DIY-Plattenwaschmaschine mit Punkt-Absaugung, Prototyp

Plattenwaschmaschine in Betrieb

Heute will ich beschreiben, wie ich zu meiner Plattenwaschmaschine kam. Den Wunsch, so ein Ding zu besitzen, trug ich schon lange mit mir herum und mir war auch schnell klar, dass es eine Maschine mit Punktabsaugung sein sollte. Solche Maschinen sind, wenn man sie kaufen muss, sehr teuer! Also kam für mich nur der Eigenbau in Frage.

Kleine Bemerkung vorweg: dieser Beitrag stellt keine Bauanleitung dar! Die gibt es auch gar nicht – eins ergab sich aus dem anderen. Ich verließ mich darauf, die richtige Idee werde sich schon zum richtigen Zeitpunkt einstellen. Mein Freund Segschneider nannte diese Vorgehensweise „freies Basteln“. Da ist wohl was dran!

Ich mache mir selbst nichts vor: dieses Projekt steckt voller Improvisationen und stellt somit wirklich nur einen Prototyp dessen dar, was ich vielleicht eines Tages mal draus machen werde. Einstweilen funktioniert die Plattenwaschmaschine aber so gut, dass kein Handlungsbedarf besteht.

Prinzip der Punktabsaugung:

Die PWM mit Punktabsaugung funktioniert so: auf die rotierende Schallplatte wird eine Reinigungsflüssigkeit aufgebracht und mit einer feinen Bürste so verteilt, dass sich ein geschlossener Flüssigkeitsfilm bildet. Nach einer gewissen Einweichzeit fährt ein Saugarm von innen nach außen über die rotierende Vinylscheibe und saugt die Flüssigkeit mitsamt dem sich inzwischen (hoffentlich!) gelöst habenden Schmutz und Staub von der Oberfläche. Am Ende des Saugvorgangs ist die Platte sauber und trocken. Bei stärker verschmutzten Platten muss dieser Prozess eventuell wiederholt werden.

Funktionsgruppen

Das braucht man für diese Maschine:

  • Plattenteller (evtl. Subteller) mit Lager und Antrieb
  • Saugarm mit Antrieb
  • Pumpe und Abscheidegefäße
  • Steuerelektronik (Arduino)

Plattenteller mit Subteller, Lager und Antrieb

Den Plattenteller habe ich samt Subteller und Lager einem unrettbar defekten DUAL-Dreher entnommen:

Plattenteller
der Plattenteller

Die Gummimatte habe ich abgenommen, die versteinerten Kleberreste stören mich nicht. Irgendwann werden sie mal sandgestrahlt, das hat aber keine Eile. Die schwarzen „Noppen“ dienen dazu, die Platte so weit anzuheben, dass eventuell über den Rand tropfende Reinigungsflüssigkeit nicht unter die Platte kriechen kann. Die Noppen sind selbstklebende Gerätefüße.

Bei abgenommenenem Plattenteller sieht man den Subteller und den Reibradantrieb, den ich aus einem gerade passenden Getriebemotor und einem Reibrad aus der Bastelkiste gemacht habe:

Subteller und Reibradantrieb
Subteller und Reibradantrieb

Hier nun schließlich bei abgenommenem Subteller das Lager:

Lager
Teller-Lager (oben links) mit Subteller und Reibradantrieb

Im Zusammenspiel mit der später noch zu beschreibenden Elektronik versetzt der Antrieb den Plattenteller in 20 bis 30 Umdrehungen/min.

Saugarm mit Antrieb

Für den Saugarm hat mir ein Audiofreund ein wunderbares Teil aus Aluminium gemacht:

Saugarmgelenk, Bild 1
Saugarmgelenk, Bild 1

Man sieht sehr schön die Achse, auf der der Saugarm sitzt und ihm die vertikale Bewegung ermöglicht. Das Gelenkteil selbst sitzt auf einer hohlen Hochachse, durch die der aus dem Arm kommende transparente Absaugschlauch nach unten ins Gehäuseinnere geführt wird. Die Hochachse besteht aus einem Metallröhrchen mit außen liegendem M10-Feingewinde, das mit dem Gelenkteil verklebt ist. Solch ein Gewinderöhrchen bekommt man in der Elektroabteilung des Baumarkts unter Lampenbedarf.

Im nächsten Bild ist das untere Ende der hohlen Hochachse zu sehen:

Achslager Saugarm
Lager des Saugarm-Gelenks

Zwei Kugellager – eins oben, eins unten – sorgen dafür, dass die Achse leicht beweglich ist.

Hier eine weitere Ansicht das Saugarm-Gelenks:

Saugarmgelenk, Bild 2
Saugarmgelenk, Bild 2

Nun zum vorderen Ende des Saugarms. Was ich hier zeige, ist improvisiert, ist Behelf. Der funktioniert aber so fantastisch, dass ich die Maschine nach wie vor so betreibe!

Der eigentliche Saugarm besteht aus einem Stück Carbon-Rohr von einer zerbrochenen Angelrute. Vorn habe ich ein dünneres Stück Rohr gesteckt, dass sich im äußeren Rohr nur schwer drehen lässt. Das dünne Rohrstück ist durchbohrt, in der Bohrung steckt ein Stück Messingröhrchen von 4mm Durchmesser. An dessen oberem Ende endet der Saugschlauch, der von dort durchs Innere des Saugarms und durch die hohle Hochachse des Saugarmgelenks die abgesaugte Reinigungsflüssigkeit ins Innere des Maschinengehäuses zu den Abscheidegläsern führt:

Saugarm, Bild 1
Saugarm, Bild 1

Das folgende Detailfoto zeigt am unteren Ende des Messingröhrchens ein weiteres kleines Schlauchstück. Dieses setzt später auf der nassen Schallplatte auf. Es ist daher wichtig, hier ein weiches Material einzusetzen. Man findet es in der Medizintechnik, wo es für Infusionen benutzt wird. Außerdem ist zu sehen, dass ein aus einem synthetischen Material gesponnener Faden (Nähgarn Gütermann M782 Extra Stark, Polyester) herangeführt wird, der in der Ansaugöffnung verschwindet – genau genommen wird er mit angesaugt. Er endet im Geräteinneren in den Abscheidegläsern. Bei jeder Plattenreinigung werden ein paar weitere Fadenmillimeter freigegeben, damit es jede Schallplatte mit einem sauberen Stück Faden zu tun bekommt. Dank des Fadens bleibt immer ein kleiner Zwischenraum zwischen Schlauch und Platte, der dafür sorgt, dass das untere Schlauchstück sich nicht an der Platte festsaugt.

Saugarm, Bild 2
Saugarm, Bild 2

Dem Arduino-Einsteiger-Set, das ich für das Projekt Plattenwaschmaschine gekauft habe, lag ein Stepper-Motor bei. Der erledigt über eine Untersetzung aus LEGO-Zahnrädern den Antrieb des Saugarms:

Saugarm-Antrieb
Saugarm-Antrieb

Die kleine Saugarm-Rampe aus einem Stück Epoxy-Platinenmaterial ersetzt einen weiteren Antrieb, der den Saugarm in der Vertikalen bewegen würde:

Saugarm-Rampe
Saugarm-Rampe

Beim Start des Absaugvorganges bewegt sich der Saugarm Richtung Plattenmitte und setzt mit Hilfe der abgeschrägten Rampe automatisch am Plattenrand auf. Der aufgesetzte Arm gleitet nun rasch über den aufgebrachten Flüssigkeitsfilm bis zur Auslaufrille der Platte, die Pumpe wird eingeschaltet und der Arm bewegt sich langsam zurück zu seinem Ausgangspunkt. Wieder am Plattenanfang angekommen, wird der Arm von der Rampe automatisch von der Platte abgehoben.

Pumpe und Abscheidegefäße

Genau genommen ist eine Pumpe nix anderes als ein umgedrehter Kompressor. Wenn ich hier gelegentlich den letztgenannten Begriff benutze, möge man mir das nachsehen! Meinen Kompressor bekam ich geschenkt (danke, Meinolf!). Er stammt aus der Medizintechnik. Leider komme ich im eingebauten Zustand nicht mehr an das Typenschild heran, deshalb kann ich hier weder Fabrikat noch Type angeben. Macht nix, so sieht das Teil aus:

Pumpe
Pumpe

Das nächste Bild zeigt Kompressor und Abscheidegefäße im Zusammenhang:

Abscheidegefäße
Abscheidegefäße

Von rechts oben kommt der Saugarmschlauch. Über die beiden Abscheidebehälter gehts zur Ansaugöffnung des Kompressors.

Die beiden Gefäße sind Joghurtgläser. Ich hänge zwei Gläser hintereinander, um bei vollem Abscheideglas 1 die Pumpe nicht schon in Gefahr zu bringen. Die soll nämlich nur für den nötigen Unterdruck sorgen und sich keinesfalls mit dreckigem Wasser vollsaugen! Ich habe gefunden, dass die Originaldeckel der Joghurtgläser der Marke „Landliebe“ über gewollte Springbeulen verfügen, die es dem Kunden ermöglichen sollen, das Glas vor dem Kauf auf Dichtigkeit zu prüfen. Das kommt auch unserem Zweck zugute: wenn die Pumpe eingeschaltet wird, geht’s kurz hintereinander „klack, klack!“ – so zeigt der entstehende Unterdruck an, dass das System dicht ist und die Deckel der Gläser richtig geschlossen sind.

Über die Schlauchanschlüsse habe ich mir lange Gedanken gemacht. Herausgekommen ist dies:

Schlauchanschlüsse
Schlauchanschlüsse

In Telefonbuchsen habe ich Messingröhrchen von 4mm Außendurchmesser gelötet. Die Gummidichtungen gab’s einzeln in der Sanitärabteilung des Baumarkts.

Steuerelektronik (Arduino)

Eigentlich sollte der Bau dieser Maschine mein Einstieg in die Arduino-Microcomputertechnik werden. So ein Ding sitzt nun auch tatsächlich in der PWM, aber die Programmierung habe ich letztlich doch meinem Sohn übertragen (danke, Philip!). Man muss nicht alles selber können und machen wollen! Daher aber auch nur ein Foto der Steuerungs-Hardware. Man sieht oben v.l. den Netztrafo, zwei Netzteilmodule (für Arduino und Tellermotor), den Arduino selbst und schließlich eine Platine mit Relais-Schaltstufen. Unten das Bedienpanel:

Steuerelektronik
Steuerelektronik

Prozessablauf

Beim Einschalten der Maschine setzt sich der Plattenteller in Bewegung. Jetzt wird die Reinigungsflüssigkeit aufgebracht. Die Tellergeschwindigkeit ist in Grenzen manuell regelbar und die Laufrichtung kann umgekehrt werden. Das ist so vorgesehen, weil ich als Option vielleicht noch eine stationäre Bürste einsetzen werde, die während des Einweichvorgangs auf der Platte bleiben soll.

Beim Druck auf den Startknopf wird der Tellermotor auf eine fest eingestellte Geschwindigkeit gebracht, die Lufrichtung entspricht der beim Plattenhören. Der Saugarm bewegt sich auf dem geschlossenen Flüssigkeitsfilm rasch gleitend zur Auslaufrille der Platte hin. Dort angekommen, schaltet der Arduino die Pumpe ein und bewegt über den Steppermotor den Saugarm langsam zurück zur Ausgangsposition. Wenn der Arm die Saugarm-Rampe erreicht hat, schaltet sich die Pumpe ab und der Arm läuft zur Ruheposition hoch. Der Arduino stoppt den Prozess und schaltet in den manuellen Modus zurück.

Der Armvortrieb ist so geregelt, dass die Bewegung des Arms zum Plattenrand hin immer langsamer wird. Das ist nötig, da die Geschwindigkeit der Platte unter dem Saugpunkt wegen des zum Rand hin größeren Umfangs immer mehr zunimmt. Jeder Punkt der Platte soll aber etwa gleich lange „besaugt“ werden.

Hier noch zwei Gesamtaufnahmen der Maschine:

PWM Innenaufnahme
Innenaufnahme
Gesamtansicht Plattenwaschmaschine
Gesamtansicht Plattenwaschmaschine

Fazit

Soweit die Beschreibung meiner PWM. Irgendwann baue ich sie verbessert neu auf.

Denn: die Maschine ist zu groß! Die Maschine ist zu schwer! Die Maschine ist zu laut! Für die automatische Fadennachführung habe ich noch keine Lösung gefunden.

Reinigen tut das Mistding allerdings fantastisch!

Nachtrag

Meine PWM entstand, nachdem ich Gelegenheit hatte, die erste Maschine meines Audiofreunds Meinolf ausgiebig in Augenschein zu nehmen. Beim Bau meiner PWM sind also einige von Meinolfs Ideen mit eingeflossen. Das Ergebnis meines Aufbaus wiederum stellt eine Weiterentwicklung seines damaligen Geräts dar, die allerdings wieder übertroffen wird von Meinolfs neuem Prachtstück, das er auf seiner Website www.ms-vint-audio.de beschreibt ->Link. Sein neuer Aufbau ist klein, leicht und leise …

Dr. Götz Wilimzig: Gedanken zur LINE-Stufe – Teil 2

Totem Pole-Schaltung

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts erreichte ein Vorverstärker namens Theta, aus den USA kommend, Europa. Er stellte der breiteren audiophilen Öffentlichkeit eine Totem Pole-Schaltung vor, die viele Nachfolger generierte. Bis dahin hatten derartige Schaltungen mehr oder minder ein Schattendasein geführt, aus dem sie nun heraustraten. Die Schaltungsart blieb auch in der bis heute andauernden Diskussion umstritten, und das fängt schon beim Namen an.

Totem Pole (Basisschaltung)
Totem Pole (Basisschaltung)

Die Rede ist von SRPP und vom µ-follower, und jeder scheint die eine oder andere Änderung mit einem neuen Namen hervorzuheben. Die Basis war aber mit dem Theta gegeben: die Totem Pole-Konfiguration versprach hohe Verstärkung bei niedriger Ausgangsimpedanz, vereinte also alles, was das audiophile Herz so wünscht. Die darauf basierende Schaltung für einen kompletten, aus RIAA plus Linestufe bestehenden Vorverstärker ergab sich fast von selbst. Erste Totem Pole, passive RIAA, zweite Totem Pole, Eingangswahl und Poti, dritte Totem Pole, fertig. Jedesmal dieselbe Röhre, eine wirklich gute Doppeltriode, die E88CC, die das Übereinanderstecken der beiden Systeme leicht macht.

Blockschaltung einer RIAA/LINE-Stufe mit Totem Pole-Schaltung
Blockschaltung einer RIAA/LINE-Stufe mit Totem Pole-Schaltung

Und jetzt fängt das Elend an. Woher heute 88er Röhren nehmen und nicht stehlen? Die Preise der verbliebenen alten Qualitätsröhren, in den 80ern des vorigen Jahrhunderts noch leicht und gut zu kaufen, sind durch die Decke gegangen und erreichen bei den Spitzenprodukten astronomische Dimensionen. Aber China und Russland – in alphabetischer Reihenfolge – produzieren ja nach wie vor Röhren, und wer die alten Originale nicht kennt, kann damit vielleicht glücklich leben. Der andere Ausweg ist es, die Schaltung in Transistor nachzubauen. Der Transistor gilt als betriebssicherer, und ich verkneife mir im Vergleich jetzt jede Bemerkung über chinesische und russische Fertigungsqualitäten in Sachen Röhren.

Wer sich die detaillierte Schaltung einer RIAA/LINE-Stufe ansehen möchte und/oder sich für einen Nachbau interessiert, der sei auf einen Beitrag in Jogis Röhrenbude hingewiesen. Dort wird ein ein Theta-Clone beschrieben, der allerdings die Doppel-Trioden ECC81, 82 und 83 einsetzt.

LINE-Stufe nach John Broskie

Man kann mit Doppeltrioden aber auch andere Geniestreiche realisieren. Ein besonders interessanter stammt von John Broskie. Er kombiniert eine klassisch beschaltete Röhre mit einem Katodenfolger, und vereint einiges Wünschenswerte in dieser Kombination.

LINE-Stufe nach John Broskie
LINE-Stufe nach John Broskie

Beide Systeme laufen auf hohem und gleichem Strom, benötigen nur eine gemeinsame Versorgung, und obendrein wurde der Trennkondensator zwischen erstem und zweitem System – bei vielen Audiophilen ja heiß umstritten – eingespart. Broskie schlägt darüberhinaus eine weitere Schaltungsvariante vor, die sogar ohne Katodenkondensator auskommt.

Keinen Kondensator an der Katode zu haben, erscheint vielen Audiophilen reizvoll, ich persönlich strebe das nicht mehr an. Wir verfügen, hervorgebracht von der digitalen Welt, nunmehr über Elkos, die im Verhalten einem guten MKP entsprechen, und deshalb sehe ich keine Notwendigkeit mehr, diesbezüglich Klimmzüge zu machen.

Schaltungen, an denen man nix nörgeln kann, gibt es nicht. Bei dem Broskie’schen Entwurf wird das deutlich, wenn man ihn mit den Forderungen vergleicht, die beispielsweise Zaalberg (G. Klein & J.J. Zaalberg van Zelst: Präzisions-Elektronik, Philips Fachbücher) aufstellt. Zaalberg rät beim Katodenfolger dazu, auf eine präzise Einhaltung der Gitterspannung zu achten, und würde eine entsprechende Schaltung wie folgt aufbauen.

LINE-Stufe nach John Broskie plus Zaalberg
LINE-Stufe nach John Broskie plus Zaalberg

Der Vergleich der beiden Schaltungen verdeutlicht, wo der Hase im Pfeffer liegt. Man darf getrost davon ausgehen, dass im alltäglichen Leben die nach Zaalberg ausgeführte Schaltung am Gitter des Katodenfolgers präziser und – bezogen auf ein langes Leben – stabiler läuft.

Andererseits liegt der besondere Charme der Broskie’schen Schaltung in der Einfachheit, die nicht nur die Nachbausicherheit vergrößert, sondern auch eine Auswahl guter Bauteile preiswert ermöglicht. Diese „pure“ Broskie-Schaltung habe ich schon gehört, und ich fand sie angenehm, was natürlich nur mein subjektives Urteil ist.

Man könnte, und ich denke, man sollte auch die verwendeten Röhren selektieren, und auf möglichst gleiche Systeme achten. Das ist sicher hilfreich, aber kein Wundermittel. Sogar dann, wenn das Röhrenmessgerät „ist gleich“ sagt, bezieht sich diese Aussage lediglich auf den statischen Betriebszustand. Sobald eine Signalspannung dazukommt, ist die Gleichheit des Reagierens nicht mehr gewährleistet. Das Kennlinienfeld beider Systeme müsste perfekt übereinstimmen, um ein gleiches Reagieren auf Signale zu sichern. Und selbst dieses, in der rauen Wirklichkeit wohl eher seltene Kriterium genügt nicht, denn überdies müssten beide Systeme auch noch gleich altern. Deshalb bin ich der Auffassung, dass man nicht zwei Röhren beziehungsweise zwei Systeme einer Doppeltriode parallelschalten sollte, ohne – zum Beispiel durch eine Gegenkopplung – darauf hinzuwirken, dass diese beiden auch dynamisch gleich reagieren.

So, jetzt ist es an der Zeit, die unvermeidliche Kröte zu schlucken: diese Ursprungsschaltung von Broskie (er hat in der Zwischenzeit zahlreiche Varianten entwickelt, die, so verdienstvoll sie sein mögen, den Charme dieser einfachen Grundversion nicht mehr erreichen) arbeitet mit E88CC. Ebenfalls. Und es gelten die weiter oben gemachten Aussagen. Die gute Nachricht ist, dass man nicht unbedingt auf einen eigenhändigen Nachbau angewiesen ist. Der nicht so versierte Freak kann solche Vorverstärker oder Bausätze noch heute erhalten, sowohl in Röhre als auch in Sand, und sie haben nicht den schlechtesten Ruf. Um keine direkte Reklame zu machen, für die ich keinen Cent bekommen würde, verweise ich auf die Internetseite von Lutz Ehmigholz. Dort findet sich eine enthusiastische Beurteilung eines derartigen Vorverstärkers nebst Bezugsquelle.

Konstruktion einer einfachen LINE-Stufe

Als letztes möchte ich für diejenigen, die von Grund auf eigenständig loslegen möchten, die Konstruktion einer einfachen Linestufe skizzieren. Über Eingangswahlschalter sowie Potentiometer, in unserem Falle einem 100kOhm logarithmisch, war bereits im ersten Teil gesprochen worden. Bleibt die Verstärkerstufe.

LINE-Stufe mit Triode, Basisschaltung
LINE-Stufe mit Triode, Basisschaltung

Einfacher könnte es kaum noch sein. Da in der konstruktiven Wirklichkeit das Potentiometer nicht direkt ans Gitter gelegt werden kann, verwenden wir einen Gitterwiderstand, der den zehnfachen Wert des Potentiometers haben soll, also 10 mal 100kOhm gleich 1MOhm. Nach dem DC-blockenden Kondensator am Ausgang ordnen wir einen weiteren Widerstand an, der den Kondensator nach dem Ausschalten entladen kann. Und das wären schon alle Besonderheiten.

Schauen wir uns nach einer Röhre um, die eventuell infrage kommen könnte. Und da bereits von Doppeltrioden die Rede war, untersuchen wir als Beispiel eine ECC81 oder deren Edelvariante E81CC. Am Gitter benötigen wir nicht mehr als 1V, und unser Potentiometer erlaubt uns, immer unterhalb dieses Wertes zu bleiben. Da wir möglichst positive klangliche Qualitäten erreichen wollen, fahren wir das eine System, das wir nur brauchen, mit viel Strom, und die Kenndaten erlauben uns 10mA. Bei diesen Werten stellt sich eine Anodenspannung von fast 200V (exakt 185V) ein. Dabei erreichen wir eine Steilheit von 6,3mA/V bei einem Innenwiderstand von 10kOhm und einem µ von 63. Den Arbeitswiderstand wählen wir mit Ra = 2,7kOhm, daraus resultiert eine Speisespannung von ungefähr 215V.

Somit ergibt sich eine Verstärkung von
V = µ x Ra / ( Ra plus Ri) = 63 x 2,7 /(2,7 + 10) = 13,4

und damit lägen wir in dem Bereich, der auch für eine digitale Quelle noch akzeptabel wäre.

Die Quellimpedanz der Anordnung ergibt sich annähernd zu
Zi = Ri parallel zu Ra = 10kOhm // 2,7kOhm = 2,2 kOhm.

Unterstellen wir einen Eingangswiderstand im nachfolgenden Gerät von 100kOhm, dann reicht diese Quellimpedanz mit einer Relation von 1 : 45 vollständig aus, und wir können uns eigentlich sorgenfrei zurücklehnen. Allerdings hätten wir jetzt erst ein System unserer Doppeltriode verbaut. Das zweite System für den anderen Kanal zu nehmen, verbietet sich leider, denn in diesem Röhrentyp ist zwischen den Systemen kein Schirm angebracht, und den benötigen wir für eine gute Konstruktion. Aber es bietet sich ein Ausweg an. Die EC92 ist nichts anderes als ein System einer ECC81, und die könnten wir nehmen, und erreichten mit einem separaten Aufbau die erwünschte Kanaltrennung.

LINE-Stufe mit EC92, vollständige Schaltung
LINE-Stufe mit EC92, vollständige Schaltung

Keine Rose ohne Dornen, sagt Volkes Weisheit, und recht hat sie. Da es sich um eine einfache Konzeption handelt, müssen wir damit rechnen, dass die Qualität der Bauteile sich nicht unwesentlich klanglich bemerkbar machen wird. Über den Katodenelko hatten wir bereits gesprochen. Der Ausgangskondensator sollte ebenfalls von gehobener Qualität sein, also mindestens ein Wima MKP4 mit 400V Spannungsfestigkeit. Je nach Geschmack des Hörers kann ein 4,0müf mit 500V Papier-in-Öl-Kondensator (PIO) ebenso eingesetzt werden. Für den Liebhaber digitaler Quellen ist es wichtig, dass das gewählte Potentiometer auch bei geringen Lautstärken möglichst viel Gleichlauf bietet. Diesbezüglich hilft nur Geld in die Hand nehmen: drei blaue Alps kaufen und das beste ausselektieren. Last not least: die Röhre selbst. Ich empfehle, sich nach verschiedenen Herstellern umzutun, und sich nach den eigenen Ohren zu richten. Diese Hinweise gelten auch dann, wenn man in eigenständiger Wahl sich für eine ganz andere Röhre entscheidet.

Eine kleine Erinnerung zum Schluss: ein einstufiger Lineverstärker dreht die Phase, das lässt sich nicht ändern. Einstufig plus Katodenfolger, also die Broskie-Schaltung und alle vergleichbaren, drehen die Phase ebenfalls! Verwenden wir nachfolgend eine zweistufige Endstufe, die die Phase nicht dreht, dann sollten wir am Ausgang die zum Lautsprecher führenden Kabel vertauschen, also rot auf schwarz stecken etc., damit die korrekte Phasenlage wiederhergestellt wird. Bei vielen Röhrenverstärkern, so auch bei der hier bereits veröffentlichten PL82, ist der Ausgang potentialfrei, folglich ideal zum vice versa Anschließen der Kabel geeignet.

Viel Erfolg!

Götz Wilimzig

In diesem Blog gibt es einen grundlegenden Beitrag über die Berechnung von Netzteilen für Röhrenverstärker. Dennoch sei hier die Strategie bei der Konstruktion eines Netzteils für die oben beschriebene LINE-Stufe kurz umrissen:

Götz Wilimzig fordert für die Siebung der Versorgungsspannung dieser LINE-Stufe eine Dämpfung von -140dB. Zwei Kanäle der beschriebenen Line-Stufe belasten das Netzteil mit einem Strom von 20mA. Die Betriebsspannung ist angegeben mit 215V.

Der Ersatzwiderstand der beiden LINE-Kanäle berechnet sich zu

R = U/I = 215V/0,02A = 10.750Ω

Man denke sich einen Netztrafo mit sekundär nachgeschaltetem Brückengleichrichter und Ladeelko. Dieses Netzteil belastet man nun durch einen Festwiderstand in Höhe des Ersatzwiderstandes der beiden LINE-Kanäle. Wir stellen uns weiter vor, wir messen unter dieser Belastung eine Spannung von 251V Gleichspannung am Ladeelko. Das sind 36V mehr als die geforderten 215V Betriebsspannung der beiden EC92-Stufen.

Jede der beiden LINE-Kanäle lässt einen Strom von 10mA fließen. Um bei 10mA einen Spannungsabfall von 36V zu erzeugen, brauchen wir einen Vorwiderstand von

R = U/I = 36V/0,01A = 3.600Ω

Dieser Widerstand von 3,6kΩ stellt nun den Längswiderstand der benötigten Siebkette (für einen Kanal!) dar. Wie in dem oben verlinkten Grundsatzartikel zur Netzteilberechnung ausgeführt ist, macht es selten Sinn, mehr als drei RC-Siebglieder vorzusehen. Daher teilen wir nun den ermittelten Widerstand von 3,6kΩ in drei Widerstände von je 1,2kΩ auf und bilden damit drei RC-Glieder.

Kombinieren wir nun jeden der drei 1,2kΩ-Widerstände mit je einem Elko von 330µF, so erhalten wir drei RC-Glieder, die jeweils einen Dämpfungsfaktor von 249 bezogen auf eine nach dem Brückengleichrichter auftretende „Brumm“-Frequenz von 100Hz aufweisen. Hintereinander geschaltet bilden die drei Glieder zum einen den geforderten Längswiderstand von 3,6kΩ, dämpfen gleichzeitig die Brummspannung um den Faktor 249x249x249 = 15.438.249. Das entspricht einer Dämpfung von etwa -143dB.

Die beiden LINE-Kanäle benötigen je eine der beschriebenen Siebketten. Zusammen belasten Sie den Netztrafo so, dass am Ladeelko die im Vorversuch gefundenen 251V anstehen.

MiMü

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Dr. Götz Wilimzig: Gedanken zur LINE-Stufe – Teil 1

Kürzlich erhielt ich eine Nachricht von Götz Wilimzig. Dessen Name wird bekannt sein – er ist einer der Autoren des Buches „Höchst empfindlich“ (2002). Nach wie vor bekommt er Leserzuschriften von Nachbauinteressenten der im Buch vorgestellten Verstärker-Konzepte und wird gefragt, ob es dazu Neuerungen gibt. In Sachen PL82-Endstufe und Spannungsversorgung kann seit Kurzem auf den Audionistenblog verwiesen werden. Bleiben allerdings die Fragen nach einer geeigneten LINE-Stufe. Ob ich mir vorstellen könne, einen von ihm verfassten Beitrag darüber im Audionisten zu veröffentlichen?

Natürlich – hier ist er!


Ein Leserbrief

Sehr geehrter Herr Wilimzig,

nach der Lektüre ihres sehr anregenden Buches „Höchst empfindlich“ treiben mich zwei Fragen um. Zum einen sind seit dem Erscheinen des Buches ein paar Tage ins Land gezogen und auch Sie werden in Ihrem Schaltungsdesign nicht stehen geblieben sein. Daher die Frage, ob der abgedruckte Vorverstärker-Schaltplan nach wie vor Ihre aktuellste Empfehlung zum Thema Vorverstärker ist. Zum anderen empfehlen Sie MKP 4 Kondensatoren, die nach meinen letzten Informationen von WIMA nicht in 7,5 nF oder 33nF gefertigt worden sind. Wo liegt mein Denkfehler?

(…)

Ich denke, dass Sie jede Menge Anfragen zum Thema bekommen und deshalb nicht alle zufrieden stellen können. Kein Problem, das kann ich gut verstehen. Sollte ich nichts von Ihnen lesen, probiere ich auf Basis der Schaltung einfach fröhlich selbst, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden bin oder eben nicht.

Ihnen und Ihren Mitstreitern an dieser Stelle auf jeden Fall ein ganz dickes Dankeschön!

A.D.

Wo er recht hat, hat er recht. Seit der Erstellung unseres Buches ist einige Zeit vergangen, und ich würde heutzutage bereits erhebliche Schwierigkeiten haben, damals noch recht leicht – und recht preiswert! – erhältliche Röhren zu beschaffen. Inzwischen ist der Siegeszug des Digitalen weiter fortgeschritten, und das hat Folgen in Bezug auf den Vorverstärker. Ich freue mich daher über die Möglichkeit, im Audionisten einige Gedanken zu diesem Thema veröffentlichen zu können, zumal eine Weiterführung des PL82-Projektes an dieser Stelle schon erschienen ist.

Digital und analog

Richtiger wäre es wohl, digital oder analog zu sagen. Denn die Erfordernisse des digital orientierten Hörers sind andere. Jeder benötigt einen Eingangswahlschalter, eine Lautstärkeregelung und eine Ausgangsstufe. Ein Hörer, der moderne Quellgeräte einsetzt, braucht eine geringe bis gar keine Verstärkung, eine ausreichend niedrige Ausgangsimpedanz und sonst nichts.

LINE-Stufe für digitale Quellen
LINE-Stufe für Quellen mit hohem Ausgangspegel

Der Schallplattenhörer kommt ohne RIAA-Entzerrung nicht aus. Sie könnte als eigenständiges Gerät vor die eben skizzierte Linestufe gesetzt, oder nach der Eingangswahl in eine komplette Vorstufe integriert werden, wenn, ja wenn die Verstärkung ausreichte. Tut sie aber in den üblichen Fällen nicht. Nur zu Zeiten des röhrenbetriebenen Rundfunks war es üblich, im Studio alle Geräte mit einem Norm-Ausgangspegel zu versehen; das waren damals 1,55 Volt oder in Technikersprech „0 dbV“. Eine vergleichbare Vereinheitlichung hat sich im HiFI-Bereich aber bis heute nicht durchsetzen können. Deshalb empfiehlt es sich, die Linestufe des Analogfreaks mit einer nicht zu knappen Verstärkung auszustatten.

LINE-Stufe für Vinyl-Freunde
LINE-Stufe für Vinyl-Freunde

Die geschilderte Sachlage macht es schwierig, für beide Hörertypen ein und dasselbe Gerät zu konstruieren. Eine Linestufe, die – sagen wir mal – 30fach verstärkt, ist dem Schallplattenliebhaber sehr willkommen und verschafft ihm Wahlmöglichkeiten dahingehend, welche RIAA er favorisieren möchte. Wer seinen CD-Spieler anwirft, könnte hier leicht einen Overkill erleben. Die Lautstärke müsste so dramatisch zurückgefahren werden, dass das eingesetzte Potentiometer in seinen niedrigsten und damit ungünstigsten Arbeitsbereich käme – die Dinger sind da einfach am ungenauesten. Und auch die Rauschproblematik wird sich wohl unangenehm bemerkbar machen. Als Kompromiss wäre eine Verstärkung von zehn- bis fünfzehnfach anzupeilen. Sofern man sich beim Thema Rauschen anstrengt, könnte das eine für beide Seiten akzeptable Lösung sein.

Die Röhrenproblematik

Vielleicht hilft ein kleines Beispiel zur Verdeutlichung. Von meinem Freund Alex Kriegel wurde eine Vorstufe veröffentlcht, die auf der Röhre D3a basiert. Der Entwurf wurde und wird lebhaft diskutiert – die Suchmaschine weiß alles – und verursacht immer wieder Probleme, die recht schwer oder gar nicht zu lösen sind. Denn die D3a ist eine Poströhre. Und Poströhren waren ausschliesslich zum Einsatz in stationären Geräten bestimmt. Typischer Fall damals: Röhre von Firma X geliefert – ja, genau, von diesem heute noch existierenden Großkonzern – im Hunderterpack selbstverständlich, Röhre ins betreffende Gerät gesteckt, Röhre nach ein oder zwei Jahren und zehntausend oder mehr Stunden wieder rausgezogen. Fertig. Rütteln, vielfach hin und her transportieren oder gar Stoßbelastung, all das kam im Postbetrieb nicht vor, und dafür waren diese Röhren auch konstruktiv nicht ausgelegt. Überdies ist die D3a eine Diva, extrem in ihren Eigenschaften, an der Kante des Machbaren konstruiert und gebaut. Und wie es bei Diven so ist: einiges mag sie nicht. Man kann sie ganz leicht ruinieren. Wenn sie heiß ist, im Betrieb oder ein paar Sekunden nach dem Ausschalten, einfach ihr einen kräftigen Stoß verpassen, und fortan klingelt sie erbärmlich, Mikrofonie gibt es gratis als Dreingabe. Für den Konstrukteur ist sie dennoch ein Faszinosum mit (fast) einmaligen Eigenschaften, und ja, auch ich bin dieser Faszination schon erlegen. Die klanglichen Qualitäten sind ebenfalls nicht von Pappe, im besten Falle liefert die D3a eine kraftvolle und hochdynamische Darstellung (… wer den extrem guten Stimmbereich sucht, fährt besser mit der C3g oder der C3m). Mit anderen Worten: dieser an sich so erfreuliche Entwurf wurde und wird mit der Röhrenwahl leider problematisch. Wo soll man heutzutage, nach einem halben Jahrhundert (!) D3a-Röhren hernehmen, die nie geschüttelt wurden, die keine Mikrofonie haben, die aufgrund von Fehlbehandlung nicht rauschen und klingeln? Ich habe etwa ein Dutzend Paare im Hause, und einem oder zwei Paaren davon könnte ich diesbezüglich vielleicht vertrauen. Deshalb setze ich – obwohl ich weiterhin von ihren positiven Eigenschaften schwärme! – diesen Typ für mich nicht mehr ein.

Noch kritischer als die Röhrenwahl an sich sind die wie Butter in der Sonne dahinschmelzenden Bestände alter und bester Röhren. Und ich wäre ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich da Namen nennen würde. Denn das würde doch nur dazu führen, dass (a) die Preise der letzten verbliebenen Röhren in die Höhe schnellten und (b) einige Mitmenschen mit dickerem Portemonnaie mir alles wegschnappten. Das ist ja schon in den sprichwörtlichen Volksmund eingegangen: Wer seine Quellen verrät, bringt sie zum Versiegen.

Eine solche Situation ist unerfreulich, da hilft kein Beschönigen. Und bis heute haben die Röhren aus neuerer Produktion einen langen Weg zurückzulegen, bis sie mit den großen alten Spitzenprodukten mithalten können. Auch das ist unerfreulich, aber leider allzu oft zutreffend. Deshalb möchte ich im Folgenden zwei Fremdentwürfe vorstellen, die teils als open source dem Nachbauer zur Verfügung stehen, teils als Platinenversion oder vollständige Geräte angeboten werden. Abschließend möchte ich dann dem zum Experimentieren geneigten Selbstbauer beschreiben, wie man auf der Basis einer vielleicht vorhandenen oder noch beschaffbaren Röhre zu einer brauchbaren Linestufe gelangen kann.

PS. Als kleines Dankeschön für einen Leserbrief: anstelle von MKP4 kann man mit den – laut WIMA – noch besseren FKP2 aus 6,8 nF plus 680 pF den Wert von 7,5 nF bilden, bei ungenauen Werten auch nominal 6,8 nF plus nominal 820 pF.

hier geht’s zum zweiten Teil

Götz Wilimzig

Praktischer Aufbau meiner Endstufe mit PL82

Im Herbst letzten Jahres überraschte mich mein Freund Segschneider mit der Nachricht, er arbeite an einem PL82-Endstufenentwurf, mit dem er das bekannte Konzept aus dem Buch „Höchst empfindlich“ aufgreifen und weiterentwickeln wolle. Außerdem machte er mir das Angebot, das Projekt im Audionisten-Blog zu veröffentlichen – ausführlich kommentiert, damit auch andere etwas damit anfangen können. Natürlich hat er mich mit seiner Begeisterung mitgerissen!

Schnell wurde klar, dass das ohne ausführliche Erläuterungen zum zugehörigen Netzteil keinen Sinn machen würde. Ich übernahm daher die Aufgabe, die Konstruktion eines solchen Netzteils und dessen theoretische Herleitung zu beschreiben – hier nachzulesen.

Platinen für Netzteil PL82
Platinen für Netzteil PL82

Ich erhielt einen Schaltplan der Endstufe, und während Segschneider an seinem vierteiligen Blogbeitrag schrieb (Konstruktion eines Röhrenverstärkers mit PL82 – erster Teil, – zweiter Teil, – dritter Teil, – vierter Teil), begann ich, Netzteil und Endstufe praktisch aufzubauen. Davon soll nun dieser Beitrag handeln.

Endstufen-Module

Nachdem die Netzteilplatinen bestückt waren, machte ich mich an den Aufbau der beiden Endstufenmodule. Ohne schon zu wissen, wie das endgültige Gehäuse aussehen würde, entschied ich mich für einen Aufbau mit liegenden Röhren. Dazu baute ich zwei kleine Subchassis aus Aluminium.

PC86/PL82-Modul, Bild 1
PC86/PL82-Modul mit zwei 31-poligen Platinen-Steckern als Lötleisten
PC86/PL82-Modul, Bild 2
PC86/PL82-Modul

Jetzt wird es Zeit, auf die Verschaltung der Röhrenheizungen und deren Massebezug einzugehen. Zum Verständnis diese Grafik:

Verdrahtung Röhrenheizung
Serienschaltung der Röhrenheizungen und deren Massebezug

P-Röhren wurden für Serienheizung konzipiert, auch hier werden die Heizungen in Serie geschaltet. PC86 und PL82 benötigen wie alle P-Röhren einen Heizstrom von 300mA. Dabei fallen an der PC86-Heizung 3,8V und an der Heizung der PL82 16,5V ab. Die Heizungs-Serienschaltungen beider Verstärker-Module werden schließlich parallel geschaltet mit dem Heiztrafo verbunden, der somit 20,3V bei einem Strom von 600mA zu liefern hat.

Bei beiden Verstärkermodulen ist der Verbindungspunkt der Heizungen von PC86 und PL82 mit der Gerätemasse (zentraler Massepunkt) zu verbinden. Dies stellt den Massebezug der Heizung her, was wichtig ist, um Brummprobleme zu vermeiden.

Es ist unter allen Umständen darauf zu achten, dass die Heizungsverschaltung beider Verstärkermodule absolut identisch erfolgt! Dazu ist es zwingend notwendig, alle Leitungen – wie in der Grafik gezeigt – farbig auszulegen, um Verwechslungen zu vermeiden. Am Heiztrafo sind jeweils die gleichfarbigen Leitungen (im Beispiel grau und rot) zusammenzufassen.

Weiter ist es wichtig, dass die Röhren eines Kanals in der gezeigten Weise hintereinander geschaltet werden: die Verbindung zwischen beiden Röhren muss vom Pin 5 der einen zum Pin 4 der anderen Röhre erfolgen. Bei Nichtbeachtung fängt man sich eventuell ein Brumm-Problem ein, das später schwer zu lokalisieren ist!

Bei korrekter Beschaltung liegen wegen der gemeinsamen Masseverbindung jeweils die beiden PC86-Heizungen parallel, ebenso die beiden PL82-Heizungen. Werden die zwei Serienschaltungen aber gegensinnig gespeist, liegen die PL82-Heizungen in Reihe, jede davon mit einer zu ihr parallelen PC86-Heizung. Die Trafospannung teilt sich dann wie bei jedem Spannungsteiler 1:1 zwischen den PL82-Heizungen (mit deren parallel liegenden PC86-Heizungen) auf – es liegen somit mehr als 10V an den Heizfäden der nur für 3,8V ausgelegten PC86 an. Das wird nicht lange gut gehen.

Hier also besonders sorgfältig bauen!

Im folgenden Bild sieht man, dass die Heizungsversorgung in der Nähe der Röhrenfassungen möglichst kurz unter das Chassis geführt wird, um Brummeinstreuungen in die Verstärkerschaltung zu vermeiden. Das Chassisblech wirkt hier als Abschirmung:

Heizungsversorgung
Die Heizspannungszuleitungen werden unter dem metallischen Chassis weggeführt

Nun zur Bestückung der Verstärker-Module. Die erfolgt auf den 31-poligen Platinen-Steckerleisten. Auf dem nächsten Foto erkennt man, dass die Gitteranlaufwiderstände und der Triodisierungswiderstand direkt mit den Röhrenfassungen verlötet werden. Es ist keine schlechte Idee, die Zuleitungen der Katoden in blau und die der Anoden in rot auszuführen – bei späteren Messungen weiß man dann sogleich, wo die Messspitze anzusetzen ist. Überhaupt ist es gut, verschiedenfarbige Verbindungsdrähte zu benutzen und deren Verwendungszwecke zu standardisieren, dazu aber später mehr.

ein fertiges Verstärker-Modul
ein fertig bestücktes Verstärker-Modul

Es sei nicht verschwiegen, dass die Lötösen an den Steckerleisten recht winzig sind. Daher erinnere ich an dieser Stelle an den längst fälligen Gang zum Dentisten des Vertrauens (2x täglich Zähne putzen, 1x jährlich zum Zahnarzt!). Nicht vergessen, dem guten Mann eins seiner Werkzeuge abzuschwatzen, nämlich dies:

unverzichtbares Werkzeug!
dieses Zahnarzt-Instrument ist für Lötarbeiten an Platinen-Steckleisten unverzichtbar!

Das macht die Arbeit mit den Steckerleisten erst möglich, zumindest erleichtert es diese ganz ungemein!

Chassis, Gehäuse

An diesem Punkt – Netzteil fertig, Verstärker-Module fertig – war zu entscheiden, wie das Gehäuse aussehen soll. Dabei ging es zunächst um einen Probeaufbau auf einem Brett. Das ist eine recht empfehlenswerte Vorgehensweise, die auch von solchen Klassikern wie Otto Diciol („Röhren-NF Verstärker Praktikum“, Reprint bei FRANZIS) propagiert wird. Besagtes einfaches Brett hat aber den Nachteil, dass man die einzelnen Baugruppen nicht wirklich sinnvoll räumlich zueinander anordnen kann. Ich hatte daher die Idee, statt der Einfachversion eine hölzerne „Werft“ (so habe ich das Ding genannt) zu bauen, die eine Anordnung der Verstärkerkomponenten als zusammengehörige Baugruppen schon in dieser Versuchsphase ermöglichen sollte. Bei zweidimensionalen Brettaufbauten ist das nicht immer möglich. Das hier verwendete Holzchassis versucht diesen Nachteil zu vermeiden, indem beispielsweise dafür gesorgt wird, dass paarige Komponenten – die beiden Verstärker-Module und die beiden Siebketten-Platinen – im gleichen Abstand von den Netztrafos angeordnet werden.

Meine ursprüngliche Absicht war, das Holzkonstrukt später durch eine entsprechende Blechkonstruktion zu ersetzen. Diesen Plan habe ich inzwischen aufgegeben. Was soll ich sagen – bei dieser Werft wird es nun bleiben! So sieht sie aus:

Die "Werft", Bild 1
die „Werft“ meiner PL82-Endstufe

Ein Abteil meines Holzchassis habe ich mit 0,5mm starkem Kupferblech ausgelegt. Das Kupfer dient der Abschirmung des Netztrafos für die Anodenspannung und des Heiztrafos, die hier ihren Platz finden sollen:

Abschirmung aus Kupferblech
Abschirmung aus Kupferblech im Netztrafo-Abteil

Zwei wichtige Details: die beiden Massepunkte:

Gerätemasse und Gehäusemasse
Gerätemasse- und Gehäusemassepunkt. An letzteren ist später zwingend der Schutzleiter der Netzzuleitung anzuschließen

Der vom Kupferblech isolierte zentrale Massepunkt bündelt später sternförmig sämtliche Masseverbindungen zu den einzelnen Komponenten der Verstärker-Schaltung (Gerätemasse), der Gehäusemassepunkt wird nach VDE mit dem gelbgrünen Schutzleiter und allen metallischen Gehäuseteilen sowie über einen 100Ω-Widerstand mit dem zentralen Massepunkt verbunden. Dazu später mehr.

Zuerst werden alle Baugruppen auf das Chassis montiert:

Montage der Baugruppen auf dem Chassis, Bild 1
Baugruppen auf dem Chassis, v.l. die beiden Ausgangsübertrager, eins der Verstärkermodule, eine der Siebkettenplatinen
Montage der Baugruppen auf dem Chassis, Bild 2
von der anderen Seite gesehen links unten der Netztrafo für die Anodenspannung, rechts daneben die Gleichrichter/Ladeelko-Platine
Montage der Baugruppen auf dem Chassis, Bild 3
hier schließlich eine Unteransicht mit dem Verstärkermodul und der Siebketten-Platine des zweiten Kanals

So, nun geht’s ans Verdrahten. Es empfiehlt sich, verschiedenfarbig isolierte Litzen zu verwenden und bestimmten Funktionen eindeutige Farben zuzuweisen. Ich mache das etwa so:

  • blau: Kabelverbindungen zum zentralen Massepunkt
  • schwarz: minus Versorgungsspannung (0)
  • rot: plus Versorgungsspannung Endröhre
  • orange: plus Versorgungsspannung Vorröhre
  • weiß/rot (Volldraht, verdrillt): Versorgungsspannung Röhrenheizungen
  • gelbgrün: Schutzleiter

Masseverschaltung

Masseverschaltung
die Masseverschaltung

Als potentialmäßig tiefster Punkt der Schaltung wird der Minuspol des Ladeelkos auf der Gleichrichterplatine angenommen. Der Ausgang 0 (minus) der Gleichrichter/Ladeelko-Platine ist auf kurzem Weg mit der Verteilerklemme „zentraler Massepunkt“ zu verbinden (1). Dieser Punkt ist n i c h t mit dem Kupferblech des Gehäuses verbunden! An den zentralen Massepunkt gehören die beiden Massepunkte der Heizspannungsversorgungen (2) und die beiden Blechchassis der Verstärkermodule (3). Schließlich wird die Zentralmasse über einen 100Ω-Widerstand mit der Gehäusemasse verbunden. Letztere wiederum ist nach VDE-Vorschrift zwingend mit dem Schutzleiter zu verbinden!

Die Schaltungen der beiden Verstärkermodule erhalten ihre Masse über die 0V-Zuleitungen (minus) von den Siebketten-Platinen, letztere wiederum sind über die von der Gleichrichter/Ladeelko-Platine kommenden Versorgungsleitungen mit Masse verbunden. Innerhalb der Verstärkermodule gibt es k e i n e leitende Verbindung zwischen der Schaltung und dem kleinen Blechchassis!

Die Leitungen zu den Eingangsbuchsen sind abzuschirmen. Die Abschirmung ist schaltungsseitig mit 0V verbunden, die Massekörper der Eingangsbuchsen erhalten Massepotential über zwei blaue Kabel, die ebenfalls zum zentralen Massepunkt führen (hier nicht abgebildet!). Die Eingangsbuchsen sind jede für sich isoliert einzubauen und auch untereinander n i c h t zu verbinden!

Alle hier beschriebenen Maßnahmen dienen der Brummvermeidung. Die fertige Endstufe darf bei kurzgeschlossenen Eingängen n i c h t brummen!

Beinahe fertig

Nach der Verkabelung sieht die Enstufe so aus:

verdrahtet
nach den Verdrahtungsarbeiten, Aufsicht

Da es noch keine Frontplatte gibt, existiert auch noch kein Ein/Aus-Schalter. Netzstecker rein/raus – das muss für die erste Zeit reichen. Statt einer durchgehenden Rückwand gibt es ein provisorisches Panel für die Ein- und Ausgangsbuchsen. Hier noch zwei Fotos vom Netztrafo-Abteil:

Netztrafo-Abteil, Bild 1
links: Heiztrafo, darunter einige parallel geschaltete Vorwiderstände in der Heizleitung, mit denen der genaue Heizstrom eingestellt wird. Mitte: Gleichrichter/Ladeelko-Platine, rechts: Netztrafo für die Anodenspannungen
Netztrafo-Abteil, Bild 2
unter dem Heiztrafo der Gehäuse-Massepunkt. Dort ist der Schutzleiter (gelbgrün) anzubringen. Später hinzukommende metallische Gehäuseteile (Rückwand, Frontplatte, oberes und unteres Gehäuseblech) sind ebenfalls hier mit dem Schutzleiter zu verbinden

Wegen der liegenden Röhren unbedingt genügend Platz für den Röhrenwechsel vorsehen! Es gibt nichts Blöderes, als dazu das halbe Gehäuse auseinander nehmen zu müssen:

Röhrenwechsel
genügend Platz für den Röhrenwechsel einkalkulieren!

Experimente mit den Koppelkondensatoren

Denjenigen, die mit verschiedenen Koppelkondensatoren experimentieren wollen, sei hier noch ein kleiner Praxistipp verraten: an Stelle des Koppel-Cs zwei kleine Miniatur-Krokodilklemmen in die Schaltung einlöten! So kann man die Testkandidaten (bei abgeschaltetem Gerät!) sehr schnell auswechseln. Doch Vorsicht: die Dinger laden sich an dieser Stelle auf knapp 150V (= Uanode der PC86) auf. So was kann empfindlich weh tun, deshalb schließe ich die Cs vor dem Wechsel mit einer kleinen Kroko-Laborstrippe kurz …

Experimente mit dem Koppelkondensator
in die Schaltung eingelötete Mini-Krokodilklemmen erleichtern das Experimentieren mit unterschiedlichen Koppelkondensatoren

Fazit nach drei Monaten

Der hier gezeigte Aufbau existiert erst seit ein paar Tagen, denn für die Veröffentlichung habe ich den Erstaufbau dieser Endstufe wieder auseinander genommen und ein neues, in den Abmessungen modifiziertes Holzchassis aufgebaut. Alles ist nun wieder an seinem Platz und funktioniert wie gewohnt. Die Endstufe ist brummfrei und verhält sich auch sonst so, wie ich es seit drei Monaten gewohnt bin.

Ich betreibe diesen Verstärker an Lautsprecherboxen vom Typ SABA-Cello. Die sind von Haus aus keine Tiefenwunder. Dennoch weist die Kombination der PL82-Endstufe mit den Celli ein sehr ausgeglichenes Wiedergabespektrum auf. Die Räumlichkeit der Wiedergabe, die Ortbarkeit von Klangereignissen auch in der Tiefe und die Auflösung sind frappierend. Ich will nicht verschweigen, dass diese Art des Hörens auch Übungssache ist. Diese Endstufe erleichtert aber diesen immerwährenden Lernprozess.

Das Hören über diese Endstufe ist absolut unanstrengend. Ich habe (Transistor)-Endstufen erlebt, die die Musik regelrecht sezieren, in ihre Bestandteile zerlegen. Es ist, als müsse man als Hörer die Musik im Kopf selbst wieder zusammensetzen. Das kann schon mal dazu führen, dass man beim Hören regelrecht nervös wird und das Durchhören einer ganzen CD kaum möglich ist. Die PL82-Endstufe hingegen macht aus der Musik ein Amalgam – lässt zusammen, was zusammen gehört. Das macht das Hören damit sehr angenehm und lässt den der Musik innewohnenden Emotionen den nötigen Raum, sich zu entfalten.

Noch etwas erscheint mir wichtig: dieses Gerät macht die Unterschiede hörbar, die sich aus der Verwendung verschiedener Röhrenfabrikate und/oder verschiedener Koppelkondensatoren ergeben. Weniger gute Endstufen ebnen solche Nuancen ein.

Konstruktion eines Röhrenverstärkers mit PL82 – vierter Teil: die Gesamtschaltung

Die Verbindungspfade zwischen erster und zweiter Röhre enthalten jeweils DC-blockende Kondensatoren. Auch der Kondensator im GK-Pfad ist zwingend notwendig, um eine Verschiebung des Arbeitspunktes bei der ersten Röhre zu vermeiden. Bei der Dimensionierung dieses Kondensators wurde berücksichtigt, dass der GK-Pfad keine Phasendrehungen bewirken soll. Das ist in erster Näherung dann vermieden, wenn die Grenzfrequenz kleiner/gleich 5Hz ist. Nach meinen Erfahrungen bringt es mehr, den Stromfluss in der ersten Röhre hochzutreiben und im Gegenzug einen Kondensator im GK-Pfad zu akzeptieren, als auf diesen Kondensator zu verzichten, denn letzteres gelingt im Allgemeinen nur, wenn die Vorröhre mit sehr geringem Strom – typisch 1mA oder weniger – betrieben wird.

Nun kommt zusammen, was zusammen gehört - das komplette Schaltbild
zum Vergrößern anklicken!

Auch in diesem Falle gilt, dass die Summe der (bisherigen) Teile noch nicht vollständig das Ganze ergibt. Hinzutreten müssen als erstes die Gitterbremswiderstände, im vorliegenden Falle 680 Ohm, und um ihre Aufgabe zu erfüllen, sollten sie tatsächlich am Gitterpin der Röhren angelötet werden. Das ist am einfachsten zu bewerkstelligen, wenn man sie zugleich als Zuleitungen vom Schaltungsaufbau zum Röhrensockel verwendet.

Gesamtschaltung mit Dimensionierung aller Teile
Gesamtschaltung mit Dimensionierung aller Teile – zum Vergrößern anklicken!

Das zweite Detail wird eventuell Stirnrunzeln verursachen, vielleicht gar auf Ablehnung stoßen: der parallel zur Anode der PL82 gelegte Kondensator Ctr = 2,2 nF lässt dem Messtechnikfreak die Haare zu Berge stehen, denn er verschlechtert die Rechteckwiedergabe. Die Flankensteilheit könnte beeinflusst werden, und nicht im positiven Sinne. Dazu ist anzumerken, dass erstens ein Rechteck in keinem Musiksignal vorkommt, und dass zweitens die Vorstellungen der HiFi-Branche, was denn in der Wiedergabe ein gutes Rechteck sei, doch arg uneinheitlich sind. Die digital codierte Welt befasst sich ausschliesslich mit Rechtecken, da gibt’s nichts anderes, und im Digitalen gilt ein Rechteck als gut, wenn die ansteigende Flanke ein Fünftel, das waagrechte Dach drei Fünftel und die abfallende Flanke wiederum ein Fünftel ausmachen. Ja, herzlichen Glückwunsch, wie soll’s denn nun sein? Immerhin kann man den Jungs vom digitalen Sektor bescheinigen, dass sie ein gesundes Gespür für die Realität besitzen. Ob man bei analogen Schaltungen wirklich eine Anstiegsflanke in echt vertikal, also eine unendlich schnelle Impulsverarbeitung benötigt, wird leider nicht diskutiert.

Um auf den Kondensator Ctr zurückzukommen. Er begrenzt den Frequenzgang nach oben, und das ist nicht ganz unsinnig, da wir ja fernsehtaugliche Röhren verwenden (die ja, wie gesagt, zu sehr viel höheren Frequenzen fähig sind). Mit dieser Begrenzung folgt die Endstufe abermals den Maximen der Röhrenära, wir erinnern uns: die Profi-Geräte (siehe die genannten V73 und V69) wurden konstruktiv für einen Frequenzbereich von 40Hz bis 15kHz ausgelegt. Für mehr nicht. Eine kleine Anmerkung: bei natürlicher, also nicht elektrischer Tonerzeugung gibt es genau dreimal die 16kHz als höchsten Oberton. Sie werden erreicht bei Schlüsselklirren, Piccoloflöte und vergleichbar kleiner Orgelpfeife. Falls der geneigte Musikliebhaber eine grössere Sammlung mit diesen Dreien zufällig sein eigen nennen sollte, darf er sich trotzdem entspannt zurücklehnen. An der PL82-Endstufe wird die Wiedergabe dieser (im Allgemeinen doch recht seltenen) Tonerzeuger nicht scheitern. Die verwendete Gegenkopplung sorgt dafür, dass der der Messtechniker die 16 kHz noch „auf dem Strich“ wiederfindet. Das war bei den erwähnten Rundfunkendstufen übrigens genauso. Wenn jemand unbedingt deutlich höhere Frequenzen noch „auf dem Strich“ haben möchte, dann möge er bitte ungeniert weiter in seine Kirche gehen, denn dann ist diese Endstufe nicht für ihn bestimmt.

PL82 vor Kennlinie
PL82 vor Kennlinie

Ein Wort zu den geeigneten Bauteilen soll diese Betrachtung abschliessen. Die eingesetzten Widerstände sind, sofern nicht anders bezeichnet, halbwatt Kohlefilme. Die Angaben zu den Kondensatoren beziehen sich auf das Fabrikat Wima, durchgängig mit 630V Spannungsfestigkeit. Die angegebenen Typen sind so gut, dass man sie ungeniert einsetzen kann. Freilich werden, angestachelt von einer umsatzgeilen Branche, Kondensatoren immer wieder zur Diskussion gestellt. Deswegen möchte ich dem Kondensatorfreak ein wenig entgegenkommen und einige Alternativen aufzeigen. Was dem einzelnen Hörer zusagt, bleibt sicherlich eine sehr individuelle Wahl. Wer auf der Suche nach „seinem“ Klang andere Wege gehen will, möge das auf eigenes Risiko tun. Der Kondensator Ctr kann anstelle des FKP2 auch ein Silbermica sein, dann in der Grösse 1,0 bis 1,5nF und mit einer Spannungsfestigkeit von mindestens 500V. Wer für Ölpapier- oder Wachspapiertypen schwärmt, sollte sie (nur!) an der Stelle von Cg und Cgk2 einsetzen, in derselben Grösse und ebenfalls mit mindestens 500V Spannungsfestigkeit. Beim Katodenkondensator Ck der PL82 bietet sich heutzutage die Möglichkeit, einen für Digitalschaltungen geeigneten Elko einzusetzen, alternativ könnte es ein Rubycon sein. Soviel zu den Bauteilen.

Und noch etwas: dass eine solche Endstufe mit höchstempfindlichen Lautsprechern zusammengespannt werden sollte, ist bereits gesagt worden. Aber wie sieht es eingangsseitig aus? Es wäre möglich, sie direkt vom regelbaren Ausgang eines CD-Players anzusteuern. Dagegen spricht die verbreitete Erfahrung, dass regelbare CD-Ausgänge meist nicht das Gelbe vom Ei sind. Besser wäre es, einen guten Vorverstärker zu verwenden, mit einer Quellimpedanz von 1kΩ oder geringer. Die Endstufe wird auch höhere Quellimpedanzen wegstecken, es fragt sich nur, ob das dann klanglich höherwertige Geräte sind. Es macht schließlich keinen Sinn, schlechte Äpfel mit guten zu verkochen, denn der dann entstehende Apfelbrei wird dem Genießer nicht zusagen. Vermieden werden sollten die derzeit gerade wieder in Mode gekommenen passiven Linestufen, ihre Ausgangsimpedanzen sind generell zu fragwürdig, oftmals schwankend und/oder zu hoch. Nach meiner unmaßgeblichen Meinung verdient eine gute Linestufe den Vorzug vor allen anderen Lösungen.

– Segschneider –


Nachsatz des Audionisten

So weit die Ausführungen meines Freundes und Mentors Segschneider zu seiner Version einer Endstufe mit PC86 und PL82. Dafür herzlichen Dank!

Exakt die hier beschriebene, höchst musikalische Endstufe ist vor einigen Monaten von mir aufgebaut worden und lässt seither alle vorher von mir gebauten Endstufen in jeglicher Hinsicht weit hinter sich. In Kürze werde ich hier auf audionist.de einen mit vielen nützlichen Hinweisen versehenen, reich bebilderten Bericht über meinen Aufbau veröffentlichen (inzwischen geschehen, siehe Praktischer Aufbau meiner Endstufe mit PL82).

In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf die grundlegenden Ausführungen zum Thema Netzteil-Konstruktion verweisen. Die hervorragenden Eigenschaften dieser Endstufe stehen und fallen mit der Qualität ihrer Spannungsversorgung.

Stay tuned!
MiMü


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