Breitband-Diskussion

SABA Cello

Nach wie vor reibt sich ein Teil der Leserschaft an den im Buch „Höchst empfindlich“ veröffentlichten Verstärker- und Lautsprecherkonzepten. Mitautor Götz Wilimzig bekommt nicht selten Zuschriften mit Fragen und Anregungen hierzu. Eine aktuelle Email hat er nun an mich weitergeleitet. Ich solle doch mal überlegen, ob wir die nicht im Team beantworten wollen – hier im Audionisten-Blog.


Leserbrief

Sehr geehrter Herr Wilimzig und wertes Autorenteam,

mit Genuss und auch Erstaunen habe ich Ihr Buch „Höchst empfindlich“ gelesen und auch einige Prinzipien an meinem EL84 SE Verstärker umgesetzt.
Was mich allerdings immer wieder irritiert, ist die Umsetzung des Lautsprecher-Konzeptes! Ein Beyma, aber auch ein alter ovaler Radiolautsprecher bringen einfach nicht das nötige Volumen. Der Bassbereich wird doch sehr arg eingeschränkt wiedergegeben! 🙁
Nein, ich bin kein Liebhaber der Disco- oder gar Technomusik mit ihren extremen Tiefen. Aber so ein Beyma fällt bei ca. 100Hz an zu sinken und was bei 60, 70 Hz noch an Schalldruck abgegeben wird, dürfte wirklich marginal sein!
Was nützt mir dann ein so kleiner Ausschnitt des Spektrums, wenn das Volumen irgendwie zu kurz kommt?
Aber mein Hauptproblem bleiben einfach die Tiefen! Das muss nicht gleich bis 20Hz runter gehen, aber 40, 50 wären schon gut gewesen. Von daher habe ich halt meine Zweifel an dem gesamten Lautsprecher Konzept! Muss ich der Nostalgie geschuldet so viele Abstriche machen? 🙂
Sehe das natürlich auch unter dem Aspekt des Lobliedes, das in dem Buch gesungen wird!
Dass Breitbänder grundsätzlich auch Stärken haben, will ich ebenfalls nicht bestreiten. Aber Ihr Fazit von der großen Güte der Wiedergabe von Radiolautsprechern kann ich derzeit einfach noch nicht bestätigen!

Mit freundlichen Grüßen
(Name ist der Redaktion bekannt)


Unsere Antwort

SABA Cello
SABA Cello
Lieber Audiofreund,

Sie sind kein Anhänger der alten – oder auch neuen? – Breitbänder. Müssen Sie nicht sein, niemand zwingt Sie. Sie haben vielmehr die volle Freiheit, zu hören mit welchem Lautsprecher auch immer Sie wollen. Sie finden die Tugenden, die manche anderen Menschen an (einigen!) Breitbändern finden, einfach nicht wieder – wenn wir das recht verstehen. Kein Problem! Wir finden dutzendweise bei neuen Lautsprechern die Tugenden nicht wieder, die Vertrieb und Reviewer ihnen andichten!

Leider haben Sie weder technische Forderungen genannt noch Messschriebe beigefügt, die Ihr Unbehagen verdeutlichen könnten. Vielleicht beziehen Sie sich auf die Dinge, die im Internet verbreitet worden sind. Da gibt es zum Beispiel Troels Gravesen, einen dänischen Lautsprecherentwickler, der stellvertretend für viele alte Breitbänder mal den Saba Greencone untersucht hat. Und, siehe da, im sogenannten Reso-Gehäuse läuft der Saba bis 50 Hz runter – nach Troels Gravesens eigenen Messungen. Ja, was kann der Mann dann gegen so einen Lautsprecher haben? Dieses Rätsel ist keines, denn was moderne Lautsprecherentwickler gegen solche Konzepte haben, ist mehrfach publiziert worden, auch bei Herrn Gravesen selbst.

Der Forderungskatalog der Moderne schließt den Breitbänder schlichtweg aus. Wenn wir einen Schallpegel von 95dB bei kleinem Klirr, meist wird 1% genannt, haben wollen, dann gibt es keinen Breitbänder, der das erfüllen kann. Und darüber hinaus kann man noch das beaming ins Feld führen und: Problem erledigt, jedenfalls für moderne Entwickler! Deren Produkte sind – ganz wie bei Angela Merkel – immer alternativlos. Das entspricht ganz und gar dem heutigen Geschäftsleben, zu dem der Verkauf von Lautsprechern ja gehört.

A propos Geschäftsleben. In der Zeitspanne, in der Greencones produziert worden sind, muss ein heutiger Lautsprecherhersteller ein halbes Dutzend Neuheiten vorstellen – mindestens. Oder er geht Pleite. Das Tempo, in welchem sogar die Selbstbauerpostillen neue und aberneueste Schallwandler veröffentlichen, kann man nur noch rasend nennen. Auch diesbezüglich hat sich die Welt geändert. Das gilt sogar für Ihren Röhrenverstärker! Technisch gesehen ist er – leider – nicht mehr „up to date“! Die Forderungen, die ein neuzeitlicher Transistor erfüllt, die kann ein Röhrenverstärker nur noch in seltensten Ausnahmefällen anbieten – so ist es nun eben.

Kleiner Tipp von uns: Sie finden sowohl bei Troels Gravesen als auch bei dipolplus und vermittels Internetrecherche auch anderswo Rezepte, wie man einen Breitbänder mit einem grossen Chassis „unterfüttern“ kann, um am Ende (meistens) ein Dreiwege-Konzept zu haben, das modernen Forderungskatalogen entspricht. Und wenn das Ihren Gefallen finden sollte, wer wollte Sie aufhalten?

Es hat mal ein und dieselbe Jacke gegeben, die jedem Chinesen gepasst hat. Nur die Jacke vom grossen Vorsitzenden Mao soll innen mit Seide gefüttert gewesen sein – falls das nicht ein böswillig von der CIA verbreitetes Gerücht gewesen ist. Aber einen Lautsprecher, der jedem gepasst hätte, den hat es noch nie gegeben. Und wir denken, dass es den auch nie geben wird.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein glückliches Händchen bei der Wahl „Ihres“ Lautsprechers!

2 Gedanken zu „Breitband-Diskussion“

  1. Lieber Herr Münch,

    schön, dass Sie sich nun auch den „höchst empfindlichen“ Lautsprechern widmen – das hat ja was Besonderes!
    Zur Entwicklung eines solchen Gerätes möchte ich eine kleine Anekdote beisteuern:
    Als Konstrukteur überfällt einen ab und zu ein gewisses Erfolgserlebnis mit eingeschlossener Euphorie und es überkommt einen vielleicht die Idee der akustischen Verwandtschaft mit bestimmten Musikinstrumenten z.B. der Streichergattung.. Wäre da nicht noch mehr Schmelz, Unmittelbarkeit, Gänsehaut rauszuholen?
    Gedacht, getan: Nach Absprache mit einem mir gut bekannten Klavier/Cembalobauer zu einem bekannten Tonholzhersteller in Bergün/ Albulapass gefahren, gestaunt ob der Qualität, gewundert über den Preis und eine Lieferung von ca. 2 m² bestellt.

    In wirklich mühevoller Arbeit die Brettchen verleimt, auf Stärke gehobelt, geschliffen und schliesslich an ihrem Platz unter Spannung verleimt. Finish hergestellt und platziert:

    Ergebnis: äusserst ernüchternd in seiner Flach- u. Ausdruckslosigkeit, was mich zu der Erkennntis brachte, dass zwischen Produktion und reiner Wiedergabe von Tönen ein himmelweiter buchstäblicher Spannungsbogen herrscht.

  2. Hallo liebe Audionisten,

    nach meiner anfänglichen Kritik an die Musikwiedergabe über Breitbandlautsprecher muss ich mein Urteil durch eine neue Erfahrung zumindest teilweise revidieren!

    Mein Urteil über die Alternative Beyma möchte ich aber derzeit noch aufrecht erhalten. Auf Dauer fehlte mir einfach der Tiefgang, das Volumen! Dieses aber jetzt nur aus der Erinnerung heraus, weil die Boxen schon eine Zeitlang nicht mehr existieren.

    Was aber die alten Radiolautsprecher anbelangt, habe ich solche Exemplare mal in zwei einfache 70 X 100cm Schallwände konzentrisch eingebaut! Und siehe da, es stellte sich ein frappierendes, farbenreiches Spiel ein, bespickt mit feinsten Informationen und einer Stimmennatürlichkeit, die mich absolut verblüffte! Dazu kam jenes mir fehlende Volumen dazu, heißt ein Akustik Bass wurde glaubhaft abgebildet. Es war wirklich nicht mehr entscheidend, wie weit der Frequenzgang zu messen ist, sondern viel wichtiger wurde die Kohärenz des gesamten Abbildes!

    Von daher war es mir ein Anliegen, dieses hier zu revidieren und letztlich zu relativieren.

    MfG
    Manfred.

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