Ich geb’s gerne zu: ich habe eine gewisse Schwäche für die Musik der Dire Straits und Mark Knopflers. Ich weiß auch noch, wo ich zum allerersten Mal „Sultans of Swing“ gehört habe. Das war mit großer Sicherheit in der Diskothek „Keller“ in Dortmund in der Geschwister-Scholl-Straße unweit des Jugend-Zentrums Fritz-Henßler-Haus. 1978 muss das gewesen sein.
Damals schien es an aktuell angesagter Musik nur Punk und Reggae zu geben. Der Punk grub der progressiven Rockmusik das Wasser ab: Virtuosität am Instrument schien plötzlich verpönt. Emerson, Lake & Palmer, die ihre große Zeit in den Jahren 1970 bis 1973 hatten, legten schon 1977 mit dem Album Works Vol. I ihren künstlerischen Offenbarungseid ab. Gentle Giant gaben 1980 auf, nachdem sie in den letzten zwei, drei Jahren ihres Bestehens mit dem Versuch, kommerzieller zu werden und auch mal Geld zu verdienen, auch den letzten Rest Ihres an progressiver Musik interessierten Publikums verprellt hatten. Genesis verkamen nach dem Weggang von Peter Gabriel im Jahr 1975 unter der Ägide von Phil Collins zunehmend zur Schlagercombo. Yes waren Ende der 70er Jahre nach einem eher misslungenen kommerzielleren Experiment – dem Album Tormato – in Auflösung begriffen. Progressive Rock veränderte sich in Richtung Mainstream. Das ließ schließlich viele Proggies zu Reggae-Fans werden. Ich hab das auch versucht. Das scheiterte aber an der Musik.
Ja, und dann kam der Tag, als ich zum ersten Mal „Sultans of Swing“ hörte. Ich traute meinen Ohren kaum: das war virtuoseste, geerdete Gitarrenmusik, wie ich sie so frisch schon lange nicht mehr gehört hatte! Da schien jemand den Rock’n’Roll und den Blues mit Löffeln gefressen zu haben. Und der Gitarrist war einfach unglaublich gut! Es folgte der sofortige Kauf der ersten Dire-Straits-LP. All die Jahre bin ich erst den Dire Straits und dann Mark Knopfler treu geblieben. Vor zwei Jahren sahen die Liebste – die in diesem Fall meine Begeisterung teilt – und ich den Meister live in Würzburg auf der Festung, als er mit seinem Solo-Album Get Lucky auf Tour war.
Den „Keller“ gibt es jetzt, 34 Jahre später, immer noch: ->Homepage. Ich habe übrigens eine lebhafte Erinnerung an einen Typen, der dort zum Personal gehörte: lang, unglaublich dünn, schwarze Haare, bahnte er sich mit seinem Serviertablett den Weg durch das Partyvolk. Anstatt aber Bestellungen aufzunehmen und dann das Zeug zu bringen packte er sich sein Tablett am Tresen voll mit Gläsern, stiefelte los, baute sich wahllos vor irgendwem auf, guckte tief in die Augen seines Gegenübers und dann redete er los „…Bier, Cola, Bier, Cola, Bier, Cola, Bier, Cola, Bier…?“, dass einem unheimlich wurde… Er konnte das in einer irrsinnigen Geschwindigkeit, als sei er der Sprecher der Black & Decker-Werbung. Verrückter Kerl!
„Meine“ ersten Punks erlebte ich allerdings nicht im „Keller“, sondern in einer Szene-Kneipe, die 1980 in Dortmund-Dorstfeld aufmachte: im Che’Coolala, das es, wie ich vorhin herausbekommen habe, wohl auch noch gibt. Ich weiß nicht, ob es da noch so ist – damals jedenfalls traf man dort einfach jegliche Art von Leuten. Studenten, Hausbesetzer, Linke, Autonome, Ökos, Friedensbewegte, Nachbarn und eben eines Tages auch Punks.
Ich saß mit der Liebsten am Tresen, wartete auf meinen vegetarischen Auflauf – kochen konnten die da gut! – und wollte noch rasch Tabak und Zigarettenblättchen besorgen. Ein Automat hing im Nebenraum, wo der Billardtisch stand. Ich also dort hin, komme um die Ecke und sehe: Billard spielende Punks…! Ehrlich gesagt wusste ich in dem Moment nicht so recht, ob ich lieber wieder umdrehen sollte, denn mit Punks hatte ich bis dahin nichts zu tun gehabt, na ja… Aber der Lungenschmacht siegte, und so schlich ich zum Tabakautomaten, warf mein Geld ein und – nichts, das Scheißding blockierte, ich kriegte den verdammten Tabak da nicht raus, Mist! Das merkte einer der Punks, kam langsam auf mich zu, schob mich beiseite – „…lass‘ mich mal!“ – holte aus und versetzte dem Automaten einen donnernden Schlag. Die Warenschublade sprang auf, der Punk griff nach meinem Tabak und den Blättchen, knallte mir beides in die Hand und meinte nur „…da haste!“.
Netter Kerl. Ja, wirklich…