Freund Segschneider macht sich so seine Gedanken. Er wäre gern ein echter Audiophiler. Aber als er sich im weltweiten Netz so umschaut, geht ihm recht schnell auf, dass es ihm dazu wohl an der richtigen Ausstattung fehlt … Mal sehn, was er schreibt:
Dieses mal vorab: ich bin ein ganz kleines Würstchen und das Folgende ist ausschließlich neidbasiert. Das kann man schon an diesen kleinen Details erkennen:
Erstens: meine Anlage versteckt sich zu wesentlichen Teilen im geschlossenen Schrank, auch beim Musikhören, lediglich Plattenspieler und CDler sind aus Bequemlichkeit offen dahingestellt. Ein Plattenspieler mit einem Tonarm und ein alter CD-Spieler.
Zweitens: die Musik hingegen füllt sichtbarlich die Regalbretter. Und setzt zugleich einen optischen Schwerpunkt im Raum.
Und drittens: der Raum ist linear, mit kurzen Nachhallzeiten. Linear meint: stelle ich einen Profi-Lautsprecher aus der goldenen Ära, sagen wir mal ’nen Spendor auf, dann messe ich – mit altem Messverfahren, wie früher beim Rundfunk üblich – bezogen auf eine ideale Mittellinie eine Abweichung von maximal einem dB. In normalen Wohnräumen sind Tieftonresonanzen unvermeidlich, bei Räumen von circa 20 bis 40 Quadratmetern bewegen sie sich in der Größenordnung von 10 bis 20 dB Überhöhung. Bei mir sind es maximal drei dB. Das alles ohne jede Klangtuningmaßnahme, einfach so. In einem normalen Wohnraum. Nebenbei bemerkt erlaubt der Raum hohe Pegel, eine Option, von der ich jedoch nicht Gebrauch mache. Ich liebe Musik, vor allem Klassik, aber keinen Krach.
So geht’s natürlich nicht!
Also, Obacht, jetzt kommt, wie man’s richtig macht. Wie audiophiler Raum gestaltet ist, da könnten sich die Kirchenbauer des Barock mal ein Beispiel dran nehmen. Ein Schrein der HighFidelity – was sage ich: Altäre, Nebenaltäre und Seitenflügel überborden sich, das Auge wird erschlagen. Denn da steht, nein, da türmt sich, ja was eigentlich? Pracht und Herrlichkeit wollen kein Ende nehmen, der Blick irrt haltlos hin und her. Und wirklich, dort hinten im Winkelchen reicht ein Regal an die Raumdecke, per Leiter erreichbar kann man dort die Musik entnehmen. Es ist einfach nicht wahr, dass der Audiophile nur zwei Dutzend Vorführscheiben besitzt. Wahr ist aber, dass er Elvis Presley und – sofern er mein Landsmann ist – Freddy Quinn hört.
Ein wenig Eingewöhnungszeit muss verstreichen, dieweil die im Geiste Gleichgesinnten über noch sensationellere Neuigkeiten plaudern. Und nun, nach einer mit „Benzingesprächen“ angenehm gefüllten halben Stunde, nun endlich lernt das Auge langsam zu unterscheiden und zu erfassen.
Woran erkennt man den echten, den einzig wahren Audiophilen? Richtig, man erkennt ihn an den Geräten. Eigentlich ganz einfach, wenn es nur nicht so viele wären. Denn da stehen Stücker zwei, drei Vinyldreher, und – das rechte Maß ist ganz wichtig! – einer davon darf mit nur einem Tonarm ausgestattet sein. Natürlich einem seltenen Tonarm. Es ist immer gut, wenn der Audiophile der Einzige ist, der ein solch seltenes Teil besitzt. Noch besser, wenn es gleich drei, vier, noch mehr Seltenheiten sind, die sich links, rechts, übereinander stapeln – nicht stolpern bitte, hier liegen die goldenen Lautsprecherkabel auf Klötzchen aus japanischem Federahorn – man glaubt gar nicht, welch einen klanglichen Unterschied solch ein Federahorn macht! – und ganz hinten, wandfüllend, türmt sich die Mehrwege-Hornanlage, ebenfalls japanischer Provenienz. Davor stehen Endstufen, CD-ler, Trafos, offene Frequenzweichen, man optimiert ja weiter dran, Lautsprecher, deren mehrere, denn hat der Besucher nicht schon selbst festgestellt, dass mancher Lautsprecher nur mit der ganz bestimmten Endstufe …: genau, es geht um Harmonie. Geht es in der Barockkirche ja auch: Näher, mein Gott, zu dir.
Wie gut, dass es einen Raumteil gibt, in dem der Besucher Luft holen, verweilen, vielleicht sogar in den Lieblingssessel des Audiophilen sinken kann. Der Loungechair von Charles Eames wäre jetzt absolut angemessen, Edles zu Edlem eben. Da kann keine Kirche mithalten. Der Blick fällt von alleine auf die volle Pracht, HiFi-Läden, die soviel Edles auf einmal für den Kunden feilhalten, sucht man in Mitteleuropa vergeblich. Aber hier, hier steht es und türmt sich! Gut ebenfalls, dass das Winkelchen mit Schallplatten kaum störend ins Gewicht fällt.
Und der Audiophile hat ein großes Herz, denn neben all den Hörnern und Mehrwegerichen steht fast unerkannt ein Vollbereichschassis. Und es steht nicht nur da! Zwischendurch einmal wird es sogar angestellt, kombiniert zum Beispiel mit edlen Röhren, japanisch wäre jetzt gut.
Der Besucher fällt fast auf den Teppich vor Verblüffung, würde der Charles Eames ihn nicht so gut festhalten, denn das klingt ja sogar, dieses singuläre Chassis, verblüffend gut noch obendrein! Wie kann das sein? Rätseln und Staunen gehören zum Geschäft, es ist angemessen, mehr als angemessen, dass der Besucher die Heimfahrt aus Italien verblüfft antritt. Denn Italien wäre gut, Japan noch besser, überhaupt gilt der Prophet ja nix in seinem Vaterland, das Ausland sollte es schon sein. The grass is greener on the other side. Wie wahr.
Aber, surprise, surprise, auch Verblüffung lässt sich noch steigern. Das Schönste, nun tatsächlich kaum noch zu übertreffen, ist die gemeinsame Verblüffung! In all dem Schönen, Exotischen, Unüberbietbaren stellt der Audiophile mit seinem Besucher zusammen fest: diese Komponente, eben noch kaum beachtet inmitten all der Herrlichkeit, die ist ja noch viel besser als geglaubt! Da müssen wir uns wirklich mal drum kümmern! Und mit diesem festen Vorsatz im Herzen fährt der beglückte Besucher nun nachhause. Das Leben kann so schön sein! Wir hinwiederum werfen einen etwas ängstlichen Blick in die Runde, wie der Affe im Zoo, wenn er die Besucher sieht, und denken wie er: Wie gut, dass die alle hinter Gittern sind! Das sind echte Audiophile natürlich nicht. Aber ersatzweise sperren sie sich in Hörräume ein. Das reicht dem Affen.
– Segschneider –