von Michael Münch und Segschneider
Intro
Gibt es ein Leben nach der 2A3? Wir meinen: ja. International wird die Szene der etwas leistungsstärkeren Liebhaber-Endstufen von der 2A3 beherrscht. Einer Röhre, von der Joe Roberts einmal sagte, er habe noch nie eine schlecht klingende 2A3-Endstufe gehört. Und wir unterstellen mal, dass Joe Roberts es nicht an den Ohren hat, sondern durchaus weiß, wovon er spricht. Dennoch gibt es einige Einwände gegen diese Direktgeheizte. Die Zahl der Nachbauten ist kaum noch zu übersehen, die guten alten Exemplare der 2A3 sind verschwunden oder sch…-teuer, wie die neuen sind, weiß niemand so recht – auch Joe Roberts hört lieber die guten alten, und die Zahl der Nachbauten steigt und steigt. Entsprechen sie wirklich alle den Qualitätsgeräten, von denen der gute Joe sprach?
Klanglich gibt es ebenfalls das eine oder andere zu sagen. Die klassischen 2A3s tönen angenehm, mit einer Tendenz zum Warmen, einer Tendenz, die in vielen Anlagen eventuell vorhandene Fehler gnädig überdeckt. Die Sopranistin mutiert ein wenig zur Mezzosopranistin. Als nachteilig kann empfunden werden, dass Milva dann gelegentlich Damenbass singt, aber so pingelig, diesen Lapsus in die Beurteilung einzubeziehen, so pingelig muss man ja nicht sein. Und – falls man eine nicht so gelungene Anlage hat – was wäre gegen ein wenig Schönfärberei einzuwenden? Wenn dagegen die eigene Anlage bereits ein gewisses Niveau erklommen hat, was dann? Wenn der Wunsch nach klassischer Musik, nach differenziert wiedergegebener Musik besteht, wie dann? Klassische Musik stellt Forderungen an die Wiedergabe. Die ersten wollen von den zweiten Geigen unterschieden werden, der Sologeiger soll vor beiden deutlich differenziert stehen, die unterschiedlichen Spielweisen diverser Solisten – allesamt im Bereich Fein- und Feinstdifferenzierung gelegen – wollen erhört werden, kurzum, es kann eigentlich nicht genug Differenzierung geben. Darüberhinaus feine und feinste Abstufungen in der Dynamik, im Ton der diversen Instrumente und so weiter. Und die Endstufe soll all das liefern.
Und genau so sollte eine Endstufe beschaffen sein, die das Leben nach der 2A3 ermöglicht. Schnell, differenziert, ausgewogen, feinsinnig, und zu jeder Sorte Musik aufgelegt. Ein Klassiker eben. Ein solches Projekt gehen wir hier an. Es wurde eine spannende Arbeit, die uns Einiges abverlangt hat.
Erwartungen
An dieser Stelle sind bereits einige Endstufen vorgestellt worden. Unsere Neigung, noch so eine, vielleicht mit anderen Röhren vorzustellen, war gedämpft. Denn es geht uns nicht anders als vielen Audiophilen: dasselbe noch einmal, nur ein bisschen anders – wer will das schon dauernd. So entstand, zunächst als Frage im Kopf, der Gedanke, ob man höhere Leistung und gesteigertes klangliches Potential denn überhaupt zugleich erreichen könne. Fragen wir den Verkaufskünstler, dann ist das überhaupt kein Thema und die Produkte seiner Firma schwingen sich täglich von Höhenflug zu Höhenflug. Die Realität ist freilich ein wenig anders. In der rauhen Wirklichkeit kann sich eine gut gebaute 2A3 seit mehreren Jahrzehnten behaupten, da hat Joe Roberts schon recht.
Im weiteren Nachsinnen wurde deutlich, dass bessere als die hier vorgestellten Lösungen nur zu erreichen sind, wenn die klangbestimmenden Bauteile festgelegt werden. Solche Festlegung kann sich sehr rasch zu einem Korsett entwickeln, in das ein Nachbauer sich eingepfercht vorkommt, vor allem dann, wenn sehr spezielle und sehr teure Bauteile vorgeschrieben werden. Bereits beim Ausgangsübertrager kann für zwei Stück leicht ein vierstelliger Betrag aufgerufen werden, bei Endröhren wäre das gleichermaßen möglich, wenn wir in die Richtung 2A3 oder 300B gedacht hätten. Mit anderen Worten: die Suche entwickelte sich quasi von selbst zu der Frage, welche exzellenten Bauteile denn noch preisgünstig zu haben wären. Möglicherweise werden sie nicht mehr allzu lange preisgünstig sein, wenn dieser Artikel erst einmal erschienen ist. Aber dagegen lässt sich nichts tun, außer den Mund halten, und wer den Mund halten will, kann nichts mehr veröffentlichen. Wir entschieden uns fürs Veröffentlichen.
Bau und Nachbau
Ein kardinales Bauteil einer Röhrenendstufe ist und bleibt der Ausgangsübertrager. Und da ist die Wahl einfach. Es gibt keinen AÜ, der in Sachen Gegenwert fürs Geld und gleichzeitig in Sachen vorzüglicher Ausführung einen Ogonowski schlagen könnte. In beiden Dimensionen setzt dieser immer noch viel zu unbekannte polnische Zauberkünstler die Maßstäbe. Wer einmal einen Schnittbandkern a la Ogo in der Hand gehalten hat, weiß Bescheid. Leszek Ogonowski fertigt auch Übertrager nach Wunsch. Um aber eine schnelle Verfügbarkeit zu haben und um unumgängliche Aufpreise für Maßarbeit zu vermeiden, kam nur ein Serienprodukt in Frage. Der ausgewählte Wickel im SM102b-Kern hat primär einen Nominalwert von 3,0 kOhm, sekundärseitig bietet er 4 und 8 Ohm und ist damit für viele alte und neue Lautsprecher verwendbar. Der große Kern könnte erheblich mehr Leistung übertragen, als wir hier erstreben. Und, das haben wir bitter an dicken Brummern anderer Hersteller erfahren müssen: groß bedeutet nicht unbedingt auch großer Klang, wenn nur kleine Leistungen – die leisen Stellen in der Musik! – übertragen werden sollen. Aber der Ogo brilliert auch in dieser schwierigen Disziplin. Davon hatten wir uns schon zuvor bei einem Hörvergleich an einer PL82-Endstufe überzeugt. Wiewohl ein wuchtiger SM102b nicht gerade die erste Wahl ist, wenn nur 44mA Gleichstrom durch den Trafo fließen – da würde schon ein SM74 genügen -, bewältigt der große Ogo auch eine solche Aufgabe mit Bravour und sogar besser als ein kleiner und uns als gutklingend bekannter Konkurrent. Ogonowski LO SE25-3 also, weil in mehreren Disziplinen unschlagbar gut.
Der einzig verfügbare Nominalwert von 3,0 kOhm musste bei der Wahl der Endröhre selbstverständlich berücksichtigt werden. Eine triodisierte EL34 kommt damit gut zurecht. Dass dies eine Röhre mit besonderen Qualitäten ist, kann und konnte jedermann in Jogis Röhrenbude nachlesen. Unsere eigenen Erfahrungen sind ebenfalls positiv. Aber – das ist der Wermutstropfen – bitte nicht mit jeder EL34! Wir sprechen ausdrücklich nicht von all den neueren Nachfertigungen, sondern nur von zwei alten Exemplaren. Numero eins ist die von RFT gefertigte Version, auch als RSD erhältlich, letzteres war die für den Außenhandel der ehemaligen DDR bestimmte Variante. Numero zwei ist die von TESLA bis Anfang der 80er Jahre gefertigte Version.
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EL34 von RFT sind über einen langen Zeitraum und nicht nur an einer Produktionsstätte gefertigt worden. Daher unterscheiden sie sich in kleinen Details. Es gibt sie mit Scheibengetter und mit Ringgetter, mit hohem Sockelkragen und mit flachem Sockelkragen (spätere Ausführung). |
Kleiner Einschub. Bevor jetzt Anfragen kommen, möchten wir klarstellen, dass wir eine RFT bzw. RSD auch ohne Aufdruck identifizieren können. Nicht aber jene, von außen nicht unterscheidbare Produktionslinie, die wegen übergroßer Katodenbeschichtung fast ewig halten soll – Jochen Gittel sprach davon.
Dass es extrem langlebige Röhren tatsächlich gegeben hat, nicht nur bei der EL34, und dass das kein Röhrenlatein ist, das wurde auch anderweitig bezeugt. In den VALVO-Archiven zum Beispiel schlummert ein Schreiben der Post, damals noch Bundespost, die der Firma VALVO eine C3m-Röhre nach 122.424 Stunden (sic!) Laufzeit zurücksandte, damit VALVO sich diese Röhren noch einmal anschauen kann. Denn die rückgesendete Röhre hatte immer noch Nennwerte!
Das sind für den Röhrenfreund heutzutage nur noch wunderschöne Träume – leider.
Und ja, wenn das HiFi-Portemonnaie gerade allzu prall sein sollte, dann kann man in diese Endstufe auch die wunderbaren alten Philips mit Metallsockel oder Mullard Xf2-Röhren stecken. Sie sind leicht zu erkennen, es sind die begehrtesten und teuersten Exemplare, weil sich ihr Ruf herumgesprochen hat. Mit Preisen, die als echte Beziehungskiller gelten müssen. Wir möchten davon keineswegs abraten, glauben aber, dass bereits mit den beiden erstgenannten Röhren, für die zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung gelegentlich unter Hundert Euro das Pärchen aufgerufen werden, klangliche Qualitäten zu erwarten sind, die für sich sprechen.
Ein Bauteil, das wir generell festlegen, sind die Gleichstrom blockierenden Kondensatoren in der Schaltung. Es sollten Ölpapiertypen sein, man kann sie – noch – preiswert aus alter russischer Fertigung erhalten, oder von einer jener audiophilen Firmen beziehen, die wunderbare Preise bieten und wunderbaren Klang versprechen. As you like it!
– wird fortgesetzt –