Von der ersten zur zweiten Röhre
Zwei Gegenkopplungen an der PC86 schränken die erreichbare Verstärkung natürlich ein. Um das möglichst auszugleichen, wurde ein Arbeitswiderstand von 27 kΩ gewählt, der zu einer Versorgungsspannung von Ub1 = 260V führt. Das wird bei der weiteren Konstruktion zu beachten sein und eine separate Siebkette für diese Röhre erfordern. Das ist die Kröte, die man schlucken muss, wenn man eine solche Röhre in einer hochklassigen Beschaltung verwenden möchte. Andererseits verursacht dieser Nachteil nur Kosten für einige Elkos und Widerstände. Das ist – erst recht für den Hörer! – unbedeutend, wenn die gesamte Auslegung dieses Schaltungselementes so viele andere Forderungen aufnimmt und umsetzt.
Die Endröhre
Für die PL82 hat Tom Schlangen dankenswerterweise sehr genaue Triodenkennlinien erarbeitet und veröffentlicht. Der von ihm vorgeschlagene Arbeitspunkt von Ua = 205 Volt bei Ia = 44 mA und -Ug1 = 16 Volt wird hier aufgegriffen. In der veröffentlichten Röhrenliteratur wird üblicherweise ein Ausgangsübertrager gewählt, der das maximale Ausschöpfen der Leistung ermöglicht. Für den Liebhaber eines höchstempfindlichen Lautsprechers ist das freilich weniger sinnvoll, für ihn ist es besser, einen Übertrager mit höherer Impedanz zu wählen, dabei auf etwas Leistung zu verzichten, sich aber im Gegenzug einen verringerten Klirrgrad und eine grössere Linearität einzuhandeln. Um das zu erreichen, wurde ein Ausgangsübertrager mit der Übersetzung von 7kΩ:4Ω gewählt, der abzüglich der Kupferverluste in dieser Schaltung eine Leistung von knapp einem Watt ermöglicht.
Ein erstklassiger Übertrager ist selbstverständlich. Welcher kann das sein? Der, weil erstklassig teuer? Der mit amorphem Kern? Der mit Schnittbandkern, den ich favorisiere? Für den Einsteiger wäre gut geeignet der Typ 53.00U der Firma Reinhöfer, mit M74 Kern ausgestattet und noch im moderaten Preissegment liegend. Diesen Typ sehe ich als Untergrenze eines sinnvollen Aufbaus. Mit ihm kann man einen Eindruck davon bekommen, was diese Endstufe leisten könnte, selbstverständlich bei einer sonstigen erstklassigen Anlage. Will man das volle Potential ausschöpfen, ist man leider auf teurere Ausgangsübertrager angewiesen. Aber Achtung! Es ist wie im wirklichen Leben: nicht alles, was erstklassig teuer ist, ist auch erstklassig gut! Die Übertrager sollten bei einer Lautsprecherimpedanz von 4 oder 5 Ohm in jedem Falle(!) das Übersetzungsverhältnis 7kΩ:4Ω beibehalten! Da die Arbeitspunkte der Röhren, die Gegenkopplung insgesamt und einiges mehr auf dieses Übersetzungsverhältnis abgestimmt sind, würde man die Endstufe grob verfälschen, wenn man das Übersetzungsverhältnis nachträglich abändern würde. Ein Betrieb von Lautsprechern mit einer Impedanz von 8 Ohm ist möglich, wenn man einen Übertrager mit dem Übersetzungsverhältnis 7kΩ:8Ω einsetzt. Der AÜ 53.00U von Reinhöfer bietet diese Möglichkeit, weil er sekundärseitig auf diesen Wert umgeklemmt werden kann.
Über das Zusammenspiel von Endröhre und Übertrager ist erstaunlich wenig geschrieben worden, und einiges Veröffentlichte ist schlicht hanebüchen. Das kann und soll hier nicht näher ausgeführt werden. Ein Punkt verdient freilich Beachtung. Es ist die Frage, wieviel Kupferwiderstand der richtige, der geeignetste Übertrager haben sollte. Der physikalische Übertrager präsentiert uns eine Theorie ohne Kupferwiderstand. Das erklärt uns einiges von dem, was ein Übertrager tut, bestechend einfach. Es ist nur so leider nicht baubar. Aber dieser Ausgangsübertrager hat viele Anhänger: alle jene Konstrukteure, die einen möglichst geringen Wicklungswiderstand, hundert Ohm oder weniger, für sinnvoll halten und in ihre Geräte hineinkonstruieren.
Der technisch real baubare Ausgangsübertrager hingegen sollte einen nicht zu geringen Kupferwiderstand haben, und ja, ein höherer Wert als hundert Ohm ist sehr sinnvoll. Der Grund dafür ist simpel: eine Induktivität (unser Übertrager), die mit einer Kapazität (dem letzten Speisekondensator der Hochspannungsversorgung, gleichgültig, wie die im einzelnen beschaffen ist) zusammengeschaltet wird, bildet einen Schwingkreis (da sie in Reihe liegen, also einen Reihenschwingkreis) und der Schwingkreis hat eine Resonanz. Diese Resonanz steht jeder unverfälschten Signalwiedergabe im Wege. Und nur der Kupferwiderstand der Primärwicklung, alternativ noch ein zwischen Übertrager und Anode eingefügter Widerstand Rx, dämpft diesen Schwingkreis. Der Reinhöfersche Typ 53.00U hat einen Kupferwiderstand von Rcu = 500 Ohm. Sofern ein anderer Übertrager gewählt wird, muss(!) dieser Widerstand wieder hergestellt werden, gegebenenfalls durch Einfügen eines Widerstandes derart, dass Rx + Rcu = 500Ω wiederum gegeben ist! Das ist elementar wichtig, wenn die konstruktiv bestimmte gute Dämpfung des Schwingkreises erhalten bleiben soll. Da ein Widerstand von 500Ω bezogen auf den durch ihn fließenden Gleichstrom einen Spannungsabfall von U = Rcu x Ia = 22V verursacht, ist es auch um die korrekte Anodenspannung zu gewährleisten notwendig, diesen Spannungsabfall selbst bei einem anderen Übertrager beizubehalten. Bei Nichtbeachtung dieses Zusammenhangs würden sich die gewählten Strom- und Spannungswerte an der Endröhre verschieben, und dann bestünde akute Lebensgefahr für die PL82, weil sie sehr viel mehr Gleichstromleistung nicht verträgt!
Ein letztes Wort zum Ausgangsübertrager. Die Kerngrösse M74 ist für die Leistung von einem Watt mehr als ausreichend. Ein SM65 würde es ohne klangliche Einbussen ebenfalls tun. So eröffnet sich die Möglichkeit, den Aufpreis des SM-Kernes ein wenig aufzufangen. Zu einem grösseren Kern zu wechseln, spült dem Verkäufer desselben mehr Geld in die Kasse, dem Musikhörer beschert es weder mehr Tiefton noch mehr Musikgenuss. Diese unnötige Geldausgabe sollte man sich ersparen und stattdessen lieber in einen hochwertigen Übertrager investieren. Davon hat der Musikhörer etwas, nämlich mehr Genuss!
… wird fortgesetzt …
– Segschneider –