heavy rotation Vol. 19: Keith Emerson & Greg Lake – Live From Manticore Hall (CD 2014)

Keith Emerson & Greg Lake – Live From Manticore Hall (CD 2014)Schon lange her, dass ich zuletzt einen Beitrag der Kategorie heavy rotation geschrieben habe. Seit einer Woche aber hat sich das hier zu besprechende Album die Lufthoheit über meinen CD-Spieler erobert – daher möchte ich auf die Scheibe hinweisen.

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich! So begeben sich 2010 Keith Emerson und Greg Lake gemeinsam auf Tour durch kleine Hallen in Amerika. Emerson hat seit längerer Zeit Probleme mit der rechten Hand (Karpaltunnelsyndrom), Lake ist „raus“, hat keine Routine mehr. Die Tour soll die beiden fit machen für weitere Streiche, so die Idee der Plattenfirma. Mit abgespecktem Instrumentarium und ohne Schlagzeuger (der kommt wohl gelegentlich vom Band) treten sie ihrem Publikum entgegen, erzählen zwischen den Stücken Schwänke aus der ELP-Bandhistorie. Na ja …

Was die beiden „alten Herren“ aber aus dem musikalischen Sack lassen, ist aller Ehren wert! Los geht’s mit From The Beginning, das schon immer zu meinen ELP-Favourites gehörte. Wow, ein Vorspiel von Emerson – ok, warum nicht, es passt. Ich bin gespannt, ob Greg Lake seinen stimmlichen Part hinbekommt – er schafft es hervorragend! Zum Schluss statt des gewohnten Moog-Synthesizer-Solos Klavierklänge – auch das geht vollkommen in Ordnung. Man ahnt – die Arrangements sind vereinfacht, kommen den gegenüber den Glanzzeiten der Band leicht eingeschränkten Möglichkeiten der Protagonisten entgegen, das schadet aber der Musik überhaupt nicht.

Weiter mit I Talk To The Wind, einem gelungenen Rückgriff auf Lakes Zeit bei King Crimson und deren Debütalbum In The Court Of The Crimson King. Es geht Schlag auf Schlag: Bitches Cristal vom Album Tarkus, The Barbarian vom ELP-Debütalbum, dann das unvergleichliche Take A Pebble, die Tarkus-Suite. Während des herrlich kitschigen C´est La Vie wird’s noch mal etwas ruhiger, bevor bei Pirates wieder richtig die Post abgeht. Und endlich – hätte man die beiden sonst von der Bühne gelassen? – der Lucky Man.

Ich lümmle mich dabei verzückt im Sofa, schlürfe mein Weinchen, muss manchmal grinsen, wenn an gewissen Stellen Emersons Solos etwas einfacher ausfallen als seit Jahrzehnten ins Gedächtnis eingebrannt, oder wenn Lakes Stimme statt in noch höhere Lagen doch lieber in die tieferen ausweicht. Geschenkt! Emerson und Lake machen ihre Sache richtig gut, mit heiterer Gelassenheit, so scheint es, in Selbstbeschränkung, aber durchaus mit Freude über das Geschaffene – auch ein bisschen Altersweisheit scheint da mitzuschwingen. Und plötzlich geht mir auf, warum mich das so anrührt: auch ich bin älter geworden, sitze gern bequem, trinke Wein statt Bier und stöhne ein bisschen, als ich mich erhebe, um zum CD-Spieler zu gehen … C´est La Vie!

Empfehlung: Kat Edmonson

Gestern Morgen um kurz vor acht lief dieser Titel – Hopelessly Blue – im Radio. Seitdem hab ich mir immer mal wieder – und jedesmal mit Gänsehaut – dieses Video angesehen:

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Ebenso zu empfehlen „All The Way“:

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, wieder gesungen von Kat Edmonson, von der ich bis gestern nichts wusste … Jetzt werde ich mich kümmern müssen!

Gianmaria Testa – † 30. März 2016

Gianmaria Testa © by Harald Krichel via Wikimedia Commons Wie ich gerade im Radio erfuhr, starb heute der italienische Cantautore Gianmaria Testa. Im vorigen Jahr gab er eine Tumorerkrankung bekannt. Er wurde nur 57 Jahre alt.

Aus Anlass seines Todes hole ich eine ältere Plattenbesprechung aus dem Archiv und veröffentliche sie hier erneut.

Gianmaria Testa, Foto © by Harald Krichel via Wikimedia Commons


Gianmaria Testa - Da Questra Parte Del Mare (CD 2006)Gianmaria Testa – Da Questa Parte Del Mare (CD 2006)

Segschneider brachte mich drauf – der nutzte unter anderem diese hervorragend produzierte CD, um mir die Qualität seiner Musikanlage zu demonstrieren, was ihm auch gelang. Ich saß auf seinem Sofa, er sagte sowas wie: „… das musst Du hören …“, und dann überraschte mich aus heiterem Himmel diese unglaublich sonorige, bassige, raue Stimme auf Italienisch – eine Sprache, die ich leider nicht verstehe. Trotzdem nimmt mich diese Stimme auch jetzt noch, nachdem ich mir das Album gekauft und einige zig-mal gehört habe, fest gefangen. Es handelt sich, wie ich nun weiß, um ein Konzeptalbum, das sich mit dem Schicksal von Flüchtlingen beschäftigt, die versuchen, von Nordafrika aus über das Mittelmeer nach Südeuropa zu gelangen. Gianmaria Testa schreibt auf seiner Website:

Sie sind zu zweit von irgendeinem Hafen in Nordafrika aufgebrochen, als blinde Passagiere versteckt im Laderaum eines Frachtschiffes. Nach zwei Drittel der Reise hat man sie entdeckt und ins Meer geworfen. Ein Fischerboot hat sie aus der Adria geholt. Keinerlei Hilfe an Bord.
Sie haben sie wie Ballast in einem Schlauchboot zweihundert Meter vor einem Strand in Apulien ausgesetzt.
Als sie an Land gebracht wurden, war es für einen der beiden zu spät.
(…)
Ich habe nicht für sie geschrieben. Das könnte ich nicht.
Ich habe für mich geschrieben und für diejenigen, die wie ich auf dieser Seite des Meeres leben.

Testas Lieder bekommen mit dem Wissen darum, um was es da inhaltlich geht, auch für den des Italienischen nicht mächtigen Hörer zusätzliches Gewicht. Den Melodien und der ungewöhnlichen Stimme kann man sich ohnehin schwer entziehen. Kaufbefehl!

Vom Höcksken aufs Stöcksken …

… wie die Ostwestfalen gern sagen, oder hochdeutsch: vom Hölzchen aufs Stöckchen – das ist eine gute Umschreibung gerade auch fürs musikalische Sichtreibenlassen, das manchmal zu erstaunlichen Ergebnissen führt!

Dies mein Streifzug vom letzten Samstag:

Roger Willemsen © by Sharon Nathan via Wikimedia Commons
Roger Willemsen © by Sharon Nathan via Wikimedia Commons

Da, wo’s um öffentlich-rechtlich dargebotene und erklärte Kultur geht (in bestimmten Nischen also), ist dieser Tage alles voll vom Gedenken an Roger Willemsen, der vor einer Woche 60jährig „völlig zu Unrecht“ – so würde Hanns Dieter Hüsch es ausgedrückt haben, wenn er denn noch lebte – an den Folgen einer Krebserkrankung starb. Willemsen war ein Gebildeter und Intellektueller im ganz positiven Sinne, ein Welterklärer frei von Besserwisserei. Ein druckreif-Redner, stilsicher, mitreißend, ein Erzähler, ein Fanatiker für die gute Sache. Und ein Musikkenner vor dem Herrn!

Mein musikalisches Michtreibenlassen durchs Wochenende begann wie schon so oft mit der Sendung Klassik-Pop-et cetera des Deutschlandfunks, in der jeden Samstag um 10 Uhr jeweils eine Stunde lang Kulturschaffende „ihre“ Musik auflegen. Man wiederholte eine Sendung, die Roger Willemsen 2008 gestaltet hatte. Willemsen war als Aufleger im Radio durchaus geübt: über Jahre stellte er in der Sendung „Willemsen legt auf“ auf NDR Kultur jeweils ein Werk aus Jazz und Klassik einander gegenüber – eine Reihe, die ich mit Gewinn gehört habe! Zwei Stücke aus seiner Auswahl am Samstag berührten mich besonders: Cannonball Adderley mit „I worship you“ und Frank Chastenier mit einer Interpretation des Grönemeyer-Titels „Mensch“.

Frank Chastenier © by Elke Wetzig via Wikimedia Commons
Frank Chastenier © by Elke Wetzig via Wikimedia Commons

Chastenier ist seit 1991 Pianist und Keyboarder der WDR-Bigband. Er ist auf zahlreichen CDs der WDR Bigband zu hören und hat mit Till Brönner, Thomas Quasthoff, Roger Willemsen, Helen Schneider, Manfred Krug, Rolf Kühn und Paquito d’Rivera zusammengearbeitet – um nur einige zu nennen.

Frank Chastenier - For You (CD 2004) Frank Chastenier - Songs I've Always Loved (CD 2010)Spotify bietet Chasteniers zwei „amtliche“ Soloalben „For You“ (2004) und „Songs I’ve Always Loved“ (2010) zum Streaming. Beide überraschen mir Ihrer Titelauswahl: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, „Je ne regrette rien“, Grönemeyers „Mensch“, „Alone Again, Naturally“ und schließlich den Franz Lehar-Heuler „Dein ist mein ganzes Herz“ hat wohl kaum jemand auf Anhieb auf der Rechnung, wenn er an Jazz denkt. Chastenier verlangsamt drastisch – bis zur gelegentlichen Beinah-Unkenntlichkeit – das Material, versetzt es geschmackvoll mit jazztypischen Harmonien, lässt ihm die Weile, die es gut werden lässt. Heraus kommt intensiver, intimer Klavier-Kammerjazz – mit gelegentlichen Solo-Beiträgen des Trompeters und Chastenier-Freundes Till Brönner, der die beiden Alben auch produziert hat. Nicht genug zu loben Chasteniers Trio-Partner Hans Dekker (dr) und John Goldsby (b), Kollegen aus der WDR-Bigband.

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_GuldaAls ich Chasteniers Interpretation von „Someday My Prince Will Come“ höre, renne ich zum Plattenregal und ziehe eine LP von 1983 hervor: „The Meeting“ mit Chick Corea und Friedrich Gulda. Die beiden Pianisten improvisierten gemeinsam auf einer Bühne anlässlich des Münchner Klaviersommers 1982. Ein Improvisationsstrang der beiden mündete in in genau dieses eigentlich jazzferne Stück, das ursprünglich aus dem Disney-Zeichentrickfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ stammt. Während Chastenier das Stück sehr impressionistisch interpretiert, scheinen Gulda und Corea um federnden Swing bemüht. Sehr unterschiedliche Auffassungen, aber keine davon weniger faszinierend!

Mittlerweile habe ich schon einige Stücke gehört, die man überhaupt nicht dem Jazz zuordnen würde, die sich aber – von großartigen Musikern in die Hand genommen – wie selbstverständlich in Jazz verwandeln. Sofort fallen mir weitere Musiker an, die so etwas hervorragend hinbekommen: der Pianist Monty Alexander mit seinen Begleitern John Clayton (b) und Jeff Hamilton (dr). Leider habe ich nur zwei LPs in dieser fabelhaften Besetzung. Auf „Monty Alexander – Live At The Montreux Festival“ von 1977 (MPS) gibt es eine umwerfende Version des Morris Albert-Titels „Feelings“, die genau in diese Reihe passt. Auf meiner zweiten Alexander-Trio-LP „Reunion in Europe“ (1984) finden sich der von Charlie Chaplin geschriebene Song „Smile“ sowie „Ben“, eine 1972 vom sehr jungen Michael Jackson gesungene Schnulze, die ich sogar mal auf einem verloren gegangenen Sampler namens „Tamla Motown is hot, hot, hot!“ besessen habe. Zu Jazz geworden sind das faszinierende Nummern!

Danach surfe ich noch mal zu Frank Chastenier zurück und finde auf YouTube einen Konzertausschnitt der WDR Bigband mit dem Altsaxofonisten und Funkmusiker Maceo Parker. Was Chastenier hier auf der Hammond-Orgel fabriziert, ist wild und genial und stachelt wiederum Maceo Parker zu Höchstleistungen an seinem Instrument an – toll! Dies also zum Abschluss:

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Grammy für Cecile McLorin Salvant!

Ach, wie freue ich mich! Im Oktober letzten Jahres schrieb ich hier im Audionisten über die Ausnahmesängerin Cecile McLorin Salvant. Vorgestern erhielt sie für ihr vorzügliches Album „For One To Love“ den Grammy in der Kategorie „Best Jazz Vocal Album“. Glückwunsch!

Cecile McLorin Salvant - © by Miami6205, via Wikimedia Commons
Cecile McLorin Salvant © by Miami6205, via Wikimedia Commons
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