Prince of the Blood – Portsmouth (LP 1987)

Prince of the Blood - Portsmouth (LP 1987) , Cover-Foto & Design © by Michael Münch
Cover-Foto & Design © by Michael Münch

Am letzten Sonntag fand der jährliche große Flohmarkt im nahe gelegenen Georgsmarienhütter Stadtteil Oesede statt – für mich ein Pflichttermin, denn dort wurde ich in Sachen Vinyl-Platten noch jedes mal fündig. Auch diesmal suchte ich nicht vergebens: insgesamt knapp 50 Schallplatten gingen für einen Durchschnittspreis von € 1,50 in meinen Besitz über. Besonders freue ich mich über diese Platte: die LP Portsmouth der Georgsmarienhütter Band Prince of The Blood. An der Entstehung des Album-Covers war ich nämlich beteiligt.

Im März des Jahres 1986 schickte mich die Zeitung ins Harderberger Tonstudio von Mick Franke, um Fotos für eine Reportage über seine Arbeit zu schießen. Franke war in der Musikszene kein Unbekannter: als früher Wegbegleiter von Heinz Rudolf Kunze wirkte er an dessen ersten drei Alben mit. Zu der Zeit lebte Kunze noch in Osnabrück, bevor er 1989 nach Hannover zog, doch das sei nur am Rande bemerkt.

der Musiker und Produzent Mick Franke 1986 © by Michael Münch
der Musiker und Produzent Mick Franke 1986 © by Michael Münch

Als ich im Studio auftauchte, platzte ich in die Aufnahmearbeiten an der oben gezeigten LP. Ich freundete mich ein wenig mit den Musikern der Band Prince of the Blood an und machte in der Folgezeit die ein oder anderen Fotos für Promozwecke und dergleichen.

Prince of The Blood – Bandfoto 1986/87 © by Michael Münch
Prince of The Blood – Bandfoto 1986/87 © by Michael Münch

Auf diesem Bandfoto sieht man den kleinen Matrosen, der auch zum Helden des Albumcovers wurde.

Kontaktabzug © by Michael Münch
Kontaktabzug © by Michael Münch

Die Band existierte meines Wissens nicht mehr lange und ihre Mitglieder habe ich längst aus den Augen verloren. Gelegentlich mal hatte ich mit Mick Franke zu tun. Der starb aber plötzlich und unerwartet im April 2001.

Das Musikalbum ist mir verloren gegangen, als ich vor 25 Jahren all meine damaligen Vinylscheiben zugunsten des Sammelns von CDs weggegeben habe – welch ein Irrweg! Jetzt spielte mir der Zufall ein gut erhaltenes Exemplar der LP in die Hände. Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich die Musik von damals und bin begeistert.

Sultans of Swing, Diskothek “Keller” und Che’Coolala

Dire Straits - Dire Straits (LP 1978)Ich geb’s gerne zu: ich habe eine gewisse Schwäche für die Musik der Dire Straits und Mark Knopflers. Ich weiß auch noch, wo ich zum allerersten Mal „Sultans of Swing“ gehört habe. Das war mit großer Sicherheit in der Diskothek „Keller“ in Dortmund in der Geschwister-Scholl-Straße unweit des Jugend-Zentrums Fritz-Henßler-Haus. 1978 muss das gewesen sein.

Damals schien es an aktuell angesagter Musik nur Punk und Reggae zu geben. Der Punk grub der progressiven Rockmusik das Wasser ab: Virtuosität am Instrument schien plötzlich verpönt. Emerson, Lake & Palmer, die ihre große Zeit in den Jahren 1970 bis 1973 hatten, legten schon 1977 mit dem Album Works Vol. I ihren künstlerischen Offenbarungseid ab. Gentle Giant gaben 1980 auf, nachdem sie in den letzten zwei, drei Jahren ihres Bestehens mit dem Versuch, kommerzieller zu werden und auch mal Geld zu verdienen, auch den letzten Rest Ihres an progressiver Musik interessierten Publikums verprellt hatten. Genesis verkamen nach dem Weggang von Peter Gabriel im Jahr 1975 unter der Ägide von Phil Collins zunehmend zur Schlagercombo. Yes waren Ende der 70er Jahre nach einem eher misslungenen kommerzielleren Experiment – dem Album Tormato – in Auflösung begriffen. Progressive Rock veränderte sich in Richtung Mainstream. Das ließ schließlich viele Proggies zu Reggae-Fans werden. Ich hab das auch versucht. Das scheiterte aber an der Musik.

Ja, und dann kam der Tag, als ich zum ersten Mal „Sultans of Swing“ hörte. Ich traute meinen Ohren kaum: das war virtuoseste, geerdete Gitarrenmusik, wie ich sie so frisch schon lange nicht mehr gehört hatte! Da schien jemand den Rock’n’Roll und den Blues mit Löffeln gefressen zu haben. Und der Gitarrist war einfach unglaublich gut! Es folgte der sofortige Kauf der ersten Dire-Straits-LP. All die Jahre bin ich erst den Dire Straits und dann Mark Knopfler treu geblieben. Vor zwei Jahren sahen die Liebste – die in diesem Fall meine Begeisterung teilt – und ich den Meister live in Würzburg auf der Festung, als er mit seinem Solo-Album Get Lucky auf Tour war.

Den „Keller“ gibt es jetzt, 34 Jahre später, immer noch: ->Homepage. Ich habe übrigens eine lebhafte Erinnerung an einen Typen, der dort zum Personal gehörte: lang, unglaublich dünn, schwarze Haare, bahnte er sich mit seinem Serviertablett den Weg durch das Partyvolk. Anstatt aber Bestellungen aufzunehmen und dann das Zeug zu bringen packte er sich sein Tablett am Tresen voll mit Gläsern, stiefelte los, baute sich wahllos vor irgendwem auf, guckte tief in die Augen seines Gegenübers und dann redete er los „…Bier, Cola, Bier, Cola, Bier, Cola, Bier, Cola, Bier…?“, dass einem unheimlich wurde… Er konnte das in einer irrsinnigen Geschwindigkeit, als sei er der Sprecher der Black & Decker-Werbung. Verrückter Kerl!

„Meine“ ersten Punks erlebte ich allerdings nicht im „Keller“, sondern in einer Szene-Kneipe, die 1980 in Dortmund-Dorstfeld aufmachte: im Che’Coolala, das es, wie ich vorhin herausbekommen habe, wohl auch noch gibt. Ich weiß nicht, ob es da noch so ist – damals jedenfalls traf man dort einfach jegliche Art von Leuten. Studenten, Hausbesetzer, Linke, Autonome, Ökos, Friedensbewegte, Nachbarn und eben eines Tages auch Punks.

Ich saß mit der Liebsten am Tresen, wartete auf meinen vegetarischen Auflauf – kochen konnten die da gut! – und wollte noch rasch Tabak und Zigarettenblättchen besorgen. Ein Automat hing im Nebenraum, wo der Billardtisch stand. Ich also dort hin, komme um die Ecke und sehe: Billard spielende Punks…! Ehrlich gesagt wusste ich in dem Moment nicht so recht, ob ich lieber wieder umdrehen sollte, denn mit Punks hatte ich bis dahin nichts zu tun gehabt, na ja… Aber der Lungenschmacht siegte, und so schlich ich zum Tabakautomaten, warf mein Geld ein und – nichts, das Scheißding blockierte, ich kriegte den verdammten Tabak da nicht raus, Mist! Das merkte einer der Punks, kam langsam auf mich zu, schob mich beiseite – „…lass‘ mich mal!“ – holte aus und versetzte dem Automaten einen donnernden Schlag. Die Warenschublade sprang auf, der Punk griff nach meinem Tabak und den Blättchen, knallte mir beides in die Hand und meinte nur „…da haste!“.

Netter Kerl. Ja, wirklich…

Hannes Wader zum Siebzigsten

Es war im Jahr 1977, ich wohnte zu der Zeit notgedrungen in Göttingen. Adresse: Zieten-Kaserne, ich gammelte dort meinen Wehrdienst ab. In die Göttinger Studentenkneipen traute ich mich nur selten – allzu sehr fiel man auf in der Szene, wenn man rappelkurze Haare hatte. Es war einfach zu blöd, sich dauernd für etwas rechtfertigen zu sollen, in das man einfach nur so reingerutscht war. Ich wäre weiß Gott lieber Student als „W15er“ gewesen… Dennoch zog mich eine Kneipe sehr an, das war der Nörgelbuff, damals die Folkkneipe in Göttingen.

Eines Tages stand ich schon recht früh im Nörgelbuff. Es war nicht viel los dort, es war wohl ein Abend ohne Live-Musik. Ich lehnte am Tresen und orderte ein Bier. Jemand stellte sich neben mich, um auch irgendwas zu bestellen. Die Stimme kam mir bekannt vor, deshalb sah ich mir den anderen an: es war Hannes Wader. Den hatte ich bisher nur im Fernsehen gesehen! Aber ich konnte fast alle seine Texte mitsingen, kannte alle seine Platten – er war ein Idol für mich! Jetzt wäre Gelegenheit gewesen, 1000 Fragen zu stellen, seine Texte zu loben, ihn um ein Autogramm zu bitten – was weiß ich noch… Aber ich hab’s nicht getan, habe mich nicht getraut. Dachte, das sei dem als schweigsam bekannten Wader sicher zu blöd, außerdem war ich erst 20 Jahre alt und noch ziemlich unfertig. Was, wenn er – der Friedensbewegte – in mir nur den jungen Soldaten gesehen hätte, der nicht den Mumm hatte, sich der Bundeswehr zu verweigern? Ich hatte einfach nicht den Mut, diesen Mann anzusprechen…

In der Folgezeit sah ich Hannes Wader recht häufig. Zur Zeit meines Studiums in den späten 70er und frühen 80er Jahren in Dortmund trat er oft ganz in der Nähe auf Jugendfestivals, Ostermärschen und Friedensdemos auf. Ich sah ihn über die Jahre mehrmals bei Auftritten in Osnabrück und Georgsmarienhütte, in den Jahren 2001 und 2010 erlebte ich ihn zusammen mit Konstantin Wecker auf der Waldbühne in Kloster Oesede, keine zwei Kilometer von hier.

Noch immer kann ich Wader-Texte mitsingen – besonders die der frühen, bissigen Lieder. Vor 27 Jahren schaukelte ich eine Weile lang jeden Abend zu „Steh´ doch auf, du armer Hund“ meinen Erstgeborenen in den Schlaf. Manche Liedzitate sind bei uns in den familieninternen Sprachgebrauch übergegangen. Fragt uns eine/r, ob bei uns alles ok ist, antworten wir zuweilen mit einer Zeile aus dem Lied „Charley“: „…alles wie es sein sollte, ruhig und normal!“ Und sehe ich ein weibliches Wesen, das – obwohl es könnte – so gar nichts aus sich macht und überhaupt keine Ausstrahlung hat, liegt mir gleich „…eine Frau, die so aussieht wie ein Mann sie erwählt, dem jeglicher Sinn für schöne Dinge fehlt…“ auf der Zunge, ein Textausschnit aus „Aufgewachsen auf dem Lande“.

Hannes Wader war in all den Jahren ein „gefühlter“ Freund, obwohl wir nie ein Wort miteinander gewechselt haben. Vielleicht war es ganz gut, dass ich damals im Nörgelbuff die Klappe gehalten habe. Wäre das Gespräch irgendwie gescheitert, hätte ich im Leben einen Freund weniger gehabt…

Es gibt ein Lied von Hannes Wader, das ich besonders liebe, es heißt „Unterwegs nach Süden“. Ein Textzitat daraus hat mich gelegentlich wieder aufgebaut und ist mir deshalb sehr teuer: „…und wenn ich erst den Namen kenne, bringt dies Gift mich nicht mehr um!“

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Ich mag den Reggae immer noch nicht…

Vor kurzem schenkte mir ein Freund einen ganzen Schwung äußerst gut gepflegter Schallplatten. Es sind wirklich sehr schöne Sachen dabei, unter anderem ein paar wunderbare Krautrock-LPs von Novalis.

Bob Marley & The Wailers - Uprising (LP 1980)Aber eben auch diese Scheibe von Bob Marley & The Wailers: Uprising.

Anfang der 80er lebte ich in Dortmund, studierte Fotodesign an der dortigen Fachhochschule. Musikmäßig war ich schon sehr interessiert, aber für mich gab’s damals nicht wirklich was zu entdecken. Langsam sickerte – im Vergleich zu Großbritannien mit jahrelanger Verspätung – der Punk in die Szene ein. Gleichzeitig – quasi als Gegenstück zum Punk – etablierte sich in der sich für intellektuell haltenden studentischen Szene der Reggae. Man konnte kein Bein mehr ziehen – wo man hinkam, waberten einem dieser Reggae und die Wolken der wohl unweigerlich dazu zu gehören scheinenden, das Bewusstsein erweiternden Substanzen entgegen. Vielleicht musste man sich aber auch zudröhnen, um diese Musik zu verstehen, was weiß denn ich.

Mir selber gingen meine musikalische Helden verloren. Gentle Giant gaben 1980 auf, Genesis waren nach dem Weggang von Peter Gabriel 1975 in meinen Ohren zu Verrätern an all dem geworden, für das sie meiner Meinung nach mal gestanden hatten. Auch Yes, die mich im Herbst 1977 noch live in der Dortmunder Westfalenhalle begeistern konnten, hatten einen Durchhänger. Eine Zeitlang tröstete ich mich mit The Police, die aber von Album zu Album kommerzieller und damit uninteressanter wurden.

Ja, der eigene Musikgeschmack war damals noch sehr schubladisiert. Nicht, dass ich nicht versucht hätte, Bob Marley & The Wailers toll zu finden – indes, das scheiterte an der Musik.

Heute traute ich mich nun endlich, die Marley-Scheibe mal aufzulegen. Ich hoffte auf ein aha-Erlebnis, aber das blieb aus. Ich mag den Reggae wohl immer noch nicht…

Emerson, Lake & Palmer – Pictures At An Exhibition (1971)

Emerson, Lake & Palmer – Pictures At An Exhibition (1971)Es war 1972. Musikunterricht in der Obertertia (wer kennt diese Klassenbezeichnung noch?) des Engelbert-von-Berg-Gymnasiums in Wipperfürth. Unser neuer Musiklehrer ein ganz frischer Studienassessor namens Feik. Ein 68er mit langen Haaren – bot uns gleich das Du an. Bestand der Unterricht im Fach Musik bis dahin aus schiefem Singen, wurden nun Schallplatten gehört. Ich erinnere mich an „Jesus Christ Superstar“, vor allem aber an Pictures At An Exhibition von ELP im Vergleich zu Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“.

Heute höre ich die ELP-Scheibe nach sehr langer Zeit wieder, erinnere mich an meine alte Bildungsanstalt, hinter mir gelassen vor beinah 40 Jahren. Treibe mich auf den Homepages des EvB und des Fördervereins herum, erkenne aber lediglich den Altbau und erinnere mich an nur wenige Namen. Einer sticht hervor: Werner Busack, der Biologielehrer mit der Beinprothese. Gestorben 1979…

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