The Beginning“. Da war’s noch in Ordnung. Aber spätestens ab Works Vol.I, dem ersten etlicher schlechter ELP-Alben, wurden Deine Beiträge unerträglich schmalzig. Und auf Works Vol.II – dem künstlerischen Ausverkauf einer einst progressiven, innovativen Band – triebst Du’s mit „I Believe In Father Christmas“ auf die Spitze in die Grube. Ein jämmerliches Liedchen auf einem ärgerlich schlechten Album.

Und jetzt spielen sie Dich im Baumarkt, um die armen Kunden zu berieseln. Kann’s einem Song noch schlechter ergehen?

Hannes Wader – Tourneeauftakt

Hannes Wader - Nah dran (CD 2012)Heute Abend erleben die Liebste und ich im Kasinosaal hier in Georgsmarienhütte den mittlerweile 70jährigen Hannes Wader beim Auftaktkonzert seiner Herbsttournee.

Der Saal ist proppenvoll – das Publikum so unsere Altersklasse (Mitte 50) und älter. Alles Leute, die mit Waders Liedern groß geworden sind. Ein zu Anfang sichtlich nervöser Künstler schlägt schon mit den ersten Liedern das Publikum in seinen Bann. Bestens bei Stimme und sicher am Instrument eröffnet er wie immer das Konzert mit dem unverzichtbaren „Heute hier, morgen dort“. Dass er die Lyrics von einem dezent auf einem Notenständer installierten Monitor abliest, nimmt ihm niemand übel. Seine Texte waren schon immer recht komplex, so dass er nie vor Aussetzern gefeit war. Wenn er sowas durch Einsatz von Technik vermeiden kann, dann sei`s drum!

„Hannes Wader – Tourneeauftakt“ weiterlesen

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